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Nachricht vom 24.09.2019    

Hochkarätige Sprache, beste Unterhaltung: Heiner Feldhoff las in Altenkirchen

Der ganze Abend war beste Unterhaltung, wie Literaturfreunde sie lieben: leise und anrührend. Rund 100 Gäste kamen zu den Westerwälder Literaturtagen mit Heiner und Martin Feldhoff nach Altenkirchen. „Ich habe noch nie so gerne einer autobiografischen Erzählung zugehört“, bekannte ein Mann, der fast alle Lesungen der Westerwälder Literaturtage besucht.

Heiner Feldhoff (rechts) und sein Bruder Martin waren zu Gast bei den Westerwälder Literaturtagen in Altenkirchen. (Foto: Hans-Josef Born)

Altenkirchen. „Täter und Opfer friedlich vereint.“ So begrüßte Heiner Feldhoff sein Publikum im vollbesetzten Saal des Theodor-Maas-Hauses in ALtenkirchen, das die Veranstalter, die Mitarbeiterinnen der Evangelischen Bücherei, herbstlich bunt hergerichtet hatten. Auf der Bühne wiederum gaben zwei historische Fotografien den nostalgischen Sepia-Ton an bei der Veranstaltung der Westerwälder Literaturtage.

Ausgewählt und geschliffen
So schlimm kann seine „Täterschaft“ als Lehrer nicht gewesen sein, wenn Feldhoff auch zugab, dass er es mit der Sprache sehr genau nahm und gelegentlich die Überschrift „Berichtigung“ durchstrich und durch „Verschlimmerung“ ersetzte. Denn Mitglieder des Kollegiums und ehemalige Schülerinnen und Schüler bestritten einen erheblichen Teil des Publikums und konnten sich an diesem Abend davon überzeugen, dass Heiner Feldhoffs Sprache nicht nur präzise ist. In dem recht unscheinbaren Bucheinband von „Die Sonntage von Duisburg-Beeck“ verbirgt sich ein Schmuckstück: Jugenderinnerungen, sorgsam ausgewählt und geschliffen, und dann in eine hochkarätige Sprache gefasst. „Ich habe noch nie so gerne einer autobiografischen Erzählung zugehört“, bekannte ein Mann, der fast alle Lesungen der Westerwälder Literaturtage besucht.

Die Zeit des Aufbaus
Feldhoff erweckte die Emscherwiesen, die Schrebergärten am Fuß der Schlackenberge, den Kohlenhändler mit seiner Pferdekutsche und die Kinderschar im Sonntagsstaat auf dem Weg zum Gottesdienst zum Leben, in einer Zeit, als der „echte Bohnenkaffee“ noch per Post eintraf und er selber unter die Bücher fiel, mit Mark Twain, Johann Peter Hebel und Johanna Spyri in der geliebten Beecker Stadtbücherei. In der Zeit des schlimmsten Bombenhagels gezeugt und in den ersten Friedenstagen geboren, erlebte er als Jugendlicher die Abwehr der Eltern gegen Fragen zur Nazizeit. Der Blick in die tiefste Dunkelheit der Massenvernichtung, die Verarbeitung schrecklicher Kriegserlebnisse wurde verdeckt durch die Anstrengungen des Wiederaufbaus, durch Steineklopfen und den Gang zum Schrotthändler. Und doch gehörten die Ruinen und die Kriegsversehrten zum alltäglichen Straßenbild.



Bibelstunde und Klickerspiel
Der Wiederaufbau des Bekleidungsgeschäfts Feldhoff geschah unter der Kontrolle des frommen Großvaters, seine Bibelstunde war für die gesamte Familie verbindlich, Fußball und sonstige weltliche Vergnügungen am Sonntag tabu. Heiner Feldhoffs autobiografischer Bericht könnte dramatisch geraten, wäre da nicht der reife, versöhnte und humorvolle Blick auf die Vergangenheit. Die Schilderungen des Klickerspiels auf dem Bürgersteig, des Onkels, der sich beim Sonntagsbesuch über seine Karl-May-Bücher hermachte und nicht zuletzt der ersten erotischen Verheißungen beim „Händchenhalten“ rufen bei seinen Lesern und Zuhörern nicht nur eigene, punktuelle Erinnerungen auf, sondern auch eine ganze Generationen übergreifende Erlebniswelt.

Klavier-Rock begleite den Abend
Heiner Feldhoff ist berühmt für seine „Kürzestgeschichten“, die einen ebensolchen Effekt erzeugen. In seinem neuen Memoir zeigt er, dass dies auch auf 260 Seiten möglich ist. Die eindringlichen Textpassagen, ohne Pathos und dennoch lebendig vorgetragen, konnten umso mehr ihre Wirkung entfalten, als der jüngere Bruder, Martin Feldhoff, allseits bekannte kleine Rockballaden auf dem Klavier spielte. Der ganze Abend war beste Unterhaltung, wie Literaturfreunde sie lieben: leise und anrührend. (PM)


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