Mut, Optimismus und kreative Konzepte in der Gastronomie gefordert
„Wir wissen jetzt, wie es weitergehen kann“, sagte DEHOGA-Kreisvorsitzender Uwe Steiniger nach einem Treffen mit der rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, und er betont: „Es liegt auch an uns.“ Es war ein gutes Gespräch, das die Staatsministerin mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Freitag (12. Juni) in der Klostergastronomie Marienthal führte. Erneut hatte der Kreisverband der Gastronomie im Landkreis Altenkirchen hohen Besuch aus Mainz geladen.
Marienthal. Obwohl der Kreisverband des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) eingeladen hatte – wie jüngst die rheinland-pfälzische Staatsministerin Daniela Schmitt aus dem Wirtschaftsministerium – waren nicht nur Vertreterinnen und Vertreter der heimischen Gastronomie erschienen. Das brachte auch unterschiedliche Themen aufs Tapet. Ganz klar: Im Kern ging es um die Gastronomie. Aber auch für Anliegen rund um das Visier oder die Situation von Soloselbstständigen war Zeit und Raum, um Anliegen vorzutragen und mit der Staatsministerin darüber zu sprechen. Es seien auch diesmal wieder Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem benachbarten Nordrhein-Westfalen mit von der Partie, freute sich Hausherr Uwe Steiniger.
Das Interesse sei groß. Es gehe nicht nur um Kritik, leitete er gleich bei der Begrüßung ein. Für ihn war auch wichtig zu erfahren, wie der künftige Fahrplan aussehen könnte. „Und vor welcher Zukunft wir stehen?“, sagte der Kreisvorsitzende. Wie kann der Zug wieder Fahrt aufnehmen? Die Reisehöhe sei niedrig, konstatierte die Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler. Sie stellte weiter heraus, dass die Infektionsrate stabil sei. Sie erwähnte die Zahl der aktuell (bekannten) Infizierten, erinnerte aber auch daran, dass „231 Menschen leider verstorben“ seien. Vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern blickte sie zurück, aber auch nach vorne; auf das, was kommen könnte. Es gehe mit darum „wie wappnen wir uns?“ Die Tourismus- und Reisebranche, Gastronomie, aber zum Beispiel auch der Einzelhandel hätten massive Einbrüche erlebt. Für 450.000 Menschen sei Kurzarbeit angemeldet.
Schwer, verlässlich Aussagen zu machen
Und der Blick in die Zukunft? Die Sozialdemokratin verhehlte nicht, dass es für alle Beteiligten sehr schwer sei, verlässlich Aussagen zu machen. Sie spannte den Bogen hin zur derzeitigen Phase der Lockerungen in der Gastronomie. Es müsse wieder in Fahrt kommen. Die Menschen seien jedoch noch zurückhaltend. Steiniger erzählte von seinen Erfahrungen: Im Außenbereich gehe es, aber in der Lokalität selbst seien die Menschen zurückhaltender. Mit der vierten Stufe des Stufenplans soll es weitere Lockerungen geben, informierte die Staatsministerin. Leider hätten sich die Länder im Bund von einem gemeinsamen Rahmen verabschiedet - aber: „So ein gemeinsamer Rahmen wäre doch wichtig.“
Im Zusammenhang mit Veranstaltungen erinnerte sie an den 31. August. Die Karnevalssession und wie es mit anderen Veranstaltungen weitergehe, seien „Punkte, die vor der Nase“ lägen. „Es ist eine schwierige Phase, wir wissen nicht, was die Sommerferien bringen werden“, sagte sie. Man bereite sich vor und plane, aber: „Wenn man plant, ist es immer nur eine Momentaufnahme.“ Und einen Impfstoff habe man noch nicht. Da müsse man mit leben. Abstand halten und Hygienevorgaben beachten würden noch länger begleiten, war sich die Gesundheitsministerin sicher: „Und Masken jeglicher Art“. Das Infektionsrisiko müsse so gering wie möglich gehalten werden. Was sie nun bei dem Treffen höre und erfahre, für das vielleicht ihr Ministerium aber gar nicht zuständig sei, das werde sie in die anderen Ressort reintragen, versicherte sie: „Wir befinden uns permanent im Austausch.“
Auch wenn es bei 25 Grad Celsius plus und Freibadwetter noch weit entfernt zu sein scheint, so kommt auch der 11.11. Auf die Frage, „was wir dann machen?“, antwortete sie: „Wenn wir das wüssten.“ Für sie sei es total schwer sich vorzustellen, „dass wir Karneval feiern wie sonst“. Zumindest solange es noch kein Impfstoff gebe. Sie vertrat die Meinung, dass es bundesweit einheitlich gemacht werden sollte.
Infektionsschutz und Arbeitsbedingungen gerecht werden
28 Grad Celsius, schwül und acht Stunden mit Maskenschutz und Tabletts herumlaufen: Damit sprach Steiniger die Situation bei den gastronomischen Servicekräften an, die im Außenbereich tätig sind, auch unter dem Aspekt von Maskenschutz und mit dem Verweis auf das Visier. Ein Visier erkläre sich selbst, es sei kein Ersatz für eine Maske, erläuterte Bätzing-Lichtenthäler. Das Teil sei nach unten offen, und so würden die Aerosole nach unten weggehen. Es sei ein Spuckschutz, aber keine Mund-Nasen-Bedeckung. In erster Linie handele es sich dabei um einen Fremdschutz. In Rheinland-Pfalz habe man die Erfahrungen gemacht, dass die Kundinnen und Kunden sich an die Maskenpflicht halten würden. Der Abstand werde eingehalten. Bei körpernahen Dienstleistungen, zum Beispiel bei Friseurin oder Friseur, sei eine Mund-Nasen-Bedeckung erforderlich, weil nicht anderthalb Stunden auf Abstand die Haare gewaschen, gefärbt und geschnitten werden können. Mit Visier wäre es angenehmer, aber aus Infektionsschutzgründen sei es nicht möglich. Man versuche, dem Infektionsschutz und den Arbeitsbedingungen gerecht zu werden.
Bei ihren Ausführungen stellte die Staatsministerin heraus, dass Gesundheitsschutz, Freiheit, Privatrecht und Ökonomie in Einklang gebracht werden mussten. So seien Privaträume immer etwas anderes als Gastronomie, wobei man auch im privaten Bereich immer empfohlen haben Abstand zu bewahren. Das Besuchsverbot in Alten- und Pflegeheimen sei auch notwendig gewesen. Sie äußerte auch ihren großen Respekt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesundheitsämter, für das, was diese seit dem Anfang der Corona-Krise geleistet haben. Aktuell haben man niedrige Zahlen, aber diese könnten auch wieder ansteigen. Dann werde direkt wieder alles verfolgt, betonte sie. Seit Mai werde in Rheinland-Pfalz nach dem Prinzip verfahren: Ist ein Covid-19-Infizierter bekannt, „wird die komplette Mannschaft testet“. Ob nun Schule oder Firma. Es gehe darum, die Infektionskette zu durchbrechen. Diese Strategie habe der Bund übernommen. Hessen gehe den gleichen Weg.
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Was aus ihrer Sicht etwas bringen wird, das ist die Corona-Warn-App. Das sei eine aktive Kontaktverfolgung. Dennoch benötige man dann immer noch die aktive Nachverfolgung, etwa wer näheren Kontakt gehabt habe. Aus ihrer Sicht ist die Corona-Warn-App eine Erleichterung.
Unterstützung aus der Region
Die Staatsministerin hörte sich auch an, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu sagen hatten. Es ging unter anderem um Visiere, in diesem Fall um ein aus der Krise neu geschaffenes Produkt. Bätzing-Lichtenthäler griff dies auf und sprach von einem ganz großen Plus des Mittelstandes: Stichworte waren Flexibilität, anderen helfen zu wollen, aber auch um jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter kämpfen zu wollen, und Bätzing-Lichtenthäler konstatierte: „Wir setzen auf Region und unterstützen uns gegenseitig.“ Aus Sicht der Politikerin ist das ein positiver Effekt, den die Krise mit sich bringe. „Es findet Vernetzung statt.“
Zu dem Einwurf, dass Menschen nicht immer wüssten, ob ein Visier nun gestattet oder verboten sei, ging Bätzing-Lichtenthäler ein. In der Tat sei es kompliziert mit Maske und Visier. Letztere seien jedoch keineswegs verboten. Bei dem Austausch wurde angeregt, dass man in diesem Bereich eventuell mehr Öffentlichkeitsarbeit machen sollte. So gebe es auch Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit seien. Wichtig sei es zu sensibilisieren, zum Beispiel bei Demenz und Corona, auch unter Berücksichtigung einer Befreiung von einer Maskenpflicht.
„Machen Sie kreative Konzepte“
Zu Anliegen der Gastronomen äußerte sich die Staatsministerin. Die örtlichen Ordnungsämter würde eine wichtige Rolle spielen. An diese und das Gesundheitsamt solle man sich für eine Abstimmung auf die individuelle Begebenheiten wenden. Auch eine Frage zum Stichwort Buffet sowie Thekenverkauf wurde von einem Teilnehmer aufgerufen. „Man kann durchaus Veranstaltungen machen“, brachte Steiniger ein, zumindest wenn man über eine große Außenanlage verfüge. Hier lenkte er den Blick auf eine Veranstaltungsreihe, bei der die Verbandsgemeinde Hamm (Sieg) und die Gastronomie kooperieren: Gemeint war der der „Kultur- und Genuss-Sommer“. Die erste Veranstaltung stand unter dem Thema „Erdbeeren und Spargel“. Bei einer weiteren heißt es beispielsweise „Wilde Tage im Hammer Land“. DEHOGA-Kreischef Steiniger nahm durchaus immer wieder eine motivierende Funktion ein und appellierte an seien Kolleginnen und Kollegen: „Gehen Sie zur Kreisbehörde und zum Ordnungsamt, dort ist man sehr kooperativ.“ Das verknüpfte er mit der Botschaft: „Machen Sie kreative Konzepte.“
In Rheinland-Pfalz gebe es 1149 Beatmungsbetten, von denen am Donnerstag (11. Juni) neun mit einem Covid-19-Infizierten belegt waren, so die Gesundheitsministerin. Wenn die Zahlen bei den Infektionen ein wenig steigen würden, dann habe man kein Problem. Aber: Es komme darauf an, die Infektionsketten zu unterbrechen, verdeutlichte sie ein weiteres Mal.
Selbstständige im Stich gelassen
Eine kritische Anmerkung kam von Joachim Dettenberg, Lichttechniker und Veranstalter, aus Asbach (Neuwied), der beklagte: „Soloselbstständige werden völlig im Stich gelassen.“ Über die Soforthilfe würden 50 Milliarden Euro ausgeschüttet. Nach seinen Angaben seien davon zwölf Milliarden Euro an Soloselbstständige ausgeschüttet worden, aber nur für Betriebskosten. Sehr viele Soloselbstständige hätten jedoch keine Betriebskosten. Für Soloselbstständigen sei die Situation ganz schlimm: „Einzelunternehmer müssten besser unterstützt werden“, forderte er. In diesem Zusammenhang griff die Sozialdemokratin das Stichwort Grundsicherung auf. In den ersten Wochen sei es sehr holprig gelaufen, bei den Agenturen für Arbeit sei man überfordert gewesen, räumte Staatsministerin ein, die davon sprach, dass man die Vermögensanrechnungen anders machen musste. Sie habe damals Rückmeldungen bekommen, dass „es sehr geholpert hat“. Es gehe um ein vereinfachtes Verfahren. Dies sei in der Umsetzung schwierig. Es könne nicht sein, dass eine Lebensversicherung, die der Altersversorgung dient, veräußert werden müsse. Es habe eine Weisung vom Bundesarbeitsministerium an die Agentur für Arbeit gegeben, sodass „in den Agenturen vor Ort angewandt wird, wie es von der Politik gewollt ist“.
„Auch die Gastronomie sollte innovativ und mutig vorgehen“, stellte Steiniger heraus. „Natürlich brauchen wir staatliche Unterstützung“, sagte er. Man dürfe aber auch nicht den Kopf hängen lassen, sondern müsse mit Mut und Optimismus herangehen. Die Situation für Soloselbstständige sei ein Problem, auch bei den Schaustellern, knüpfte er das Netz weiter. Damit war Kirmes auf dem Tapet. Und damit die Frage, ob kleine Sachen im Sommer möglich sein könnten? Aus der kommunalen Familie werde man sich etwas überlegen, ließ die Gesundheitsministerin anklingen: „Es wird anders sein, aber es gibt Alternativen.“
Positiv hob Steiniger lobend hervor, dass die Steuervorausszahlungen gestundet worden seien. Es dürfe jedoch nicht dazu führen, dass man später von enormen Zahlen überrollt werde. Bätzing-Lichtenthäler griff dies auf und meinte: „Da sieht man, wie lange es noch nachhalten wird.“ (tt)
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