„Gegenseitig therapiert“: Zeitzeugin berichtete aus dem KZ Theresienstadt
Der DGB-Kreisverband Altenkirchen hatte im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus zusammen mit dem „Bunten Bündnis Westerwald“ in das „Rote Haus“ in Seelbach bei Flammersfeld eingeladen, um Gelegenheit zu geben, an den Erinnerungen der Frankfurterin Edith Erbrich teilzuhaben. Sie hat das Konzentrationslager Theresienstadt überlebt.
Seelbach. „Die Aufseherinnen sagten uns kleineren Kindern, morgen komme ein ganzer Waggon mit Süßigkeiten. Als der erwartete Waggon dann voller Leichen war, wussten wir, warum die älteren Kinder am Tag vorher helfen mussten, ein großes Loch zu graben.“ Solche Passagen im Vortrag der heute 82-jährigen Edith Erbrich, Überlebende des Konzentrationslagers (KZ) Theresienstadt, machten für die rund 40 Zuhörerinnen und Zuhörer klar, wie wichtig es ist, den letzten Zeitzeugen immer wieder ein Forum zu geben.
Erschütternde Berichte
Der DGB-Kreisverband Altenkirchen hatte im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus zusammen mit dem „Bunten Bündnis Westerwald“ in das „Rote Haus“ in Seelbach bei Flammersfeld eingeladen, um Gelegenheit zu geben, an den Erinnerungen der Frankfurterin teilzuhaben. Der DGB informiert per Pressemitteilung über diese Veranstaltung. Edith Erbrich ist zusammen mit ihrem Vater und ihrer Schwester Anfang 1945 von Frankfurt nach Theresienstadt deportiert worden. Die nicht-jüdische Mutter blieb in Frankfurt. Die Repressalien und Existenznöte, denen die Familie bereits in Frankfurt ausgesetzt war, die unmenschlichen Transportbedingungen in Viehwaggons, die Trennung der Familie in der zum KZ umfunktionierten tschechischen Garnisonsstadt, die menschenverachtende Nazi-Ideologie und die Gnadenlosigkeit des Wachpersonals: All das schockierte und fesselte die Zuhörerinnen und Zuhörer.
Nur knapp dem Tod entkommen
Wie später rekonstruiert wurde, hätte Edith Erbrich am 10. oder 11. Mai 1945 in Auschwitz umgebracht werden sollen. Die Befreiung dieses nazi-deutschen Vernichtungslagers in Polen durch die Rote Armee und das in Theresienstadt mit einigen Tagen Verspätung „ankommende“ Kriegsende haben dieses Schicksal der Familie verhindert. Der Vater und seine beiden Töchter sind nach der Befreiung von der Nazi-Herrschaft durch die Alliierten noch in Theresienstadt zusammengeführt und nach Frankfurt zurückgebracht worden. Edith Erbrich war auch wichtig, an die vielen unerkannten „geheimen Helden“ zu erinnern. So seien ausnahmslos alle vorfrankierten Postkarten, die ihr Vater – versehen mit Datum und Uhrzeit – heimlich deponiert oder aus dem stehenden Waggon geworfen habe, zu Hause bei der Mutter angekommen. Ihrer ersten Volksschullehrerin nach dem Krieg habe sie zu verdanken, dass sie ins Leben zurückgefunden habe.
Intensiver Austausch
Nach dem Vortrag und einer Erholungspause entspann sich ein von Empathie geprägtes Gespräch mit den Zuhörerinnen und Zuhörern. Wie sie als Kind von sieben Jahren das alles überstanden habe, wollte eine Zuhörerin wissen. „Ich konnte das alles – auch lange nach dem Krieg – nur aushalten, weil ich mich mit meiner Schwester ständig ausgetauscht habe. Wir haben uns gegenseitig therapiert“, war die Antwort.
Zeitzeugin hält die Erinnerung wach
Seit 20 Jahren ist Edith Erbrich als Zeitzeugin mit ihren Vorträgen unterwegs, um die Erinnerung wachzuhalten und die heutigen Generationen zu mahnen. „Das große Interesse und die Dankbarkeit der jungen Leute, die ich besonders in Schulen erfahre, geben mir die Kraft dazu“, erklärte Edith Erbrich. Diesen Dank brachten auch Hausherr Hermann Nick und DGB-Kreisvorsitzender Bernd Becker zum Ausdruck und überreichten kleine Präsente. (PM)
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