Ärztemangel: AK-Land soll zur Gesundheits-Modellregion werden
Immer weniger Hausärzte möchten sich auf dem Land niederlassen. Dieses Phänomen wird in vielen ländlichen Regionen beobachtet. Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft des Dreiländerecks haben diese länderübergreifende Problematik aufgegriffen und möchten gemeinsam digitale Lösungen im medizinischen Umfeld als „Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck“ erproben und evaluieren.
Kreis Altenkirchen. Während einer Konferenz im Forschungskolleg der Universität Siegen stimmten alle Anwesenden für das Vorhaben „Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck“. Jetzt soll ein Antrag über mehrere Millionen Euro beim Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Umsetzung des Konzeptes gestellt werden. Die Empfehlung dazu kommt vom Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn.
„Lösungsfindung, Innovationen und Ideenaustausch dürfen nicht an Ländergrenzen gebunden sein, denn der drohende Ärztemangel ist ein Problem, das alle ländlichen Regionen in Deutschland betrifft“, erklärte Landrat Dr. med. Peter Enders aus Altenkirchen in seinem Statement zu Beginn der Konferenz. Nach dem Impuls aus Rheinland-Pfalz hörte man ähnliche Worte von Landrat Wolfgang Schuster aus dem Lahn-Dill-Kreis: „Wenn wir uns zusammenschließen, haben wir größere Chancen, dass unsere Projekte gefördert werden. Und da machen wir in Hessen natürlich mit, denn wir stehen ebenfalls vor der Herausforderung: ‚Viel Land, wenig Leute‘. Viele Ärzte stehen kurz vor dem Ruhestand – und darauf müssen wir reagieren.“ Arno Wied, Dezernent für Bauen, Umwelt und Wirtschaft vom Landkreis Siegen-Wittgenstein in Nordrhein-Westfalen schloss sich seinen Vorrednern an: „Es ist richtig, dass wir uns angesichts der Gefährdung der ärztlichen Versorgung gemeinsam und die Ländergrenzen übergreifend auf den Weg machen und überlegen, was wir gemeinsam tun können. Die Initiative Dreiländereck, die eine Art Versorgungsallianz ist, ist ein wichtiger und richtiger Beitrag.“
Versorgungsengpässe digital auffangen
Das Datenmodell „Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck“ wurde vom Forschungskolleg und der Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Universität Siegen konzipiert. Durch den Einsatz von digitalen Assistenzsystemen und der Anwendung von Delegationsverfahren können Versorgungsengpässe aufgefangen werden. Sektorenübergreifend werden Haus- und Fachärzte, Kliniken, Pflege- und Seniorenheime sowie Apotheken digital vernetzt. Mediziner wenden das Modell bereits in ersten Entwicklungsprojekten an. Insgesamt gehören zehn wissenschaftliche Projekte zum Vorhaben im Dreiländereck. Einige wurden bereits realisiert, andere werden noch als Forschungs- und Entwicklungsprojekte diskutiert.
Die Forschung zum Datenmodell erfolgt auf Grundlagen interdisziplinärer Wissenschaft der Universität Siegen. Dazu gehört beispielsweise das von Herrn Prof. Dr. Holger Schönherr (Department für Physikalische Chemie I) entwickelte intelligente sensorische Wundpflaster. Die Daten, welche das Pflaster liefert, können digital in eine entsprechend ausgerüstete Praxis versendet und medizinisch ausgewertet werden. Mediziner können so aufgrund präziser Daten darüber entscheiden, ob ein Patient tatsächlich vorstellig werden muss.
Firmen und Stiftungen miteinbeziehen
Für die Finanzierung der gesamten „Digitalen Modellregion Gesundheit Dreiländereck“ hat der Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, im Mai bei seinem Besuch im Forschungskolleg, den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) empfohlen. Jutta Bartmann von der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland bestätigte während der Konferenz, dass der Innovationsfonds für mutige Inhalte bereitsteht. „Ein Finanzplan mit acht bis zehn Millionen Antragssumme ist nicht ungewöhnlich. Die Themen Digitalisierung und Delegation sind hochaktuell“, sagt sie und möchte das Vorhaben von Seiten der Krankenkassen unterstützen und begleiten. Möglicherweise muss die Universität auch eigene Mittel für das Vorhaben bereitstellen. Das ist dem Geschäftsführer des Forschungskollegs, Dr. Olaf Gaus, bewusst: „Damit wir nachhaltig in der Fläche tätig sein können, werden wir weitere Finanzierungsmöglichkeiten nicht ausschließen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat beispielsweise aktuell das Zukunftscluster ausgeschrieben und auch die REGIONALE2025 kann das Projekt durch das Handlungsfeld Gesellschaft im Sektor ‚Gesundheit! Südwestfalen‘ unterstützen.“ Klaus Gräbener, der als Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen die regionale Wirtschaft vertrat, sah im Gesamtkonzept das Potential innovativer Geschäftsmodelle und Forschungsausgründungen. Er merkte an, dass es in allen drei Bundesländern große Firmen und Stiftungen gibt, die frühzeitig einbezogen werden sollten.
Bis Mitte November wollen alle Partner die erforderlichen Beschlüsse einholen, Absichtserklärungen zur Unterstützung der „Digitalen Modellregion Gesundheit Dreiländereck“ unterzeichnen und weitere wichtige Akteure informieren und einbeziehen. Zeitnah sollen durch die beteiligten Landkreise der drei Länder die Gesundheitsminister aus Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen für eine aktive Unterstützung des Vorhabens „Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck“ gewonnen werden. (PM)