Die Digitale Verwaltung – Wunsch oder Wirklichkeit?
Beim letzten Digital Stammtisch Westerwald-Sieg in der Germania in Wissen ging es um die Digitale Verwaltung. Ist sie bloß Wunsch oder bereits Wirklichkeit? Aus diesem Anlass war Tim Kraft, Leiter des Bauamts und der Wirtschaftsförderung der VG Kirchen zu Gast. Er berichtete über erfolgreich umgesetzte bzw. laufende Projekte zur Digitalisierung, aber auch von den bürokratischen Hürden.
Wissen. Digitalisierung und Verwaltung, passt das zusammen? Für die Teilnehmer des Digital Stammtischs Westerwald-Sieg am Dienstag, den 10. März stand fest: Es passt sogar wunderbar zusammen. Durch digitale Technologie werden Verwaltungsabläufe schneller und Verfahren transparenter. Das nutzt dem Bürger direkt in Form von elektronischen Bürgerdiensten. Ein Beispiel: KFZ-Zulassung und Ummeldung sind auch von zu Hause möglich, ganz ohne Wartezeiten und Fahrt zur Behörde. Aber auch die vielen Verwaltungsvorgänge in den verschiedenen Behörden und Ämtern können deutlich effektiver und effizienter durchgeführt werden - soweit die Theorie.
Aus der Praxis berichtete Tim Kraft, Leiter des Bauamts und der Wirtschaftsförderung der VG Kirchen. In der VG befinden sich bereits mehrere digitale Systeme erfolgreich in der Umsetzung. So wird derzeit ein XRM/CRM System eingeführt, um von einer aktenbasierten Arbeitsweise auf eine projektbasierte, digitale Arbeitsweise umzustellen. Weiterhin werden die Straßenzustände digital erfasst und Planungen und Vermessungen können ohne vor Ort Termine stattfinden. Darüber hinaus werden alle Gebäude der Gemeinden derzeit in einem Projekt mit Werkstudenten der Universität Siegen digital aufgenommen, so Kraft. Er machte aber zugleich deutlich, dass die digitale Technologie nur ein Teil dieses Erfolges ausmacht: Auch interne Maßnahmen zur Verbesserung der Abläufe und eine Reorganisation der Zuständigkeiten waren im Vorfeld sehr wichtig.
Berno Neuhoff, Stadtbürgermeister von Wissen, fügte hinzu, dass man bei der Änderung von Abläufen und der Einführung neuer Prozesse die Menschen in den Vordergrund stellen müsse. Digitalisierungsmaßnahmen von diesem Ausmaß können nur erfolgreich sein, wenn sie von den Mitarbeitern mitgetragen werden. Kraft stimmte Neuhoff zu und berichtete, dass er bei Übernahme seines Amtes in Kirchen auf engagierte und motivierte Mitarbeiter getroffen ist, die ihn bei seinen verschiedenen Digitalisierungsprojekten unterstützt haben.
Trotz vieler umgesetzter Projekte wurde aber auch klar, wo es bei der Einführung von digitalen Verbesserungen in der Verwaltung hakt. Sie müssen oft durch die einzelnen Räte bewilligt werden, da die VG im Grunde ein Dienstleister für die einzelnen Gemeinden ist. „Wenn eine Gemeinde nicht mitmachen will, dann haben wir ein Problem.“, erklärte Kraft. Neuhoff ergänzte dazu: „Das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung in Verbindung mit dem Föderalismus führe zu vielen Abstimmungen und langen Vorgängen. Man kann nur weniges einfach ‚von Oben‘, z.B. aus Berlin, vorgeben. Dies ist auf lokaler Ebene nicht zu ändern. Man könne nur versuchen, das Beste daraus zu machen.“
Markus Bläser, Mitbegründer des Stammtischs, ergänzte, dass dies wohl einer der markantesten Unterschiede zur freien Wirtschaft sei. Dort könne der Chef (top-down) eindeutige Anweisungen bis nach ganz unten durchsetzen und zum Beispiel per Arbeitsanweisung digitale Technologie verordnen.
Teilnehmer des Stammtischs, Joschua Krombach, berichtete von einer ganz anderen öffentlichen Digital-Baustelle: den Schulen. Aktuell digitalisiert er eine Grundschule in Hamm. Dort werden nicht nur digitale Schultafeln aufgestellt, sondern auch systematisch digitale Hilfsmittel in der Lehre eingesetzt. Eine eigene Video- und Dokumentenplattform ermöglicht das zeit- und ortsunabhängige lehren und lernen.
Marc Nilius, ebenfalls Mitbegründer des Stammtischs, brachte das Thema „Open Data“ in die Runde. Bei Open Data geht es darum, dass die Verwaltung gesammelte Daten grundsätzlich den Bürgern zur Verfügung stellt. Dadurch werden eigene Analysen und Anwendungen von Bürgerseite aus einfacher. Der Grundgedanke dahinter ist, dass von der Verwaltung oder öffentlichen Behörde allgemein erfasste Daten auch allen Bürgern zugänglich sein sollten. Als Beispiel wurden Unfallstatistiken genannt. Die dazu existierenden Daten werden meist nur in Form einer jährlichen Pressemitteilung zusammengefasst. Eine individuelle Datenanalyse des Einzelnen (in welcher Straße finden, in welchem Zeitraum, wie viele Unfälle statt) ist nicht möglich. Dabei geht es ganz im Sinne der Digitalisierung, darum, dass die Behörden diese Daten als Schnittstelle zur Auswertung zur Verfügung stellen und nicht darum, dass die Behörde oder Verwaltung selbst Anwendungen zur einfachen Einsicht der Daten bereitstellt.
Größtmögliche Transparenz bietet viele Chancen, jedoch auch Herausforderungen. Eine allgemein zugängliche Datenbasis kann auch zu mehr Individualanfragen von Bürgern zu einzelnen Themen nach eigener Datenrecherche führen. Für die Bearbeitung dieser Anfragen muss in der Verwaltung auch entsprechend Personal zur Verfügung stehen.
Fazit des Abends: Bei der Digitalisierung der Verwaltung sind noch so manche, dicke Bretter zu bohren, aber es lohnt sich.
Der nächste Stammtisch am Dienstag, 12. Mai (2020), widmet sich dem Thema „IT-Sicherheit in Zeiten von Emotet und Webseiten-Hacks“. Eingeladen sind Digitalexperten, Unternehmer und Entscheidungsträger aus der Region Westerwald – Sieg sowie interessierte Gäste. Ort ist, wie immer, das Restaurant Germania in Wissen. Beginn ist um 18.30 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, einfach Vorbeikommen ist das Motto. (PM)
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