Klara trotzt Corona, VII. Teil
Die Autoren der Limburg-Krimis um die schrullige Haushälterin und ihren gutmütigen Chef, möchten damit Ihnen etwas Trost, Unterhaltung und hin und wieder vielleicht sogar ein Lächeln schenken, wenn Sie sehen, wie Klara und van Kerkhof ihren Alltag bewältigen. Denn die Limburger Pfarrhausermittler lassen sich nicht unterkriegen.
Folge VII vom 2. April
Kölbingen. „Wie gut das tut, endlich mal wieder draußen in der Natur zu sein!“, stieß Klara aus und begleitete ihren Begeisterungsruf mit einer ausschweifenden Geste beider Arme. „Und hier entlang der Lahn bin ich immer schon so gerne gegangen. - Gucken Sie doch mal, sogar die Schwäne halten sich an die Vorschriften. Immer nur Zweiergruppen, hier und drüben am Ufer auch.“
„Ja, sogar die zwei Meter Abstand untereinander halten sie ein“, erwiderte Pfarrer van Kerkhof. Klara warf ihm einen bösen Blick von der Seite zu. „Da wollte ich mal einen klugen Witz machen, und dann stellen Sie das wieder hin, als wäre ich hier die Dumme!“
Der Pfarrer hob nur kurz die Schultern und ging des lieben Friedens willen nicht darauf ein. Jetzt waren sie schon einmal draußen, in einer anderen Umgebung, da wollte er die Stimmung nicht mit einem weiteren Kommentar trüben.
Klara wiederum ließ ihm auch gar nicht die Zeit dafür. „Nun will der Lenz uns grühüßen!“, stimmte sie mit vertrautem Klara-Sopran an, um wie nebenbei ihren Chef in die Seite zu stoßen: „Jetzt singen Sie doch auch mal mit! Die Schöpfung rundherum ist es doch wert, dass man sie lobt!“
Klara setzte ihren Gesang unbeirrt fort, doch anstatt einzustimmen, blickte van Kerkhof sich verstohlen nach allen Seiten um. Wenngleich er Klara schon allein aufgrund seiner Gesinnung recht geben musste, war es ihm nach über vierzig Jahren immer noch peinlich, wenn sie ihre Hymnen in der Öffentlichkeit zum Besten gab. Verlegen nahm er seine Kappe ab, fuhr sich durch die Haare und meinte: „Was ist das schon so warm draußen!“
Klara entgingen seine Bewegungen nicht, obwohl sie bereits beim 'Gewand der Heide' angelangt war. „Setzen Sie sofort Ihre Kappe wieder auf, Herr Pfarrer! Mit Ihren langen Flusen sehen aus wie diese Zottelhunde, bei denen man die Augen nicht sehen kann! Du meine Güte, wie sollen wir das nur in dieser Zeit mit ihrer Frisur hinkriegen“, jammerte sie laut vor sich hin. „Es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als Ihnen selbst die Haare zu schneiden.“
„Da werden Sie aber die lange Schere vom Struwwelpeter brauchen, damit Sie auf Abstand bleiben können“, war das Einzige, was dem Pfarrer zu dem leidigen und fast täglich auflebenden Thema Frisör in den Sinn kam.
Gerade wollte Klara weiterklagen, als sie sich selbst unterbrach. „Sehen Sie doch nur da vorn, die Jugend! Zwei, vier, sechs, sieben junge Leute, hängen auf einem Klumpen, als würde es kein Corona geben! Geschwister können das doch nicht sein, alle in einem Alter. Das kann doch wohl nicht wahr sein!“ Mit einem hastigen Griff in ihr Halstuch zog sie einen Mundschutz nach oben und bedeckte sorgsam ihre untere Gesichtshälfte. „Sie haben Ihren natürlich wieder nicht dabei, hab ich mir schon gedacht!“
Van Kerkhof sah sich nach einem abzweigenden Pfad oder einer anderen Möglichkeit zum Ausweichen um, weil er ahnte, was gleich hier unten auf dem Weg entlang der Lahn stattfinden würde. „Klara, bitte reißen Sie sich zusammen. Wir beide sind zu alt, um uns mit solch unvernünftigen Kindern anzulegen. Bitte!“
Doch seine Haushälterin hatte ihre zielstrebigen Schritte bereits beschleunigt. Sie hatte ihren Chef schon ein paar Meter hinter sich gelassen und baute sich mitten auf dem Spazierweg auf. „Ja sagt mal, wisst ihr nicht, was sich gehört? Das Wort Abstand ist euch wohl nicht bekannt? Und bis zwei zählen könnt ihr auch nicht!“
Van Kerkhof wusste, dass eine Klara in dieser bedrohlichen Pose eine dankbare Angriffsfläche für solche ungezügelten jungen Leute darstellte. Er beeilte sich aufzuholen und hatte schon ein paar beschwichtigende Worte auf der Zunge, als einer der vier Jungs lachte und Klara zurief: „Hey, Oma, geh heim, du gehörst zur Risikogruppe und hast hier draußen gar nichts verloren.“ Seine Begleiterinnen redeten leise auf ihn ein. „Jetzt lass sie doch in Ruhe, halt den Mund!“, giftete die eine ihn an und „Die Frau hat ja recht!“, zischte eine andere ihm zu.
„Einen Moment bitte“, sagte der Pfarrer, „wir alle wissen, worum es hier geht. Ihr jungen Leute habt es schwer zurzeit, das verstehen wir. Aber seid bitte vernünftig und haltet die Regeln ein.“ Und als keiner der Jugendlichen aufmüpfig reagierte, fügte van Kerkhof hinzu: „Ja, wir sind alt. Und ja, wir gehören zur Gruppe derjenigen, die besonders gefährdet sind. Deshalb gönnt gerade uns den Sauerstoff und die Bewegung und lasst uns zivilisiert weitergehen.“
Klara neben ihm zitterte, er nahm sie am Oberarm und führte sie an der Jugend vorbei. Die jungen Leute mieden dabei jeden Blickkontakt. Zu van Kerkhofs Erleichterung blieb auch Klara ruhig. Doch wie ein Hund im Alarmzustand, der erst mit eingezogenem Kopf an anderen Artgenossen vorübergeht, um in sicherem Abstand nachzubellen, drehte sie sich wenig später noch einmal ruckartig um. „Wenn ihr so weitermacht, seid ihr eine Gefahr für uns alle! Oder glaubt ihr, ihr hättet ein anderes Immunsystem als der Rest der Welt? Ein anderes, als die vielen tausend Menschen, die schon infiziert sind? Dann kommt ihr bestimmt aus der Zukunft!“
„Klara!“, sagte van Kerkhof leise, „lassen Sie uns weitergehen. Es ist jetzt genug.“ Der vorlaute Junge rief seinen Kameraden zu: „Genau, wir sind Aliens und haben die Viren längst gefressen!“ Er lachte seiner Bemerkung hinterher, doch alle anderen blieben still. Nur Klara nicht. „Na, wahrscheinlich hast du keine Angehörigen, die dir etwas bedeuten. Denn sonst würdest du Rücksicht nehmen. Dann mach halt so weiter.“ Ihre Stimme war zum Ende hin immer schwächer geworden und ihre Beine schienen nachzugeben. Sie hatte sich arg aufgeregt.
Der Pfarrer sagte in freundlichem Tonfall und für jeden gut zu hören zu Klara: „Wir wissen doch: Krisenzeiten zeigen das Beste und das Schlechteste im Menschen.“ Er umfasste ihren Arm etwas fester und führte sie weiter.
Nach einer Weile drehte van Kerkhof sich um und raunte Klara daraufhin zu: „Schauen Sie noch mal kurz nach hinten.“
Klara war kreidebleich. Sie blieb stehen, wischte sich den Mundschutz vom Gesicht und atmete tief durch. Dann warf auch sie einen Blick zurück. „Na sehen Sie, es geht doch“, sagte sie matt beim Anblick der aufgelösten Mannschaft, die in drei Zweiergruppen in deutlichem Abstand zu ihrem Wortführer weiterzog. (Christiane Fuckert und Christoph Kloft)
Bisher erschienene Fortsetzungen:
Klara trotzt Corona, VI. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler: Klara trotzt Corona, V. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler - Klara trotzt Corona, IV. Teil
Klara trotzt Corona, dritter Teil
Klara trotzt Corona, zweiter Teil
Klara Schrupp und Pfarrer van Kerkhof trotzen der Corona-Krise
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