Drei Fragen an … Julia Klöckner: „Wir können von Raiffeisen vieles lernen.“
INTERVIEW | In dieser Woche gibt es in Wissen einen großen Rückblick auf das Raiffeisenjahr 2018, das sich dem Ende zuneigt. Raiffeisens Ideen sind weltweit ein Erfolgsmodell. Was sie heute für Wirtschaft und Gesellschaft bedeuten, warum junge Menschen Raiffeisen kennen sollten und welche Chancen er für die Landwirtschaft bietet, dazu haben wir ein Interview mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner geführt.
Wissen/Region. Ein ganzes Jahr lang hat die Raiffeisen-Welt den Genossenschaftsgründer und Sozialreformer gefeiert. Im Jahr seines 200. Geburtstages gab es zahllose große und kleine Veranstaltungen, und das nicht nur in seiner Westerwälder Heimat. Mit einem großen Rückblick feiert die Genossenschaftsbewegung Friedrich Wilhelm Raiffeisen in dieser Woche im Wissener Kulturwerk. Mit dabei sind unter anderem „Wanderpapst“, Autor und Kolumnist Manuel Andrack, die rheinland-pfälzische Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), TV- und Radiomoderatorin Anja Backhaus und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Mit ihr konnten wir vorab ein Kurzinterview rund um das Thema Raiffeisen führen.
Frau Klöckner, wie sehen Sie die Bedeutung Raiffeisens und seine Ideen für Wirtschaft und Demokratie im 21. Jahrhundert? Julia Klöckner: Wir können von Raiffeisen vieles lernen. Vor allem, dass wir die Anforderungen an die moderne Land- und Ernährungswirtschaft nicht alleine bewältigen können. Dass wir unser Wissen bündeln und gemeinsam weiterentwickeln müssen. Dass wir Vorsorge treffen müssen. Weil wir – heute wie damals, trotz allen Fortschritts – immer noch schlechte Jahre haben können. Friedrich Wilhelm Raiffeisen ist mit seinem berühmtesten Zitat „Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“ aktueller denn je, besonders was die Land- und Ernährungswirtschaft betrifft. Landwirte haben derzeit und auch künftig mit großen Herausforderungen zu tun. Zum einen haben wir eine weltweit steigende Nachfrage nach Lebensmitteln – in 20 Jahren müssen wir zwei Milliarden Menschen mehr auf der Welt ernähren. Und zum anderen, das haben wir gerade erlebt, bringen die Wetterextreme viele Landwirte an den Rand ihrer Existenz. Deswegen kann man diesen Anforderungen gemeinsam besser gerecht werden.
Warum sollten sich insbesondere junge Menschen mit Raiffeisen auseinandersetzen? Julia Klöckner: Vor allem junge Menschen verbinden Genossenschaftsformen mit dem Anspruch auf nachhaltige, effiziente und moderne Landwirtschaft. Sie wollen etwas verändern – und dabei spielt die Digitalisierung eine zentrale Rolle. Digitale Anwendungen und Daten helfen uns beim Wissens- und Erfahrungsaustausch. Sie ermöglichen es, das Tierwohl zu messen und zu mehren oder den Klimaschutz zu verbessern. Denken Sie an elektronische Halsbänder zur Überwachung der Tiergesundheit. Oder satellitengesteuerte Traktoren, die – je nachdem ob Nutz- oder Schadpflanze – zielgenau Dünger beziehungsweise Pflanzenschutzmittel ausbringen. Die Gewinnung und Vernetzung solcher Informationen und Daten, das müssen wir ausbauen – unter dem Motto und im Sinne Raiffeisens: Teilen statt zu besitzen.
Welche besonderen Chancen bieten Genossenschaften für die Landwirtschaft? Julia Klöckner: Die Raiffeisen-Genossenschaften genießen ein hervorragendes Image in Deutschland und auch im Ausland. Und das zu Recht! Es ist ein echtes Erfolgsmodell, was die Genossenschaften in den vergangenen 200 Jahren da bewerkstelligt haben. Und der Erfolg hält an. Die genossenschaftlichen Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung sind wichtig für uns als Verbraucher und für uns als Gesellschaft. Die Genossenschaft ist auf die Mitgliederinteressen und die wirtschaftliche Förderung der Mitglieder ausgerichtet und ein zuverlässiger Partner. Deshalb ist es für mich ein wichtiges Anliegen, genossenschaftliche Erzeugerorganisationen weiter zu fördern und auch zu stärken. Genossenschaften bieten eine Begegnung auf Augenhöhe für alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette, indem sie Erzeugerzusammenschlüsse fördern. Das Teilen des Wissens ist sowohl für den Klima-, Umwelt- und Naturschutz als auch für die Vernetzung und den Informationsaustausch essentiell. Der genossenschaftliche Gedanke bietet genau diese Chancen für die Landwirtschaft. Entwicklung, Vernetzung, Informationsaustausch – und Solidarität. (scan)
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