Kultur |
Westerwald soll kulturelle Hochburg werden
Im Raiffeisen-Begegnungszentrum in Weyerbusch referierte Professor Dr. Hanns-Josef Ortheil über die Besonderheiten und die Zukunft des Westerwaldes. In seinem Vortrag entwickelte er eine umfassende Vision davon, wie der Westerwald als einzigartiger Naturraum mit seinen historischen und kulturellen Eigenarten positioniert werden kann. Bislang fehle der Region ein einheitliches Profil. Ein umfassendes Kulturangebot soll Künstler und Touristen künftig in den Westerwald locken.
Region/Weyerbusch. Die neueste Ausgabe der "Weyerbuscher Gespräche" brachte eine Fülle an Anregungen und Ideen zur Zukunft des Westerwaldes zu Tage, indem vor allem in kultureller Hinsicht die Stärken und Potentiale der Region beleuchtet wurden. Im Raiffeisen-Begegnungszentrum referierte Professor Dr. Hanns-Josef Ortheil über die Besonderheiten des Westerwaldes und entwarf ein weitreichendes Konzept für die Region, die ihre unverkennbare Landschaft als auch ihre Geschichte und Kultur gezielt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken müsse.
Vom Bankvorstand der Westerwald Bank, Paul-Josef Schmitt, als prominenter "Botschafter des Westerwaldes" begrüßt, gab der promovierte Germanist weitreichende Handlungsempfehlungen, wie man vom Westerwald ein Leitbild schaffen und dieses mit der richtigen Kulturpolitik nach außen vertreten kann. In seinem Vortrag verwies er dazu zunächst auf den Roman "Nils Holgersson" der schwedischen Schriftstellerin Selma Lagerlöf. Sie erzählt von dem Jungen Nils Holgersson, der auf seiner Reise mit den Wildgänsen all die faszinierenden Facetten seiner Heimat Schweden kennenlernt.
Diese Geschichte sei eine ideale Vorlage, wie man einen kulturtheoretischen Blick auf eine Region werfen könne. Sie zeigt laut Ortheil, dass man mithilfe literarischer Werke ein Leitbild von einer Region skizzieren kann. Aus der Höhenperspektive müsse man sich ein Gesamtbild über die Region verschaffen, die markanten Besonderheiten zu einem unverwechselbaren Profilbild zusammentragen, um schließlich durch eine "starke Erzählung" ein Leitbild zu schaffen. Dem Westerwald fehle bislang eine derart prägende Erzählung, "die alle Impulse vereinigt", so Ortheil. Es gebe immer nur einzelne Geschichten über Orte oder Personen, ebenso weise die Region keine einheitliche Mundsprache auf. "Literarische Zeugnisse sind Auslöser gigantischer Reisebewegungen", merkte der Schriftsteller an, sie können neue Touristenscharen anlocken. Dementsprechend müsse man die Landkreise Altenkirchen, Neuwied und Westerwald als eine Region betrachten und ihr ein einheitliches Profil verleihen, forderte der Schriftsteller. In den Mittelpunkt der Kulturarbeit sollen dabei zwei Akteure gerückt werden, die den Westerwald wie keine anderen repräsentieren: Friedrich Wilhelm Raiffeisen und August Sander. Raiffeisen habe das Terrain sozialpolitisch gedeutet und damit erfasst, Sander sei der "bedeutendste Fotograf des 20. Jahrhunderts" und für seine Kunst weltberühmt. Auf sie müsse man die Aktivitäten konzentrieren, die Information in Museen und Gedächtnisstätten mit gastronomischen und musikalischen Angeboten erweitern. Besonders das Wirken von Sander sei bisher zu wenig gewürdigt worden, beklagte er. Ihm müsse man auf lange Sicht ein Museum im Westerwald errichten.
Nach den Vorstellungen von Ortheil soll der Westerwald zu einem attraktiven Treffpunkt für Kulturschaffende und Kulturinteressierte werden. Ziel müsse es sein, moderne Kunst mit dem einzigartigen Naturraum des Westerwaldes zu verbinden. Der Westerwald sei in sich geschlossen, "ein Naturraum eigener Prägung", der für Naturbelassenheit und Zurückgezogenheit stehe, während er in seiner Historie als Durchgangsland die Ballungszentren miteinander verbunden habe. Wichtig sei, dass man die Naturlandschaft wirken lasse und nicht für touristische Zwecke herrichte. So erinnerte Ortheil an den Bildhauer Erwin Wortelkamp, der "Im Tal" seine Skulpturen in der unberührten Landschaft zur Schau stellt. Derweil bieten Wortelkamps "Haus für die Kunst" in Hasselbach, das "Depositum" in Weyerbusch, die Vielzahl an Dorfkirchen oder die Abtei Marienstatt Platz für kulturelle Veranstaltungen, die es zu koordinieren gilt. Ortheil forderte daher die Einrichtung einer zentralen Planungsstelle, die mit den benachbarten Universitäten in Gießen, Siegen oder Köln zusammenzuarbeiten sollen. Denn junge Wissenschaftler könne man in die Entwicklung der Region einbinden. Es gelte, ein kulturelles Netzwerk im Westerwald zu schaffen, das zugleich mit den Nachbarregionen eng verknüpft ist. In den Bereichen Musik, Kunst und Literatur sollen neue Wege gegangen werden. Die Förderung heimischer Künstler, die Ausstellung ausgewählter Kunstobjekte an verschiedenen Standorten ("Kunstatlas Westerwald") oder ein Literaturfestival im Frühjahr, anknüpfend an die "lit.Cologne", nannte der Schriftsteller als weitere Anregungen für die Zukunft. Ein Schritt in die richtige Richtung sei das Kulturwerk in Wissen, auf das er sehr stolz sei. Geht es nach der Vision von Ortheil, müssen in den nächsten Jahren viele solcher Schritte folgen. (Thorben Burbach)
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Professor Dr. Hanns-Josef Ortheil referierte im Raiffeisen-Begegnungszentrum in Weyerbusch über die Besonderheiten und die Zukunft des Westerwaldes. Fotos: Thorben Burbach
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