Im Supermarkt - Nicole nörgelt…
Von Nicole
GLOSSE | Ich pirsche durch den Nebel. Das einzige Geräusch ist mein angespanntes Atmen, orkanartig laut in meinen gereizten Ohren. Ich spüre jedes Steinchen unter den Füßen, jede Unebenheit, mustere die Fremden, die mir begegnen, misstrauisch und verschlagen. Ich bin auf einer Mission.
Region. Ich bin der Bösewicht aus den James-Bond-Filmen, ich bin Darth Vader auf der Jagd nach den letzten Jedi, ich bin ein Indianer auf Büffeljagd. Durch einen engen Zwischenraum hindurch mustere ich meine Gegner, wie sie die Beute umkreisen, der Haufen wird immer kleiner, nur noch wenige Schätze sind da und langsam muss ich mir eine Strategie überlegen, wie ich die kreisenden Geier vertreiben kann. Wenn nur dieser Nebel nicht wäre…
„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, säuselt die Stimme hinter mir und ich fahre quiekend zusammen. Als ich mich umdrehe, steht sie da, einen Scanner unter dem Arm, in der Brusttasche ihres dunkelblauen Kittels stecken frische Gummihandschuhe, während sie mich misstrauisch mustert. Vorbei meine Superhelden-Fantasie. Ich lande wieder krachend in der Realität und muss mir schmerzhaft eingestehen, dass ich wohl irgendwie merkwürdig wirke, wie ich hier mitten im Discounter zwischen den Süßigkeiten-Kartons hindurch auf die andere Regalseite äuge und abschätze, ob ich noch eine Packung Klopapier abkriege oder leer ausgehe. Erstmal muss ich den Nebel auf meinen Brillengläsern loswerden, sonst sehe ich eh nichts, wieso beschlagen die Dinger immer so schnell? Ja, schon gut, ich hab es halt noch nicht gelernt, mit Maske beim Einkaufen richtig zu atmen. Nennen wir es Sauerstoffmangel, okay?
„Ich… ich suche nur was…“, murmele ich, krame angestrengt in dem Regal vor mir und spüre, wie mein eh schon rotes Gesicht unter der Stoffmaske noch eine Spur dunkler wird. Ist aber egal, dank des Stoffes kann die nette Marktmitarbeiterin hier eh mein Gesicht nicht sehen. „Aha“, macht sie kurz angebunden und ich kann sogar durch ihre eigene Maske hindurch ahnen, wie sie die Mundwinkel verzieht. „Naja. Wenn was ist, melden Sie sich einfach.“
Sie bedenkt mich noch mit einem abschätzigen Blick und zieht dann ab. Ich grummele. Ja, ich gebe es ja zu, ich habe mich ein bisschen davon mitreißen lassen, mir das Maskentragen schönzureden. Und dann geht eben die Fantasie mit mir durch. Aber hey, es ist doch viel spannender, als Indiana Jones durch einen versunkenen Tempel zu schleichen als schnöde Lebensmittel einzukaufen. Und wenn wir schon alle diese Dinger tragen müssen, können wir wenigstens unseren Spaß damit haben.
Aber gut. Ich reiße mich zusammen, beende meinen Einkauf, halte brav Abstand und ignoriere die schrägen Blicke der Verkäuferin, die mich nun mit den Augen durch den ganzen Laden verfolgt. Vielleicht ist sie gar keine Verkäuferin? Vielleicht ist sie Undercover-Agentin und hat in mir ihren lange vermissten Nemesis erkannt? Vielleicht ahnt sie, dass ich nicht so harmlos bin, wie ich aussehe und grade ein finsteres Komplott schmiede, um die Weltherrschaft an mich zu reißen?
Ich grinse auf dem Weg zurück zum Auto. Ich muss unbedingt noch zur Bank. Mit Maske. Hach, das wird ein Spaß!
In diesem Sinne - Bleiben Sie gesund!
Ihre Nicole
Bisherige Glossen von Nicole
Nicole nörgelt… Teil 3
Nicole nörgelt… Teil 2
Nicole nörgelt… Teil 1
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