Songs und Geschichten: Beckmann und Band begeisterten in Altenkirchen
Reinhold Beckmann hautnah erleben konnten die Besucher seines Konzerts im Altenkirchener Atelier von Marlies Krug. Er hatte zu fast jedem Song eine Geschichte parat, mal heiter amüsant, dann wieder nachdenklich, berührend und sentimental, doch nie verletzend. Die langjährige Erfahrung durch seine Tätigkeit beim Fernsehen hat Beckmann geprägt und mit einer Souveränität und Gelassenheit ausgestattet, die er ohne Überheblichkeit zu Gesichte trägt.
Altenkirchen. Was war das für ein genialer Gedanke, den Auftritt von Reinhold Beckmann und seiner Band von der Stadthalle in Altenkirchen in das Kunstatelier von Marlies Krug zu verlegen! Hinter dieser grandiosen Idee steckten Helmut Nöllgen und das Team vom Haus Felsenkeller, damit taten sie nicht nur den Musikern einen Gefallen, auch die Besucher waren von dem unglaublichen Flair begeistert, welches das gesamte Konzert umschmeichelte. Vor Beginn des Konzertes zeigte sich Reinhold Beckmann ebenfalls sehr angetan und brachte dieses Gefühl auch mehrmals während des Konzertes zum Ausdruck. Die Band stand mit ihren Instrumenten praktisch mitten im Publikum, das war ein Konzert der Marke „Hautnah“, gerade das machte den besonderen Reiz aus, weil zwischen den Musikern und den Gästen keine Distanz bestand.
Hochgesteckte Erwartungen: Erfüllt!
Nach der Begrüßung durch Helmut Nöllgen nahmen die Musiker, empfangen mit einem freundlichen Vorschussapplaus, an ihren Instrumenten Platz. Das Beckmann kein unpolitischer Mensch ist, und keine Scheu hat, Wahrheiten klar auszusprechen, stellte er von Anfang an klar. So berichtete er, dass er vor kurzem nachts schweißgebadet aufgewacht sei, weil er einen Albtraum erlebt habe. Er habe geträumt, dass der Journalist Kashoggi die saudische Botschaft betreten, aber nicht mehr lebend verlassen habe. „Come in peace and go in pieces“ könne man dazu sagen. Dazu stimmte er das Lied „Die Zeiten sind obskur“ an, der Einstieg in das Konzert war gelungen und das Publikum hing erwartungsvoll an den Lippen des Sängers, Moderators und Entertainers Beckmann.
Dem Wehrdienst entkommen
Im nun folgenden Konzert begnügte sich Beckmann nicht damit, sein Programm abzuspielen, er hatte zu fast jedem Song eine Geschichte parat, mal heiter amüsant, dann wieder nachdenklich, berührend und sentimental, doch nie verletzend. Die langjährige Erfahrung durch seine Tätigkeit beim Fernsehen hat Beckmann geprägt und mit einer Souveränität und Gelassenheit ausgestattet, die er ohne Überheblichkeit zu Gesichte trägt. Aufgewachsen in Twistringen bei Bremen, hatte seine Mutter großen Einfluss auf ihn, da ihre vier Brüder alle im Krieg gefallen waren, der letzte noch mit 16 Jahren. Darum sollten ihre eigenen Kinder nie Waffen tragen, sie unterstützte Reinhold kräftig bei dessen Ansinnen, den Dienst an der Waffe zu verweigern. Um bei der Gewissensprüfung zu bestehen, wurde er von Siggi gecoacht, der drei Tage, bevor er zum Priester geweiht wurde, zum Marxismus konvertierte und in eine Wohngemeinschaft (WG) zog. Die Revolution stand über allem, auch daran zu erkennen, dass es in der WG kein Zimmer gab, in dem nicht mindestens ein Poster von Che Guevara hing. Dank Siggi wurde Reinhold als Wehrdienstverweigerer anerkannt.
Entfaltungsmöglichkeiten nach Heinz Erhardt
Ernste Songs mit Tiefgang wechselten augenblicklich in Lieder mit zärtlichen, gefühlsbetonten Texten. Zum Beispiel erklärte Beckmann in dem Lied „Der 5. Beatle“, was er alles anstellen würde, um das Herz seiner Liebsten zu gewinnen. Auch Manager und Banker, die er auf Flughäfen beobachte, die von einem Flieger zum anderen hetzen, dabei rund um den Erdball fliegen, nach 14 Tagen mal nach Hause kommen, und kaum die Namen ihrer Kinder kennen, wurden mit einem Lied bedacht. „Sei sein Lächeln“ kam mit einem sehr emotionalen Text herüber, bei der Ankündigung sagte Reinhold wörtlich: „Das beste Gegengift von Einsamkeit ist tiefe Geborgenheit, haltet sie fest.“ Donald Trump bekam auch noch sein Fett weg, da er der Frau Merkel beim ersten Treffen kaum Beachtung geschenkt habe, beim zweiten Besuch aber gleich ihre Raute anfasste. Um eine Lebenserfahrung zu verbreiten, zitierte Beckmann Heinz Erhardt: „Wenn ich morgens zerknittert aufstehe, dann habe ich tagsüber immer noch Entfaltungsmöglichkeiten“. Bei den häufigen Besuchen in Büchereien wunderte er sich über einige Titel, zum Beispiel „Yoga für Babys“ oder „Angstfreies Töpfern.“
Bewegende Momente
Nach der Pause kam der vielleicht emotionalste Moment des gesamten Konzertes, als Reinhold Beckmann das Schicksal des dreijährigen syrischen Jungen Aylan in Erinnerung rief, dessen Foto um die Welt ging, als er am Strand von Bodrum im Mittelmeer ertrunken an Land gespült wurde. Einige Tage hätte Aylans Tod die Menschen bewegt, doch nach kurzer Zeit ging alles wieder seinen gewohnten Gang. Aylan ehrte Beckmann mit dem gänsehauterzeugenden Lied „Wohin in dieser Welt.“ Mucksmäuschenstill wurde es im Atelier, viele hatten Tränen in den Augen. Beim Thema angekommen, lobte Beckmann das Engagement der Menschen, die sich ehrenamtlich für die Flüchtlinge einsetzen. Ohne deren Einsatz hätte die Integration keine Chance, in diesem Punkt widersprach Beckmann der Kanzlerin, als diese sagte „Wir schaffen das“, sie hätte besser sagen sollen: „Ihr schafft das.“ Für dieses Statement erhielt Beckmann großen Beifall.
Die Sandkastenliebe
Mit dem „Hypochonder-Song“ wollte Beckmann raus aus der Miesepeter-Ecke. Mit diesem Lied beschrieb er die Wehleidigkeit der Männer, die bei einem leichten Schnupfen bereits die gesamte Verwandtschaft ums Bett versammeln, denn das Ende wäre nicht weit. Es folgten zwei Liebeslieder auf seine Geburtsstadt Twistringen, und auf Bremen, die Stadt fernab der Provinz. Von Twistringen ist bei ihm hängen geblieben, dass die drei Pfarrer der Stadt eine Straßensperre errichteten, als Besucher sich den Skandalfilm „Das Schweigen“ von Ingmar Bergman von 1963 ansehen wollten. Seine Sandkastenliebe Charlotte, übrigens eine Tochter des ortsansässigen Metzgers, widmete Beckmann eines seiner letzten Lieder, bevor es in einem furiosen Finale mit Reggae, Klatschen, Tanzen und Mitsingen dem Ende zuging. Nicht enden wollender Jubel und Beifall belohnte Beckmann und seine Musiker, die an dieser Stelle eine namentliche Erwähnung verdient haben, da sie an ihren Instrumenten sich als wahre Meister ihres Fachs erwiesen: Die „Gitarren-Sau“, so nannte Beckmann mehrmals selbst seinen Lead-Gitarristen Johannes Wennrich, an den Drums Robin McMinn, am Bass Thomas Biller und Jan Peter Klöpfel, der Keyboard, Trompete und Flügelhorn bespielte. Ein Konzert, welches sich stilsicher zwischen Jazz, Country, Pop, Folk, Bossa Nova und Rumba bewegte, bleibt den begeisterten Besuchern sicherlich noch lange im Gedächtnis haften. Das Haus Felsenkeller hat mit diesem Konzert wieder einmal einen Glückstreffer gelandet, der den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zauberte. (wear)
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