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Nachricht vom 27.03.2020    

Klara trotzt Corona, zweiter Teil

Die Limburger Pfarrhausermittler lassen sich nicht unterkriegen. Mit täglich neuen Episoden um die schrullige Haushälterin Klara Schrupp und ihren gutmütigen Chef Pfarrer van Kerkhof möchten die Autoren der Limburg-Krimis damit allen Leserinnen und Lesern etwas Trost, Unterhaltung und hin und wieder vielleicht sogar ein Lächeln schenken, wenn Sie sehen, wie Klara und van Kerkhof ihren Alltag bewältigen.

Symbolfoto Helmi Tischler-Venter

Kölbingen. Episode Zwei von Donnerstag, 26. März
Pfarrer van Kerkhof saß in seinem Büro und sah die Post durch. So viele Absagen für geplante kirchliche Treffen und Veranstaltungen – es war einfach nur traurig. „Und doch so wichtig“, sagte er und rieb sich das Gesicht.

Die Post hatte er heute selbst aus dem Briefkasten geholt, wozu er bis vor Kurzem so gut wie nie die Gelegenheit gehabt hatte, weil ihm seine Haushälterin immer zuvorgekommen war. Noch bevor er einen Blick darauf hatte werfen können, hatte Klara sich jedes Mal ein Bild von Absendern und äußerlichen Details gemacht. Doch seit ein paar Tagen schien sie sich nicht mehr dafür zu interessieren.

Seit gewiss zwei Stunden hatte sie sich nicht im Untergeschoss blicken lassen. Nur ihre Schritte und ein intervallartiges Knattern drangen von oben zu ihm herunter. „Klara, was machen Sie denn? Brauchen Sie vielleicht meine Hilfe?“, rief er nun durchs Treppenhaus. Ob sie ihr Zimmer umräumte? Sie würde doch hoffentlich nicht vergessen, gleich das Mittagessen zuzubereiten? Seinen Termin, vielmehr seine ganz besondere Verabredung in einer Stunde wollte er doch gerne einhalten...

„Lassen Sie mich doch mal ein bisschen in Ruhe! Ich mache halt mal, was ich will!“, erhielt er zur Antwort. Umgehend setzten sich die unbekannten Geräusche über ihm fort. Sie würde sich schon wieder zeigen, dachte van Kerkhof und begab sich wieder in sein Büro. Und dann hörte er sie auf der Holztreppe, ihr Abstieg klang recht energisch. Na also, dachte er schmunzelnd. Ihm war es in diesen Tagen fast langweilig ohne seine fürsorgliche und neugierige Haushälterin.

„Ah, da sind Sie ja. Was essen wir denn heute?“, fragte der Pfarrer geradeheraus. „Kartoffelsalat. Der steht schon in der Speisekammer. Ich brauche nur noch die Fleischwurst warmzumachen. - Wenn Sie das gewusst hätten, was?“, fragte Klara mit jenem vertrauten Schalk in der Stimme, der meist dann mitschwang, wenn es um seine Naschsucht ging. „Dann sollten wir uns schon bald an den Tisch setzen, Klara, Sie wissen ja, wohin ich um halb zwei fahren will.“

„Wie? Was? Sie wollen aus dem Haus?!“ „Aber meine liebe Klara, Sie kennen meinen Terminkalender doch besser als ich selbst. Herr Häusel ist doch gestorben.“ „Ach, stimmt, ja. - Dass ich daran nicht mehr gedacht habe ...“ Klara wirkte seltsam zerstreut. Dass sie kein Interesse mehr an seinen beruflichen Aufgaben hatte, war schon sehr ungewöhnlich. Aber dass sie über wenige Tage hin das älteste seiner Gemeindemitglieder aus dem Sinn verlor, konnte nur daran liegen, dass diese außergewöhnliche Krisenzeit die gute Klara in mancherlei Hinsicht überforderte. „Der gute Herr Häusel“, sagte sie leise, „er durfte sechsundneunzig Jahre werden und ganz ruhig einschlafen. Was für ein gesegnetes Alter. - Ob wir beide auch so alt werden?“

Van Kerkhof hob die Schultern. „Das liegt allein in Gottes Hand, Klara, und darüber sollten wir uns jetzt gar keine Gedanken machen. Ich freue mich nun erst einmal auf Ihren Kartoffelsalat.“ Doch diese aufmunternden Worte schienen Klara nicht erreicht zu haben. „Aber bei den letzten Verstorbenen haben Sie doch auch alles übers Telefon besprochen“, stieß sie spürbar verzweifelt aus.



„Das ist richtig, Klara. Aber Sie wissen, dass Herr Häusel ein ganz besonderer Mensch für mich war. Bis vor ein paar Monaten hat er sich im Rollstuhl zu meinen Gottesdiensten bringen lassen, obwohl er schwach und schwerhörig war.“ Van Kerkhof wischte sich verstohlen über die Augen. „Es war mir schon schlimm genug, dass ich keine häusliche Verabschiedung vornehmen konnte. Doch diese wenigen Minuten der gemeinsamen Erinnerung in seinem Zuhause brauchen nicht nur seine Angehörigen, sondern auch ich. Wir werden uns nicht einmal die Hände reichen. Man will mir angeblich ein Andenken geben, das er wohl schon lange für mich hinterlegt hat. Ich nehme an, es handelt sich um das Foto, das an seinem neunzigsten Geburtstag von ihm und mir gemacht wurde.“

Auch Klara liefen jetzt ein paar Tränen über die Wangen. Doch sie riss sich zusammen und bemühte sich um eine feste Stimme. „Wissen sie, Herr Pfarrer, wir müssen aber schon auf uns achtgeben. - Ich meine, gerade jetzt … Schauen Sie, das hier habe ich für uns gemacht.“ Ihre Hand fuhr in die Tasche ihrer Kittelschürze und holte ein buntes Bündel hervor.

„Was ist das denn?“ „Das sind schon mal vier Mundschutze, die habe ich gerade oben genäht. Gucken Sie, so richtig mit Querfalten. Sie können sich zwei aussuchen. Gerade, wo Sie doch gleich so eng mit anderen Menschen zusammensitzen. Wie gut, dass ich die zufällig heute fertig habe. Welche wollen Sie denn haben?“

„Sie meinen, die rotgrün karierten oder die rotblau karierten?“ Der Pfarrer war zutiefst gerührt, als er die Stoffteile mit dem angenähten Durchziehgummi betrachtete, die seine Klara aus alten Küchentüchern angefertigt hatte und die ihre zitternden Hände ihm nun entgegenstreckten.

„Für heute werde ich keinen Schutz brauchen, meine Liebe, wir werden auf der Terrasse sitzen, weit genug auseinander. Es ist schön warm draußen und die Kinder des Verstorbenen gehören ja auch schon zur Risikogruppe und wollen sich nicht infizieren.“ „Dann ist es ja gut“, sagte Klara sichtbar erleichtert. Doch gleich darauf begann sie zu jammern: „Wie schlimm das alles ist. Kein Sterbeamt mehr, nur noch ein paar Menschen auf den Beerdigungen ...“

Der Pfarrer schaute liebevoll auf seine Haushälterin herab. „Wir wissen aber doch, meine Liebe, dass es heißt: 'Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind ...“ „... da bin ich mitten unter ihnen“, nickte Klara. „Matthäus 18, Vers 20...“ Und augenblicklich erhellte sich ihre Miene. „Dann grüßen Sie nachher alle Häusels herzlich von mir. Und jetzt mache ich uns die Wurst warm.“

Van Kerkhof atmete durch und hoffte im Stillen, dass seine Haushälterin ihn auch künftig mit diesem farbenfrohen Mundschutz verschonen würde. (Kloft/Fuckert)

Homepage der Autoren: www.christoph-kloft.de.



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