Rewe in Altenkirchen schließt: Mitarbeiter und Leitung schweigen
Eine kaum überwindbare Mauer des Schweigens ziehen die Mitarbeiter des Rewe-Centers Altenkirchen um sich herum, wenn sie auf die angekündigte Schließung zum 30. April 2020 angesprochen werden. Selbst die Marktleiterin des Rewe Centers bildet hier keine Ausnahme.
Altenkirchen. Es liegt auf der Hand, dass die Stimmung unter den 68 Mitarbeitern des Rewe-Centers in Altenkirchen aufgrund der angekündigten Schließung zum 30. April 2020 schlecht ist. Niemand ist bereit, sich zu dem Fakt zu äußern, welcher der Belegschaft am Mittwochmorgen (16. Oktober) in einer Zusammenkunft dargelegt wurde. "Ich möchte nichts sagen, ich komme in Teufels Küche, bitte haben Sie Verständnis", sagte eine Angestellte, die eingeschüchtert wirkte. Auch Marktleiterin Nina-Andrea Jesse ist nicht zu Gesprächen bereit. Sie bezeichnete die Stimmung als "nicht gerade prickelnd" und bemerkte, dass "nicht alle auf der Straße stehen werden". Mehr war ihr nicht zu entlocken, obwohl sie nach eigenen Angaben keinen "Maulkorb" verpasst bekommen hatte. Dann bat sie um Verständnis, das Telefonat nun "höflich zu beenden", und beharrte schließlich mehrfach darauf, noch nicht einmal ihren Vornamen nennen zu wollen.
Die Einzelgespräche beginnen
Thomas Bonrath als Sprecher der Rewe-Group wurde gegenüber dem AK-Kurier ein wenig deutlicher: "Alle Marktmitarbeiter der Rewe-Filialen unterliegen dem Tarifvertrag und werden durch einen Betriebsrat vertreten. Nach der Informationsveranstaltung beginnen nun die Einzelgespräche mit den betroffenen Mitarbeitern über Abfindungen oder mögliche Beschäftigungsoptionen an anderen Orten. Die Marktmitarbeiter in Altenkirchen werden bis Ende Mai 2020 weiterbeschäftigt, sofern sie ihr Beschäftigungsverhältnis nicht aufgrund anderer Optionen vorzeitig beenden." Nicht beantwortet wurde die Frage, ob den Mitarbeitern nahe gelegt worden war, besser zu schweigen, denn Interna kund zu tun.
"Das Warenhaus mit dem Großstadtangebot"
Für Hans-Rüdiger Schneider kam die Entwicklung, die in der Schließung endet, nicht überraschend. "Ein Haus dieser Größenordnung lässt sich heute nicht mehr betreiben", sagte er und sprach es in dem Wissen aus, den Vollsortimenter rund drei Jahrzehnte lang geleitet zu haben. Dieser Grundsatz gelte nicht nur für Rewe, sondern für alle anderen im Markt vorhandenen Marken. "Wir haben damals geworben mit dem Slogan ,Das Warenhaus mit dem Großstadtangebot'", erinnerte sich der 69-Jährige, der im Jahr 2012 die Führung in jüngere Hände gelegt hatte. Heute werde erwartet, dass Lebensmittel praktisch "verschenkt" werden. Schneider sieht bessere Chancen für kleinere Einheiten, sich am Markt zu behaupten. Er nannte eine Verkaufsfläche von 1000 bis 1500 Quadratmeter und eine Lage an exponierten Standorten als wichtige Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Erfolg.
Treffen der Jumbo-Pensionäre
Inzwischen ist Schneider "ziemlich weit weg" von seiner ehemaligen beruflichen Heimstatt. "Der Abstand ist vorhanden", meinte er und freute sich gleichfalls auf ein Treffen in der kommenden Woche mit ehemaligen Mitarbeitern des "Jumbo" (so hieß der Markt ganz zu Beginn/im Telefonbuch stand er als Interkaufpark) in Köln. Es werde eine interessante Runde. Zur Sprache kommen könnte nochmals der Fakt, dass "der Jumbo in Altenkirchen zu dieser Zeit das beste Haus in der Gruppe war". Was damals an erster Stelle stand, interessiere heute nicht mehr, fügte er an und nannte explizit die "Kundennähe und die Kundenzufriedenheit". Dafür werde nur noch der Blick aufs Laptop und damit auf irgendwelche Zahlen geworfen. Noch gut im Gedächtnis ist Schneider der Auftrag "von oben", nach der Jumbo-Eröffnung beim lokalen Werbering vorsprechen zu müssen. "Ich bin in die Höhle des Löwen gegangen und musste lieb Kind machen, um den örtlichen Einzelhandel zu beruhigen", schmunzelt er heute noch. Aus dieser Stippvisite entwickelte sich nach und nach eine phänomenale Beziehung. Für über ein Vierteljahrhundert agierte Schneider im Anschluss als Vorsitzender des Aktionskreises Altenkirchen. Schließlich zog er dieses Fazit: "Es waren schöne und auch harte Zeiten".
"Herber Rückschlag für die Stadt"
Als "herben Rückschlag für die Stadt" stufte Matthias Gibhardt den K.O. ein. "Damit ist die gesamte fußläufige Nahversorgung für ältere und nicht so mobile Menschen nördlich des Bahnübergangs in der Wilhelmstraße weggebrochen", bilanzierte der Stadtbürgermeister, der zudem Probleme für die Einzelhändler in der Innenstadt erwartet: "Das Rewe-Center ist ein Frequenzbringer für die Fußgängerzone. Die Ladenbetreiber werden es sicherlich zu spüren bekommen." Da Rewe noch einen längerfristigen Mietvertrag (Anmerkung der Redaktion: bis zum Ende des Jahres 2022) besitze, liege die Entwicklung der leer stehenden Immobile "gar nicht in unserer Hand". Jetzt gelte es, Perspektiven für die Mitarbeitenden zu suchen. Es müsse sich etwas formieren, wie die Mitarbeitenden unterstützt werden können.
Enders fühlt mit den Betroffenen
In einer Stellungnahme bedauerte Landrat Dr. Peter Enders das Aus. „Das ist ein massiver Einschnitt für die Innenstadt von Altenkirchen und die Menschen, die ortsnah einkaufen möchten. Das gilt auch für die Beschäftigten, die ihre Arbeit verlieren. Das ist für jeden einzelnen ein herber Verlust, und ich fühle mit den Betroffenen. Als Landrat möchte ich dort helfen, wo ich helfen kann. Ich habe unsere Wirtschaftsförderung gebeten, Kontakt zu den einzelnen Akteuren aufzunehmen, um möglichst praktikable Lösungen zu finden.“ (hak)
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