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Nachricht vom 16.01.2020    

Bürgermeister Gibhardt: „In Altenkirchen bewegt sich etwas“

Von der Dauer der Amtszeit seines Vorgängers ist er noch Lichtjahre entfernt: War Heijo Höfer beinahe 27,5 Jahre Stadtbürgermeister in Altenkirchen, ist Nachfolger Matthias Gibhardt gerade einmal sechs Monate "an der Macht". Angekommen in der neuen Position sei er allemal, betont er, "aber ich brauche doch mehr als dieses halbe Jahr für die Einarbeitung."

Matthias Gibhardt ist seit einem halben Jahr Stadtbürgermeister von Altenkirchen. (Foto: hak)

Altenkirchen. Weiß getünchte Wände, großflächige und ohne Gardinen ausstaffierte Fenster, die einen Blick auf einen Teil der Kreisstadt freigeben, ein Arbeitsplatz, ein ovaler Tisch mit ein paar Stühlen für Besprechungen in kleinem Kreis, ein wenig pflanzliches Grün, ein Drucker, der in einer Ecke des Raums sein Dasein fristet, ein mittelgroßer Aktenschrank: Matthias Gibhardt, Altenkirchens Stadtbürgermeister und seit einem halben Jahr im Amt, hat sein neues Büro im ehemaligen Restaurantbereich der Stadthalle mit Beschlag belegt. "Angekommen bin ich auf jeden Fall, aber um einen wirklichen Überblick über Menschen, Akteure und Themen zu erhalten, brauche ich mehr als dieses halbe Jahr an Einarbeitungszeit. Es bleibt also spannend und herausfordernd", sagt Gibhardt, der die Kommunalpolitik nunmehr von einer anderen Warte begleitet. Bis zu seinem Stichwahlsieg über Ralf Lindenpütz (CDU) im Juni des vergangenen Jahres gehörte der SPD-Mann dem Stadtrat an. Der neue Job auf ehrenamtlicher Basis bereite ihm Freude, "er gefällt mir gut, ich finde es große Klasse, dass sich in Altenkirchen etwas bewegt".

Kompa-Leitung abgegeben
Gibhardt, bis zum 31. Dezember 2019 Leiter des evangelischen Kinder- und Jugendzentrums Kompa in der Fußgängerzone, weiß, dass seine Familie die neue Tätigkeit akzeptiert hat, und ist froh, dass die Doppelbelastung Geschichte ist. "Diese Monate waren belastend, wir konnten alle zum Glück zu Weihnachten zur Ruhe kommen", blickt er zurück. Während Gibhardt die Zeit, die er in die reine Verwaltungsarbeit investiert, als "wie erwartet" beschreibt, sei die, die er für repräsentative Termine benötigt, doch mehr als angenommen. Das hat einen einfachen Grund. "Ich möchte gerne so oft wie möglich präsent sein", formuliert der 41-Jährige, "liebe die Kommunikation und möchte selbst Themen anstoßen." Einfacher könne er es sich machen, wenn er Dinge geradewegs an die Verwaltung delegiere: "Aber das ist nicht mein Stil."

Gemeinsamen Stil finden
Das erste Zehntel der fünfjährigen Regentschaft mit diversen Sitzungen bezeichnet Gibhardt in der Beziehung zum Rat und zu Ausschüssen als "Findungsphase, in der es gilt, einen gemeinsamen Stil zu kreieren." Er könne noch nicht alles einschätzen. Ein Indiz, dass die Ära des Beschnupperns und des gegenseitigen Auslotens, wie eng oder weit Grenzen gesteckt sind, noch nicht zu den Akten gelegt ist, schließt er aus der Tatsache, dass die Zusammenkünfte aktuell noch sehr lange andauern. Drei bis vier Stunden seien keine Seltenheit, eine anstrengende Diskussionskultur koste Kraft und Zeit. Das Neue brauche seinen Raum, "da will ich nicht dominieren". Mit seinem Vorgänger Heijo Höfer (SPD), der noch einen Sitz im Stadtrat hat, habe er im Vorfeld seiner Kandidatur gesprochen, "ich sehe in ihm einen guten Ansprechpartner, wenn es um Themen geht, die unter ihm akut waren".

Einzelhandel in Bewegung
Hatte sich Gibhardt gewiss ein ruhiges Zurechtfinden in der neuen Position gewünscht, wurde er durch die Ankündigung, dass das Rewe-Center im Weyerdamm Ende April schließt, schnell eines Besseren belehrt. "Es darf auf keinen Fall eine Brache entstehen, die die Stadt über Jahre lähmt", analysiert er, "die Nahversorgung für die Innenstadt bricht komplett weg." Inzwischen zeichnet sich ein Silberstreif am Horizont ab. "Der Besitzer der Immobilie, die Widerkehr-Unternehmensgruppe, und deren Mieter Rewe wollen den Standort nicht fallen lassen, sondern sogar weiterentwickeln. Die Gespräche, die ich führe, stimmen mich vorsichtig optimistisch", erklärt er und geht noch weiter: "Der Einzelhandel in Altenkirchen ist komplett in Bewegung. Alle versuchen, sich neu aufzustellen, der Einzelhandel will in Altenkirchen investieren." Dennoch fährt Gibhardt zweigleisig. Im ehemaligen Nahkauf-Ladenlokal in der Frankfurter Straße kann er sich ein kleines Lebensmittelgeschäft auf Genossenschaftsbasis vorstellen, das in erster Linie regionale Produkte von Direktvermarktern anbietet. Das restliche Sortiment könne zugekauft werden.



Stadt ist zukunftsfähig
Bei weitem nicht so schlecht, wie sie vielfach dargestellt wird, ist nach Gibhardts Auffassung die Situation überhaupt in Altenkirchen. "Aktuell sind wir wahrscheinlich an keinem guten Punkt", bilanziert er ob einiger negativer Nachrichten, "die Stadt aber ist in Bewegung, viele Anzeichen deuten daraufhin, dass sie zukunftsfähig ist." Dazu zählt er die verschiedenen Wohnungsbauprojekte, die Ansiedelung neuer Betriebe im Gewerbegebiet, die geplante Aufnahme in ein Städtebauförderprogramm, aus dem heraus auch die Schaffung einer Stelle für einen City-Manager gelingen kann. Unter anderem könne dieser sich um die Verringerung der Zahl der Leerstände in der Innenstadt kümmern. "Diese Flächen müssen in erster Linie für den Einzelhandel zur Verfügung stehen", alles andere dürfe erst als zweite oder dritte Lösung zum Tragen kommen. "Es ist wirklich kein Grund für Schwarzmalerei gegeben."

Mehr Gründergeist vonnöten
Darüber hinaus stehen die intensivere Nutzung der Stadthalle, das Überdenken der Parkraumbewirtschaftung oder die Nutzung des leer stehenden Erdgeschosses des Postgebäudes auf Gibhardts Agenda, mit der er auch Grundsätzliches definiert: "Wir sind in Altenkirchen zeitlich im Verzug. Wir sollten in den nächsten 10 Jahren 25 Jahre weiterkommen, weil der ländliche Raum hinten dran hängt. Wir müssen die Akteure sein und nicht nur reagieren. Wir müssen die Sachen selbst in die Hand nehmen, die für die Zukunft wichtig sind." Das sind in Gibhardts Augen beispielsweise die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung, die Erarbeitung eines Mobilitätskonzeptes oder die Schaffung weiterer Radwege - kurzum: "Wir brauchen mehr Gründergeist und Aufbruchsstimmung, um uns auf neue Dinge einzulassen."

Ein wenig Heimweh
Ein wenig Heimweh plagt Gibhardt aber dennoch. Nicht nach Berlin, "denn ich bin ja nach Altenkirchen zurückgekehrt, um meine Kinder hier in Ruhe erziehen zu können", sondern Richtung Kompa, in dem er sechseinhalb Jahre arbeitete. "Ich vermisse meine Kollegen und die Kontakte zu den Jugendlichen schon jetzt", verschlägt es ihn für wenige Sekunden in die Vergangenheit, um gleich wieder ins Hier und Jetzt zurückzukehren: "Ich konzentriere mich auf ein Tätigkeitsfeld, sonst stellt sich schnell Überforderung ein." Er werde ohne Jugendzentrum auskommen, "Altenkirchen aber ist ohne Jugendzentrum nicht denkbar, denn wir brauchen es dringend. Nur so können wir Jugendliche erreichen, die auf keinem anderen Weg erreicht werden können. Das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können." (hak)


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