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Nachricht vom 05.09.2018    

Zukunftstag in Wissen: Von Silent-Air-Taxis und Porschekillern

Es ging um die Mobilität der Zukunft, die Fabrik der Zukunft und die Farge des Wissenstransfers von der Hochschule in den Betrieb. Und um die Frage, unter welchen Bedingungen die Menschen sich an die Region binden. Mit Professor Dr. Ing. Günther Schuh von der Technischen Hochschule (TH) in Aachen war dazu einer zum Zukunftstag von Marienthaler Forum und IHK nach Wissen gekommen, der bei Autobauern als "Schreckgespenst" gilt - einer, der die Elektro-Mobilität auf die Überholspur bringt.

Die Referenten und Podiumsteilnehmer beim Zukunftstag im Wissener Kulturwerk. (Foto: by)

Wissen. Wo führt der Weg der Zukunft hin? Ein Gedanke, der Viele umtreibt. Richtungsweisende Aspekte zu diesem brandaktuellen Thema gab es am Dienstagabend (4. September) beim Zukunftstag im Kulturwerk in Wissen. Eingeladen hatte das Marienthaler Forums in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer (IHK). Die Initiatoren, Ulrich Schmalz und IHK-Geschäftsführer Oliver Rohrbach, konnten als Referenten Professor Dr. Ing. Günther Schuh von der Technischen Hochschule (TH) in Aachen begrüßen. Neben seinem Lehrauftrag baut der Professor Elektro-Autos. Seit einigen Wochen läuft die Produktion einer eigenen Serie in der eigenen Autofabrik. Professor Dr. Ing. Peter Burggräf von der Universität Siegen informierte die interessierten Zuhörer über den Wissenstransfer von der Hochschule in die Region. Außerdem dabei: Landrat Michael Lieber, der Unternehmer Fred Schuhmacher, Jungunternehmer und Software-Entwickler Markus Bläser und der Pädagoge Bernhard Meffert, Leiter des Privat-Gymnasiums Raiffeisen-Campus in Dernbach.

Revolutionäre im Kulturwerk
„Eigentlich wollte ich Sie begrüßen mit ‚Liebe Revolutionäre…‘“, so Ulrich Schmalz im Hinblick auf das Thema des Vortrages von Professor: „Revolution der Mobilität in der Metropolregion Rhein-Ruhr“. Schmalz: „Schuh ist ein Mann mit Visionen, für manche aber auch das Schreckgespenst der Automobilhersteller. Revolution bedeutet immer Aufstand gegen etwas Bestehendes. Wir stehen vor einer neuen technischen Revolution von Analog zu Digital, von 4.0 zu künstlicher Intelligenz. Die Veränderungen sind jeden Tag spürbar, nicht nur in der industriellen Welt. Man erfährt eine Metamorphose, muss nur an Amazon denken, die die Handelswelt völlig auf den Kopf stellen.“ Professor Schuh fesselte die Zuhörer sowohl mit seinem interessanten als auch humorvollen Vortrag zur Elektromobilität, die sicher kommt, wenn auch noch nicht ganz sicher ist, wann und wie effizient sie letztendlich ist. „Wir haben uns überlegt, dass man in der Rhein-Ruhr-Region doch einmal Olympische Spiele abhalten könnte, diese schräge Idee stammt nicht von mir.“

Im Jahre 2032 sollten die nachhaltigsten Olympischen Spiele aller Zeiten auf die Beine gestellt werden. Nahezu alle Sportstätten sollten in einem Radius von 62 Kilometer liegen. Zu 90 Prozent würden diese schon existieren. Sollten die Olympischen Spiele beispielsweise in Paris stattfinden, dann brauchte Frankreich alle seine Fußballstadien landesweit. Dagegen wäre im Rhein-Ruhr-Umfeld alles vorhanden. Die Sportstätten können danach weiter genutzt werden. Die zusätzliche Idee sei es, ein Mobilitätskonzept zu überlegen. Im ersten Anlauf bei der Eröffnungskonferenz vor wenigen Wochen in Aachen zeigte sich der Vertreter des Internationalen Olympischen Komitees von der Planung sehr angetan. Emissionsfreie, voll komfortable Transporte, gestaltet durch verschiedene Verkehrsträger, sollen Hand in Hand arbeiten. Nach den Olympischen Spielen wäre diese Monopolregion die attraktivste Besuchsregion in ganz Europa. 14 Städte wären beteiligt.

Mit dem Hybrid-Flieger unterwegs
Der Professor erläuterte anhand einer Power-Point-Präsentation die Planung. Vier Standbeine seien insgesamt geplant, so Schuh, ein Privatfahrzeug, ein Shuttle, ein Zug und ein Flugzeug. Neben Einflugschneisen wäre das Kernelement der Aufbau eines multimodalen Verkehrs. In Einfallstraßen würden kleine, gläserne Park-And-Ride-Türme aufgestellt. Ab dort ist die Weiterfahrt mit dem Shuttle möglich, dem intelligenten e.Go Mover. Dessen Technik macht den Erlebniswert höher und ist auch für die Geschäfte so reizvoll, dass sie sich an den Fahrtkosten beteiligen werden. Das „Silent-Air-Taxi“ wiederum ist ein Hybrid-Flugzeug, nicht lauter als das Geräusch einer Waschmaschine, das später keinen Piloten mehr braucht. Es gäbe ebenfalls die Möglichkeit, ein kleines Elektroauto zu mieten, das e.GO Life, das in nicht allzu weiter Zukunft ebenfalls alleine fahre. Der fährt 130 Kilometer pro Stunde in der Basisversion und kostet 15.900 Euro – ein „Porschekiller“. Der humorvolle Professor sorgte mit der Erläuterung der Funktionsweise des E-Autos, dessen Elektroantrieb bereits im ersten Drehmoment die volle Leistung habe, und der ideale Zweitwagen als Porsche für Jedermann sei, für größte Heiterkeit unter den Anwesenden. Dies alles, ergänzt durch den Linienverkehr, würde zu einer Infrastruktur führen, die im Prinzip alle schwierigen Konstellationen wie Innenstadtverkehr, Parken usw. unnötig machte. Durch diese Bündelung der Verkehre ginge alles schneller, es gäbe weniger Staus und wäre deutlich bequemer.

Über die Fabrik der Zukunft
Professor Peter Burggräf empfand die Fahrt nach Wissen als geradezu meditativ. Er habe als Fabrikplaner an die vier Bs des Grauens denken müssen: „Bach, Baum, Bundesstraße, Berg“. Dadurch wären die Hallen entsprechend langgezogen gebaut, lägen immer an der Bundesstraße. „Hier kommt ja eine Fabrik nach der anderen. Müssen wir überhaupt als Universität noch ein Wissenstransfer herbeiführen, wenn wir hier so viele gute Unternehmen haben, die führend unterwegs sind?“ Burggräf ist seit letztem Jahr in der Produktionstechnik der Uni Siegen aktiv. Er versucht vor allem für die regionale Wirtschaft da zu sein. Er beschäftigt sich mit der Planung neuer Fabriken oder damit, bestehende Fabriken umzubauen, und hielt anhand von Beispielen einen Vortrag zum Thema „Wie sieht die Fabrik der Zukunft aus, wie wird die künstliche Intelligenz das Management ersetzen, wenn die Computer immer leistungsfähiger werden, die Algorithmen immer besser das menschliche Gehirn nachbilden können?“. Dominieren würde die digitalen Geschäftsmodelle, die klassische Fabrik gerate in den Hintergrund. Burggräf sieht es als seine Passion, dafür zu kämpfen, Wege zu finden die Produktion weiterhin wirtschaftlich attraktiv zu gestalten. Es gehe darum, Ökosysteme zu schaffen. Heutzutage könne keine Erfindung gemacht werden, ohne interdisziplinär forschen zu können. Er zeigte sich überzeugt davon, dass die Universitäten weiter einen Auftrag haben im Bereich des Technologie-Transfers. Er stellte den neuen Studiengang vor, der eine Basis gebe im Bereich des Produktions-Managements und in dem das Thema Lehre eine Herausforderung sei. Der Professor verwies auf das am 12. September stattfindende „Siegener Produktionsforum“ in der Siegerlandhalle.



Hohe Bindung an die Region
Landrat Michael Lieber äußerte die Meinung, die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums würde von der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land bestimmt werden. Wichtig sei, dass die Menschen hier gerne wohnen und Arbeit finden. Die Befragung von Jugendlichen habe gezeigt, dass es eine ganz hohe Bindung an die Region gebe. „Die bleiben gerne, wenn die Voraussetzungen stimmen, die Infrastruktur muss weiter entwickelt werden. Wir haben hervorragende visionäre Ansätze gehört. Die Zusammenarbeit mit der Universität Siegen bezüglich Wissenstransfer, das praktizieren wir. Geld ist genug da, 50 Milliarden Überschuss in diesem Jahr bei Bund, Ländern und Kommunen. Es kommt nur nicht da an, wo es gebraucht wird. Die soziale Infrastruktur dient dem sozialen Frieden, das ist gut. Aber die meisten Kommunen müssen dafür mehr ausgeben als sie einnehmen, das ist die Realität. Aber wir sind auf dem Weg, es gibt derzeit enorme Ausbauprogramme beim Breitband. Bis Mitte nächsten Jahres sind 90 Prozent aller Haushalte angeschlossen auf 30 Megabit, aufrüstbar auf 250. Auch die Schulen werden mit Glasfaseranbindung bestückt. Die letzten 10 Prozent werden auch noch angeschlossen werden. Dieser Standortfaktor wird im ländlichen Raum bedient“. Bezüglich Mobilität sah Lieber eine gute Anbindung innerhalb der Region und den Regio-Bahnhof Wissen als Modellprojekt für die Verknüpfung mit E-Mobilität. Zurzeit sind 200 Elektro-Fahrzeuge kreisweit angemeldet, der Kreis selbst hat vier Hybrid-und zwei E-Mobil-Fahrzeuge. Lieber betonte, das Rückgrat der Wirtschaft seien die kleinen, familiengeführten Unternehmen, die ein Beispiel seien für die Innovationskraft und die Zukunftsfähigkeit des Kreises Altenkirchen.

Es können nicht alle studieren
Der Unternehmer Fred Schuhmacher bemängelte am hiesigen Standort, dass alles einfach zu langsam gehe. Das beträfe die Infrastruktur wie auch die Versorgung mit schnellem Internet. Er wolle den Firmen-Standort Eichelhardt attraktiv machen, dort groß werden und die Verwaltung aufbauen. Die aktuellste Befürchtung sei, dass die Planung an den Nagel gehängt werden müsse, weil sie einfach nicht vorankämen. „Es dauert alles viel zu lang.“ Außerdem betonte Schuhmacher, dass doch nicht alle Jugendlichen studieren könnten: „Wir brauchen welche, die sich die Finger schmutzig machen, einen Schraubenzieher in die Hand nehmen. Das können wir verknüpfen mit der Digitalisierung. Wir brauchen Software, aber auch das andere. Wenn wir die Leute hier nicht halten können, dann geht es uns auf Dauer nicht gut. Darüber müssen wir nachdenken“. Bernhard Meffert äußerte sich aus Sicht des Pädagogen: „Wenn wir allen Forderungen nachgeben würden, dann hätten wir etwa 60 Fächer, wie zum Beispiel das Fach Programmiersprache. Die Bildung muss neu aufgestellt werden. Eine Haltungsveränderung muss organisiert werden. Wir müssen Kinder und Jugendliche in die Lage versetzen, beim Lernen Verantwortung zu übernehmen, unternehmerisch zu denken, Zukunftsgestalter zu werden.“ Meffert zitierte Albert Einstein: „Alles Lernen ist Erfahrung, alles andere ist Information.“

Der Software-Entwickler Markus Bläser sieht die Bedeutung der Software in Deutschland noch nicht so ausgeprägt wie sie sein könnte, was nicht zuletzt an der Bürokratie in Deutschland liege. Er zog Parallelen zu Unternehmen in den USA. Natürlich gebe es unterschiedliche Meinungen zur Digitalisierung, die teils negativ, teils positiv gesehen werde. „Ich würde mich freuen, wenn hier in der Region die Digitalisierung mehr Fuß fassen würde.“ Im Anschluss hatten die Anwesenden die Gelegenheit sich bei einem Imbiss und Umtrunk über das Gehörte auszutauschen. (by)


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