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Appell für mehr Zusammenarbeit
Die Daseinsvorsorge für die kommenden Generationen sowie der Appell zu einer verstärkten Zusammenarbeit der Kommunen prägte den Neujahrsempfang des Landrates Michael Lieber. Der Tradition entsprechend fand die erste Bürgermeister-Dienstbesprechung im Rahmen des Neujahrsempfangs statt. Nicht alle Ortsbürgermeister waren von der angekündigten Erhöhung der Kreisumlage begeistert, vor allem dort nicht, wo die Gemeinden seit Jahren in tiefroten Zahlen stecken.
Altenkirchen. Die erste Ortsbürgermeister-Dienstbesprechung nach der Kommunalwahl fand der Tradition entsprechend als Neujahrsempfang des Landrates im Kreishaus in Altenkirchen statt. Mit allem, was dazu gehört: Für Musik sorgte das Akkordeonorchester der Kreismusikschule unter Leitung von Michael Wagner. Zum Auftakt gab es den "Liber-Tango", es folgten weitere Musikstücke und die jungen Musiker bewiesen einmal mehr ihre Spitzenklasse.
Landrat Michael Liebers besonderer Gruß galt dem Alsdorfer Ortsbürgermeister Paul Schwan, der seit über 40 Jahren dieses Amt innehat, und damit zu den dienstältesten Bürgermeistern im Land zählt. Mittlerweile gibt es elf Ortsbürgermeisterinnen im Kreis, ihnen, sowie den neuen Ortschefs galt der besondere Gruß. In seiner Ansprache ging Lieber auf die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum vor dem Hintergrund einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung ein. Die Folgen der Krise in der Weltwirtschaft gingen nicht spurlos am Kreis vorüber, die Gewerbe- und Einkommensteuer sinke, und Bund und Land hätten weitere Aufgaben auf die kommunale Ebene verlagert, ohne für den finanziellen Ausgleich zu sorgen. "Der Landkreis Altenkirchen wird, wenn der Haushalt so wie er von der Verwaltung vorgelegt, verabschiedet wird, über einen ausgeglichen Haushalt verfügen. Wir sind einer der wenigen Kreise, denen dies gelingt", sagte Lieber. Es werde jedoch nur gelingen, wenn die Kreisumlage um einen Punkt erhöht wird, die letzte Erhöhung habe es im Jahr 2005 gegeben, führte er aus. Lieber begründete diesen Schritt mit zusätzlichen Kosten im Bereich der Kindertagesstätten.
In den Fokus stellte Lieber auch den Ausbau der Breitbandversorgung und den schnellen Zugang zum Internet. Die unterschiedliche Versorgungssituation mit schnellem Internet im Kreis sei unbefriedigend und es müsse das Bemühen aller sein, die unterversorgten Bereich an die Datenautobahn anzuschließen. Lieber berichtete von den Praktiken der Telekom, die Zuschüsse für den Ausbau von den Gemeinden zum Teil in einem fünf- oder sechstelligen Bereich fordert. "Das ist für unsere Gemeinden nicht finanzierbar", sagte der Landrat. Er sieht eine Chance in Alternativanbietern und Zusammenschlüssen von Gemeinden, um flächendeckend Breitbandanschlüsse zu realisieren. Als Beispiel nannte er den Landkreis Kusel. Dort haben sich verbandsgemeinde-übergreifend 80 Ortsgemeinden zu einem Verbund zusammengeschlossen. Es seien auch Modelle denkbar, bei denen sich zwei oder drei Verbandsgemeinden zu einem größeren Versorgungsraum zusammenschlössen und somit für Breitband-Anbieter attraktiver seien. So schaffe man auch Synergien hinsichtlich der Beantragung von Fördermitteln. "Eines wird in allen Fällen immer wieder deutlich: Wenn sich nicht alle Bürgermeister bei diesen Projekten sowohl vor Ort als auch gemeinsam vehement einsetzen, sind solche Projekte nicht durchführbar", sagte Lieber und warb für eine aktive Mitarbeit. Der Kreis und die Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft seien bereit, sich in solche gemeinsamen Projekte einzubringen.
Lieber appellierte an die Anwesenden, die großen Zukunftsaufgaben gemeinsam zu lösen. "Lassen Sie uns gemeinsam als große kommunale Familie die Zukunft unserer Heimat gestalten. Lassen Sie uns zukunftsweisende Wege beschreiten - für die Menschen in unserer Region. Denn wir wollen trotz des demografischen Wandels zu den Gewinnerregionen in Rheinland-Pfalz zählen", sagte Lieber.
Der Gastreferent des Abends, Dr. Bülent Tarkan von der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz, hatte das Thema "Nachhaltige Sicherung der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum unter Schrumpfungsbedingungen". Er zeigte unter anderem Horrorszenarien auf, die mit einer schwindenden Bevölkerung einhergehen. Er sprach von selektiver Abwanderung und damit einhergehender sinkender Finanzkraft und einem sterbenden Gemeinschaftsleben. Er warnte unter anderem vor einem ruinösen Wettbewerb um Einwohner, die sei nicht erfolgsversprechend. Tarkan sprach von neuen Anforderungen, die man meistern müsse, dies betreffe alle Lebensbereiche. Unter dem Aspekt schwindender Fördermittel von Bund und Land warb er für Kostenbewusstsein und mehr interkommunaler Zusammenarbeit. Er stellte einen Wettbewerb vor, den die Entwicklungsagentur auslobt. Es sollen Konzepte im Hinblick auf die Gestaltung einer zukunftsfähigen Gemeinde entwickelt werden. Diese Konzepte sollen problemorientiert, nachhaltig, finanziell machbar und attraktiv sein. "Wir haben jetzt alles, vom Horrorszenario bis hin zu neuen Denkanstößen alles gehört", meinte Lieber zum Schluss und dankte dem Referenten.
Beim Getränk und Imbiss im Foyer des Kreishauses gab es im Anschluss Diskussionen, sowohl zum Vortrag des Gastreferenten, aber auch zur Ansprache des Landrates. "Wenn jetzt die Kreisumlage erhöht wird, woher sollen wir das Geld nehmen?", fragten sich viele Ortsbürgermeister. Harsche Kritik wurde aus den Ortsgemeinden der VG Hamm laut, wo seit Jahren die Schuldenlast in den Ortsgemeinden steigt, freie Finanzmittel nicht verfügbar sind. "Wo sollen wir das Geld denn hernehmen", fragen die Ortsbürgermeister. "Da wird von einem ausgeglichen Haushalt des Kreises gesprochen, unsere sind es seit Jahren nicht, es ist wie immer, den Letzten beißen die Hunde", wurde an den Tischen geschimpft. "Wir können die Friedhofsgebühren, vielleicht auch noch die Hundesteuer erhöhen, aber wo sind da die Spielräume für Entwicklung", wurde am Tisch der Ortsbürgermeister aus der VG Altenkirchen gefragt und diskutiert. (hw)
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Landrat Michael Lieber warb in der Neujahrsansprache für eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit. Fotos: Helga Wienand
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