Bauern, Biene und Borkenkäfer: Julia Klöckner sprach in Gebhardshain
Nitrateintrag, Düngeverordnung, Waldschaden, Biodiversität, Digitalisierung in der Landwirtschaft und Tierwohl: Kaum ein Thema ließ Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner am Montagnachmittag (20. Mai), als sie beim CDU-Kreisverband Altenkirchen zu Gast war, im Westerwälder Hof in Gebhardshain liegen: Sie brach dabei auch klar die Lanze für die Landwirte und stellte sich gegen öffentliche Beschimpfung.
Gebhardshain. Bauern, Biene und Borkenkäfer: Das waren nur drei Stichworte, die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner aufgriff, als sie im gut besuchten Saal des Westerwälder Hof es auf Einladung des CDU-Kreisverbandes Altenkirchen im Rahmen eines Hintergrundgespräches auftrat. Die Ministerin stellte gleich zu Beginn voran, dass Landwirtschaft und Bauern systemrelevant seien, wie die Biene. Wenige Tage vor der Kommunalwahl war die Ministerin in die Höhengemeinde gekommen. Es sei jedoch keine Walkampfveranstaltung, schickte der stellvertretende Kreisvorsitzende Joachim Brenner in seiner Begrüßung voraus. Es gehe darum, mit der Ministerin über die drängendsten Themen zu sprechen, die Landwirten und Vertretern aus Forst und Wald auf den Nägeln brennen würden, zum Beispiel die Beseitigung der Schäden, die aufgrund der Trockenheit entstanden sind. Unter den Menschen im gut besuchten Saal begrüßte er einige namentlich, zum Beispiel Forstamtsleiter Franz Kick.
Eine lange Durststrecke
Sicher mit großem Interesse werden auch Freiherr Friedrich von Hövel als Vertreter des Kreiswaldbauvereins und Georg Groß, bislang Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Altenkirchen, den Worten Klöckners zugehört haben. Der Landkreis sei mit weit mehr als der Hälfte bewaldet. Der Wald habe jedoch eine katastrophale Waldschadenssituation. Stürme und Käferbefall im Vorjahr hätten zugesetzt. Brenner erwähnte den Wald als CO2-Speicher, aber auch als Naherholungsgebiet und großen Wirtschaftsfaktor, und meinte, dass „wir eine lange Durststrecke vor uns haben“. Die Zerstörung des Wald sprach auch Jessica Weller an, die als Vorsitzende des CDU-Gemeindeverbandes ein Grußwort entrichtete und die Folgen ansprach, wenn noch so ein Sommer wie im Vorjahr folge. Ein weiteres Thema, das für große Unsicherheit sorge, sprach sie mit dem Stichwort Nitrat an. Es habe im Mai bereits einen Termin im Westerwald mit der Bundesministerin gegeben, erinnerte CDU-Landratskandidat Dr. Peter Enders, MdL, vor zwei Wochen an der Nister, als es um die Veralgung von Flüssen gegangen sei. Dies habe deutlich gemacht, dass man eine Region sei, sagte Enders, der gemeinsam mit dem CDU-Kreisvorsitzendem Michael Wäschenbach, MdL, die Bundeslandwirtschaftsministerin vor der Gaststätte begrüßt hatte. Beide kennt Klöckner aus ihrer Zeit im rheinland-pfälzischen Landtag.
„Heute ist der Welttag der Biene“, sagte die Bundesministerin, die ankündigte, ein paar Sachen anreißen zu wollen, als Impulse. Seit knapp 20 Jahren sei sie in der Politik, aber noch nie habe sie eine so aufgeheizte gesellschaftliche Debatte erlebt. Sie spannte den Bogen zu den Landwirten. Man wisse, was ihnen vorgeworfen werde, und wenn Kinder aus Bauernfamilien als Tierquäler und Vergifter von Böden bezeichnet würden. Im Internet könne man lesen: „Landwirte sind Schuld“. Wenn man regionale Produkte haben möchte, dann benötige man auch diejenigen, die regional produzieren. Wenn jedoch ständig von Grundwasservergifter gesprochen werde, warum sollte dann ein junger Mensch noch diesen Beruf ergreifen, so Klöckner. Vor 50 Jahren sei noch ganz anders gebeizt worden, die Tiere seien anders gehalten worden. Es habe sich viel getan. Es sei nicht alles in Ordung, aber es bedürfe eines neuen Landwirtschafts- und Verbraucherbewusstseins. Stichwort Biene: Das Problem betreffe nicht die Honigbiene, sondern die Wildbiene. Bei 80 Prozent der Nahrungsmittel sei man auf die Bestäubungsleistungen von Bienen angewiesen. Im Interesse aller Insekten sei es wichtig, eine Koexistenz zu haben. Es sei zu kurz gedacht, dass die Landwirtschaft an allem Schuld sei.
Tiere sind keine Wegwerfware
Auch die Lichtverschmutzung sei ein Problem, verdeutlichte Klöckner die Problematik und warb: „Wir brauchen ein bundesweites Insektenmonitoring.“ Es müssten zum Beispiel auch Wetter und Pflanzen berücksichtigt werden, um verlässliche Daten zu haben, voran es nun liege. Auch den Komplex Tierwohl riss die Ministerin an, die herausstellte, selbst aus der Landwirtschaft zu kommen. Tiere seien „keine Wegwerfware“, betonte sie. Mehr Platz und mehr Investitionen würden mehr Geld kosten, das könne kein Landwirt tragen. Wenn sonntags mehr Tierwohl gefordert werde, aber montags bis samstags 100 Gramm Fleisch für 15 Cent eingekauft würden, diene dies keinem Tierwohl, meinte die Ministerin, die plädierte, die Verbraucher mit ins Boot zu holen. Sie erwähnte das Forschen am „Stall der Zukunft“. Unter Umständen biete ein großer Betrieb mehr Tierwohl als ein kleiner, der nichts getan habe. Groß gleich schlecht, klein gleich gut: Diese Gleichung müsse aufgebrochen werden.
Kein Instrument sieht sie hingegen darin, Gesetze strenger zu machen. Denn, so ihre Vermutung, dann würden zum Beispiel Brütereien ins Ausland gehen, und „am Ende ist dem Tierwohl nicht geholfen“. Sie sprach auch die berühmten 5G an der Milchkanne an, die inzwischen ein Roboter geworden sei. Die Digitalisierung in der Landwirtschaft schreite rasant voran. Hier kam sie auch auf Pflanzenschutzmittel zu sprechen. Sie habe einige Neonicotinoide verboten, die schädlich für die Biene seien, weil der Hautflügler die Orientierung verliere. „Die Debatte um Pfanzenschutzmittel ist ideologisch“, meinte Klöckner. Eine Pflanze benötige Gesundheit, um ernähren zu können. In Maschinen, die in Windeseile auf einer Blattfläche Schädlinge punktuell ausmachen können und eine Applikation Pflanzenschutzmittel geben, könnten eine Win-Win-Situation sein und die Akzeptanz erhöhen, meinte sie. Die Digitalisierung, die sie an einem weiteren Beispiel, der Melkmaschine, erläuterte, benötige auch die entsprechende Infrastruktur.
Prekäre Wald-Situation
Die Bundeslandwirtschaftsministerin griff auch das viel diskutierte Stichwort Düngeverordnung auf. Die Einträge seien höher als in anderen Ländern. Anhand einer Karte mit roten Gebieten lasse sich ablesen, dass die Werte im Westerwald recht ordentlich seien. Von der Landwirtschaft, bei der sie auch die Milch thematisierte, kam sie zum Wald, „unsere Lunge.“ Der Bevölkerung sei „nicht annähernd klar, in welcher prekären Situation der Wald ist“. Trockenheit, Borkenkäfer und Stürme hätten zugesetzt, und die zerstörten Bäume würden künftig fehlen. Sie sprach sich für massive Aufforstungsprogramme aus. Sie erwähnte die Masse an Kalamitätsholz, und den Wertverlust beim Preis. Ihr Ministerium habe 25 Millionen Euro zusätzlich bereit gestellt. Man dürfe nicht darüber nachdenken, was noch so ein Sommer wie 2018 verursache, sagte die Ministerin. Schließlich fand sich auch der Wolf in dem Abriss der Ministerin wieder, die meinte: „Wir müssen ihn entnehmen dürfen.“ Sie erinnerte, dass Herden gerissen werden. Die Ministerin, meinte, man müsse sich überlegen, wie es einem Tierhalter gehe, wenn er seine gerissenen Tiere sehe. „Es geht nicht um die Ausrottung der Wölfe“, merkte Klöckner an. Eltern würden jedoch ihre Kinder nicht mehr rauslassen, weil ein Wolf durch Wohngebiete streife. Wenn nun ein Jäger ein anderes Tier schieße, als das betroffene, laufe er Gefahr, den Jagdschein zu verlieren.
Im Anschluss gab es einige Wortmeldungen, auch von Seiten der Waldbesitzer. Freiherr Friedrich von Hövel erwähnte, dass bei Privat- und Körperschaftswald sich die Kahlfläche mit 75.000 Hektar beziffere. Die Schäden würden sich noch erhöhen: „Die Käferkalamität dauert drei Jahre“, sagte von Hövel, und so müsse man noch ein Mal mit dieser Größenordnung rechnen. Die Aufforsdtungskosten bezifferte er mit 220 Millionen Euro: „Da reichen die 25 Millionen Euro für fünf Jahre nicht ganz aus“, sagte er und bat darum, die Mittel vom Bund zu erhöhen. Dieses seien zusätzliche Mittel, sodass es in der Summe 50 Millionen seien, so die Ministerin, die aber auch anführte, dass Bundesländer Mittel nicht abrufen würden: „Sie müssen auf die Bundesländer zu gehen.“
Schulterschluss für den ländlichen Raum?
Dr. Franz Straubinger, Forstdirektor bei der fürstlichen Verwaltung Hatzfeldt, beklagte eine Erosion bei der Infrastruktur. So seien beispielsweise Bahnhöfe nicht vorhanden, um Holz zu verladen. Und man suche Mitarbeiter. Er griff den urbanen und ländlichen Raum auf und plädierte, dass zum Beispiel Landwirtschaft, Handwerk und Forst gemeinsam klar machen sollten, „dass wir Respekt von der urbanen Bevölkerung“ verlangen, denn man lebe im ländlichen Raum nicht nur zum Spaß. Er forderte einen Schulterschluss „für uns im ländlichen Raum“. Klöckner sprach sich hier für die Gleichwertigkeit der Räume aus: „Der ländliche Raum ist kein Bullerbü“, sagte Klöckner, die herausstellte: „Ich bin die Ministerin für den ländlichen Raum.“ Und mit regionalen Produkten von regionalen Herstellern, die sie bei der Veranstaltung vom CDU-Kreisvorsitzenden Wäschenbach überreicht bekommen hatte, verabschiedete sich Klöckner. Und für einige Christdemokraten ging es auch zügig weiter, denn die letzte Kreistagssitzung vor der Kommunalwahl, die bei der Veranstaltung mit Klöckner so gut wie nicht thematisiert worden war, stand in Altenkirchen an. (tt)
Lokales: Betzdorf & Umgebung
Jetzt Fan der AK-Kurier.de Lokalausgabe Betzdorf-Gebhardshain auf Facebook werden!
Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder): |