Vorfahren aus Kirchen: So erlebt Ursula Boehme-Liu Corona in Taiwan
Ursula Boehme-Liu lebt seit über 50 Jahren in Taiwan, einer Insel vor dem Festland China. Das Land ist unabhängig, wenn sich auch China damit nicht einverstanden erklärt. Ihre Großeltern hatten ein Haus in Freusburg unterhalb der Burg (im Volksmund Säuwasen genannt), das Paul Böhme, der Vater von Ursula Boehme-Liu übernahm und seiner Tochter vermachte.
Kirchen. Die lebte zwar nicht dort, verbrachte immer wieder gerne ihre Ferien bei den Geschwistern des Vaters, Emma und dem Freusburger Schuster Alfons, der als Original vielen der Älteren noch in Erinnerung ist. Der Liebe wegen ging sie mit ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann Yen und der kleinen Tochter Stefanie nach Taiwan. Das Ehepaar bekam noch zwei Kinder. Ursel Liu-Böhme kann sich heute eine Rückkehr nach Deutschland nicht mehr vorstellen. Sie ist stolz auf ihre jetzige Heimat und darauf, wie die mit der Corona-Krise umgeht.
Mitte März beschrieb sie die jetzige Situation in einer Mail an ihre Cousine, mit der sie in regelmäßigem schriftlichen Kontakt steht: "Als sich die ersten Anzeichen der Coronavirus-Infektionen in Wuhan zeigten, erinnerten sich die Menschen in Taiwan an eine ähnliche Infektionsreihe, die uns damals relativ unvorbereitet traf. Dieses Mal wurden schon sehr früh Flüge aus den betroffenen Gebieten gestoppt. Auch wenn damals noch keine Krankheitsfälle hier aufgetreten waren. Die Feiern zum chinesischen Neujahr fielen dieses Jahr auf die Tage Ende Januar. Zu dieser Zeit haben alle Schulen und Universitäten Winterferien. Als nun die die ersten Krankheitsfälle auftraten, wurden kurzerhand die Ferien um zwei Wochen verlängert. Gesichtsmasken wurden rationiert, um unrechtmäßiges Horten zu vermeiden. Auch jetzt noch bekommt jeder, der eine 'Krankenversicherungskarte' vorweisen kann, fünf Masken pro Woche. Eine solche Karte hat jeder, auch die Ausländer. Ich unterrichte deutsche Sprache an einer Universität. Als der Unterricht wieder anfing, wurden in der Universität überall Stellen eingerichtet, an denen die Körpertemperatur gemessen wird, ehe man ein Gebäude betritt. Wenn man kein Fieber hat, bekommt man einen kleinen Aufkleber, jeden Tag in einer anderen Farbe, den man auf der Kleidung trägt.
Inzwischen liegt die Anzahl der Krankheitsfälle immer noch unter 60 bei einer Einwohnerzahl von ca. 23.5 Millionen. (Stand heute 28.03.2020: 267 Infizierte, zwei Tote)
Die neuen Fälle sind Leute, die aus dem Ausland nach Taiwan zurückkommen. Das öffentliche Leben läuft in relativ normalen Gleisen. Die Anzahl der Leute, die wirklich in der Öffentlichkeit eine Maske tragen, hat sich etwas erhöht. Die Gefahr ist noch nicht vorbei, wir sind also noch nicht aus dem Schneider."
Im Anhang mailt Boehme-Liu einen Bericht des Autors William Yang aus Taipeh, der in seinem Artikel beschreibt, dass Taiwan durch seine Nähe zur Volksrepublik China eigentlich als Hochrisikogebiet für das Coronavirus galt. Doch die Regierung war gut vorbereitet und hat die Epidemie im Land effektiv eingedämmt.
Taiwan blieb bislang weitgehend von COVID-19-Infektionen verschont, so der Gesundheitsexperte Jason Wang. Als im Januar dort die ersten Fälle bekannt wurden, hatten Experten vorausgesagt, dass in Taiwan - neben China - vermutlich die meisten Infektionen auftreten würden. Doch während China bereits über 80.000 Fälle zählt, liegt die Zahl in Taiwan bei unter 60! Diese Entwicklung ist nach Meinung einiger internationaler Gesundheitsexperten auf die frühzeitige Intervention des Inselstaates zurückzuführen.
Taiwan hat nach der SARS-Epidemie 2002/2003 das National Health Command Center eingerichtet und sich damit auf eine nächste mögliche Krise vorbereitet. Außerdem hat Taiwans Regierung frühzeitig ein Einreiseverbot für Menschen aus China, Hongkong und Macau verhängt. Gleichzeitig hat die Regierung verboten, Schutzmasken zu exportieren, um sicherzustellen, dass Taiwan ausreichend versorgt ist. "Taiwan hat Daten der nationalen Krankenversicherungen in die Einwanderungs- und Zolldaten integriert", sagt Wang. Dies habe dem medizinischen Personal an vorderster Front ermöglicht, potenzielle Patienten anhand ihrer Reisetätigkeiten zu identifizieren.
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Außerdem hat die taiwanesische Regierung ein Programm entwickelt, das Reisenden bei der Rückkehr nach Taiwan ermöglicht, ihre Reiseroute und Symptome zu melden. Dazu müssen sie einen QR-Code scannen. Reisende bekommen dann eine Nachricht, wie ihr Gesundheitszustand eingeschätzt wird. Die hohe Bereitschaft der Öffentlichkeit, die Vorschriften der Regierung einzuhalten, haben es den taiwanesischen Beamten erleichtert, adäquat auf den Ausbruch des Coronavirus zu reagieren.
In den vergangenen Jahrzehnten habe Taiwan in seine biomedizinischen Forschungskapazitäten investiert, sagt Chi. Außerdem hätten Forschungsteams daran gearbeitet, einen diagnostischen Schnelltest für COVID-19 in Serie zu produzieren. Vor wenigen Tagen hat ein Forscherteam der taiwanesischen Academia Sinica Antikörper entwickelt, mit denen das Protein identifiziert werden kann, das das Coronavirus verursacht. Ziel ist es, einen neuen Schnelltest für das Coronavirus zu produzieren, dessen Ergebnis bereits nach 20 Minuten vorliegt.
Taiwan ist nicht Mitglied der Weltgesundheitsorganisation (WHO), da der Inselstaat seit 1971 (aufgrund von Pekings Ein-China-Politik) auch von den Vereinten Nationen ausgeschlossen ist. Und die Regierung der Volksrepublik China hindert Taiwan weiterhin daran, der WHO beizutreten. Dennoch teile Taiwan seine Erfahrungen bei der Bekämpfung des Coronavirus weiterhin mit anderen Ländern, sagt Jason Wang.
Ob Taiwan der WHO aufgrund seiner gelungenen Eindämmung des Coronavirus wieder beitreten kann, ist ungewiss. Wang findet allerdings, dass die WHO dies in Betracht ziehen sollte: "Die WHO sollte wissen, dass der Schlüssel zur Bekämpfung einer globalen Pandemie in der Zusammenarbeit liegt. Und wenn sie bestimmte Gegenden der Welt ignoriert, ist das nicht gut." (ma)
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