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Nachricht vom 01.12.2009    

Die engagierte Tafelarbeit im Landkreis gewürdigt

Im Landkreis Altenkirchen engagieren sich mehr als 200 Personen in der ökumenischen Tafelarbeit in Betzdorf, Altenkirchen, Wissen und Birnbach. Ihnen galt der besondere Dank der Superintendentin Andrea Aufderheide im Rahmen des diesjährigen Neujahrsempfangs in Wissen. Im Impulsreferat ging als Gastreferent Nikolaus Immer, von der Geschäftsführung der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe auch auf die kontorvers geführte Diskussion in Deutschland zur Tafelarbeit ein.

Region. Das neue Kirchenjahr beginnt am ersten Advent und seit rund 10 Jahren gibt es den Neujahrsempfang des evangelischen Kirchenkreises Altenkirchen mit dem Beginn des neuen Kirchenjahres. Das Thema "Essen und mehr" stand im Zentrum der Ansprachen und der sich anschließenden Diskussion und Gespräche. Superintendentin Andrea Aufderheide begrüßte im katholischen Pfarrheim in Wissen insbesondere die rund 200 ehrenamtlich tätigen Personen, die sich in den Dienst der Tafeln im AK-Land stellen. Es sei an der Zeit, den vielen ehrenamtlich tätigen Kräften einmal öffentlich zu danken, sagte sie im Gruß an die Gäste. "Sie schauen hin und tun etwas, und zwar jetzt", lobte sie. Ihr besonderer Gruß galt dem Mitglied der Geschäftsführung der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Nikolaus Immer, den Vertretern der Politik, der Firmen, die die Tafelarbeit unterstützen, den Caritasvertretern und den Pfarrern des Kirchenkreises.
Im Zentrum ihrer Ansprache stand ein Ausschnitt des berühmten Bildes von Sieger Köder, "Hoffnung den Ausgegrenzten" mit dem Bildausschnitt "Das Mahl". Als Misereor Hungertuch wurde es weltberühmt, jeder Gast fand einen Druck auf seinem Platz.
"Die Tafeln und ihre Angebote zählen mittlerweile zu der größten Sozialbewegung unserer Zeit. Sie schlagen die Brücke zwischen dem Überfluss und einer ernst zunehmenden Armut in unserem Land", führte Aufderheide eingangs aus. "Wenn die Kirchen angesichts der steigenden Armut ihre Stimme erheben, bitten sie nicht um Almosen, sondern sie erheben auch politische Forderungen", gab sie zu bedenken. Bei der Bildbetrachtung zum Hungertuch ging Aufderheide auf den Überfluss und die Gier ein, die angesichts von Millionen hungernder Menschen wie ein Stachel im Fleisch der Menschheit sitze. "Es ist Unrecht, das zum Himmel schreit, es darf nicht hingenommen werden. Wenn der Überfluss eine Umverteilung, wie etwa durch die Tafeln erfährt, darf es die Menschen nicht beschämen", mahnte die Superintendentin. Mit Blick auf die Adventszeit und dem Anbruch der Heilszeit für die Christen merkte sie an: "Wo Menschen bereit sind umzudenken, da geht ein göttliches Samenkorn auf."
Im Impulsreferat "Essen und mehr" schonte Nikolaus Immer die Gäste nicht. Er beleuchtete schlaglichtartig die Entstehung der Tafelbewegung und der vielfältigen Kritik, der diese Bewegung heute ausgesetzt ist. Am Anfang standen die Obdachlosenküchen, im Jahr 2000 waren es rund 15, heute sind es über 850 Tafeln im ganzen Land, die fast eine Million Menschen versorgen. Anlass zur Freude gebe diese Zahl nicht, Hartz IV habe den Tafeln einen Boom beschert und der Bedarf steige weiter. Immer prangerte die Ungerechtigkeit gegen die Kinder an, die einen deutlich geringeren Regelsatz als Erwachsene erhalten. Langzeitarbeitslose seien die Hauptgruppe aller Hartz IV-Empfänger, und hier gehe die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Die Folge sei mangelnde Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, Resignation und Scham, warnte Immer.
Er griff Kritikpunkte auf, denen sich die Tafelarbeit stellen müsse. "Ersetzen Tafeln die Fürsorgepflicht des Staates, wird hier Barmherzigkeit gegen Gerechtigkeit gesetzt", so seine rhetorische Frage. Auch das allzu häufig diskutierte Ausnutzen der Tafeln, die entstandenen Kontrollen und die damit verbundene Stigmatisierung der Klienten skizzierte Immer. "Es entwickelt sich abseits eine Hartz-IV-Gesellschaft, will man das hinnehmen in unserem Land"?, fragte er. "Wir sind in einer Schieflage bei all der Kritik, es geht nicht, dass man die Menschen, die die Tafelarbeit leisten, kritisiert, auch nicht die Nutzer. Wer glaubt, dass, wenn die Tafeln aufhören würden, sich der Hartz -IV-Satz erhöhen wird, der ist völlig falsch informiert", sagte Immer. Die Tafelarbeit sei ein bürgerschaftliches Engagement, das kein Staat der Welt organisieren könne.
In den Betrachtungen stand die Tafelplus-Bewegung, die von Diakonie und Caritas in Kooperation aufgebaut wurde. Bei Tafelplus geht es um mehr als nur ein warmes Essen und Lebensmittelausgabe. Hilfe bei vielen Dingen, Kurse wie Kochen und Nähen, sowie Beratungen werden angeboten. "Tafelplus heißt auch Anwaltschaft, Dienst am Nächsten und Solidarität zeigen. Alle sind vor Gott gleich, wir müssen Teilhabe und Gerechtigkeit fordern. Es muss auch für höhere Regelsätze gekämpft werden. Unser Einsatz wird glaubhaft durch unser Tun" schloss Immer.
In der sich anschließenden Frage- und Diskussionsrunde zeigte sich deutlich, dass bei den vielen Ehrenamtlichen, die Tafelarbeit leisten, die Kritikpunkte, die Immer skizziert hatte, zwar bekannt waren, aber nicht geteilt wurden. Wie wichtig für die Betroffenen in Altenkirchen die Anlaufstelle ist, machte Ute Weber von der Altenkirchener Tafel in einem Beitrag deutlich. "Für die Betroffenen sind das Essen und die Begegnung wichtig. Wenn eine Mutter sagt: "Jetzt können wir auch am Wochenende etwas Richtiges essen", ist das mehr als eine Bestätigung unserer Arbeit", sagte Weber. Es gab natürlich Kritik an der Politik, die den Boden für die steigende Armut im reichen Deutschland bereitet hat. Franz-Josef Link, der zu den Gründungsmitgliedern der Wissener Tafel gehört, sieht auch die ungezügelte Gier der Banken und der Lobbyisten tief in der Schuld der Misere, die immer mehr Menschen in die Armut treibe. Pfarrer Markus Aust aus Betzdorf sah man deutlich an, dass ihn die Diskussion betroffen gemacht hatte. "Diese Diskussion hier ist sehr bewegend, wenn wir bei den Tafeln die Menschen nur abspeisen würden, wäre das schlimm. Aber in den Tafeln findet Begegnung statt, die sehr lebendig ist, es gibt den gegenseitigen Austausch, man hilft sich und es entstehen Freundschaften. Wir sprechen von unserer Tafelgemeinde in Betzdorf, es gibt Beratungsangebote und Hilfestellungen, wo am Anfang nur die Tafel war. Eine Erhöhung der Regelsätze würde dies niemals ersetzen können", sagte Aust.
Nikolaus Immer ging in der Antwort darauf ein, dass über den höheren Regelsatz keine Würde geschaffen werde. Es sei erschreckend, wenn Sozialkaufhäuser mit "Ein-Euro-Jobbern" eröffnet würden und am Eingang kontrolliert werden müsse, dass hier nur Hartz-IV-Empfänger einkaufen dürften. "Das ist entwürdigend“, sagte Immer. Sein Dank galt den engagierten Personen im Landkreis, die sich in der Tafelarbeit einbringen.
Ein technisches Problem, das nicht gelöst werden konnte, verhinderte eine Filmpremiere. Petra Stroh und Klausjürgen Ott haben einen Film zur Tafelarbeit im Landkreis gedreht, der nun zu einem späteren Zeitpunkt gezeigt werden soll. Für die Musik beim Neujahrsempfang sorgten Markus Deger und Tochter Rebecca. Im Anschluss konnte man die Gelegenheit zu persönlichen Gesprächen nutzen, was dann auch rege geschah. (hw)
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Superintendentin Andrea Aufderheide dankte öffentlich den rund 200 ehrenamtlichen Tätigen in der Tafelarbeit im Landkreis Altenkirchen. Fotos: Helga Wienand



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