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Nachricht vom 17.07.2020    

Ansichten von Alt-Altenkirchen laden zum Vergleichen ein

Der Weg zurück in der Geschichte ist kein weiter: Das Historische Quartier Altenkirchen bietet regelmäßig Ansichten der Stadt, wie sich sie vor vielen Jahrzehnten präsentierte. Die Ausstellungen sind ideale Grundlagen, um bei Spaziergängen alt und neu anhand der fotografischen Impressionen und des Ist-Zustandes zu vergleichen.

Wieder einmal erlaubt eine Ausstellung im Historischen Quartier Einblicke in die Geschichte Altenkirchens. (Foto: hak)

Altenkirchen. Wie viele Gasometer standen im Gaswerk in der Heimstraße? Was verbarg sich hinter dem Begriff "Landjahrlager"? Wann wurde das Café Schneider in der Bahnhofstraße gegründet? Antworten auf diese, zugegeben sehr speziellen Fragen zum Thema Altenkirchen, bietet die Ausstellung "Vom Wiesental über den Dorn zur Post", die noch mindestens bis Ende August im Historischen Quartier (Markstraße 31) zu sehen ist. Zudem macht sie Lust auf einen Spaziergang, um all die alten Ansichten, die im Kopf nach dem Studium der zahlreichen Fotos und Postkarten im Stadtarchiv gespeichert sind, mit den Änderungen, die die Gegenwart gebracht hat, zu vergleichen.

Viele interessante Aspekte
Es sind viele Aspekte, die selbst alten und eingefleischten Altenkirchenern nicht unbedingt geläufig sind. So nimmt sich die gelungene Präsentation der Brücken über die Wied an, zeigt Schnappschüsse des Wiesentals mit von Wasser gefüllten Trichtern (viele alliierte Bomben verfehlten ihre Ziele), dokumentiert das Naherholungsgebiet, wenn es "Land unter" meldet, und beschreibt den Weg in Richtung Bismarckturm. Der Abstecher ans Ehrenmal (ehemals Kriegerdenkmal) auf halber Höhe zum Auf-dem-Dorn-Plateau ist eine Zwischenstation, ehe das Westerwaldheim und das nicht mehr vorhandene Freizeitheim (heute Standort der Fachklinik für suchtkranke Frauen) erreicht werden. In dem schon lange dem Erdboden gleichgemachten Gebäude war vor dem Zweiten Weltkrieg das "Landjahrlager" untergebracht, wie Uli Stope, der Vorsitzende des Fördervereins Bismarckturm, der an das Historische Quartier angedockt ist, erläutert. 60 Mädchen waren von April bis Dezember in dem Haus untergebracht und halfen in der heimischen Landwirtschaft - für einen Hungerlohn von 0,05 Reichsmark die Stunde.

Auf dem "Hausberg" der Stadt
Einmal auf dem "Hausberg" der Kreisstadt angekommen, schweift der Blick über die Abbildungen, in deren Mittelpunkt der Bismarckturm steht. An dessen Spitze thront seit der Restaurierung eine Feuerschale, "im Zweiten Weltkrieg war sie ein Beobachtungsposten", weiß Stope. Die Freiflächen rund um das Wahrzeichen Altenkirchens, das sogar als 1000 Teile umfassendes Puzzle existiert, dominierten zwischen 1955 und 1961 Motocrossfahrer mit ihren Wettfahren. 3000 Zuschauer waren keine Seltenheit. Heute sind sie in Nicht-Corona-Zeiten Schauplatz eines Festes, das der Förderverein einmal im Jahr ausrichtet. Der Abstieg gen Wiesental führt am Haus Felsenkeller vorbei, das seinerzeit als großzügig daherkommendes Kur-Hotel fungierte und heute Sitz des gleichnamigen sozio-kulturellen Zentrums ist. Wie damals bietet sich dem Betrachter immer noch eine wunderbare Aussicht aufs Stadtzentrum und die "Eisweiher", deren Anordnungen im Laufe der Zeit verändert wurden. Die fotografische Route führt weiter die Heimstraße entlang und erreicht das alte Gaswerk (heutiger Bauhof der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld), dessen Brennstoffproduktion in bis zu zwei Gasometern gespeichert wurde.



Bahnhof zerstört, Postamt kaum
Die Aufarbeitung der Vergangenheit endet schließlich am Bahnhof und am Postamt, das als Nachbar den Freiwilligen Arbeitsdienst (1931 eingeführtes öffentlich gefördertes Beschäftigungsprogramm der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung der Weimarer Republik) hatte. Abgelichtete Szenen aus der kaum befahrenen, teils noch unbefestigten und Baum bestandenen Bahnhofstraße mit dem Café Schneider (gegründet 1925 und immer noch in Familienbesitz), aus der Bahnhofsgaststätte und dem Fernmeldeamt bleiben im Gedächtnis - ebenso wie eine Luftaufnahme, die den komplett zerstörten Bahnhof inklusive Gleisanlagen und das nur einen Steinwurf entfernte, aber kaum demolierte Postgebäude nach den alliierten Bombardements wiedergibt.

Weitere Ausstellungen geplant
Es ist bereits die sechste Ausstellung dieser Serie, die sich Alt-Altenkirchen widmet und sich immer bestimmten Abschnitten annimmt. "Die Vorbereitung hat diesmal sehr lange gedauert, etliche Wochen", resümiert Stope. Fotos mussten gesichtet, vergrößert und beschriftet werden, "manchmal mussten wir intensiv recherchieren, um Fotos überhaupt beschreiben zu können". Und das falle immer schwerer, weil es kaum noch "alte" Altenkirchener gibt, die damals lebten. Dennoch hat der Förderverein weitere Ideen in petto, die in Ausstellungen münden können. Stope nennt als wahrscheinlich nächstes Betätigungsfeld die Wilhelmstraße und ihre "Seitengassen". Mögliche sich anschließende Themen könnten die Plätze der Stadt oder Juden in Altenkirchen vor dem Hintergrund sein, dass wahrscheinlich im Gedenken an sie im Herbst des kommenden Jahres Stolpersteine verlegt werden. Der Besucherschnitt liegt bei "700 bis 800" pro Show, manchmal kommen Interessierte mehrmals. Für Stope war der Publikumsmagnet schlechthin die Finissage der Darstellung rund um die Kumpstraße, als an jenem Sonntag "rund 320 Gäste" das Historische Quartier zur Anlaufstelle auserkoren hatten. (hak)

Die Ausstellung "Vom Wiesental über den Dorn zur Post" ist noch mindestens bis Ende August (sie war wegen Covid-19 von Mitte März bis in den Mai hinein geschlossen) zu sehen (Hygiene- und Abstandsregeln sind einzuhalten): dienstags von 15 bis 17 Uhr, donnerstags von 11 bis 13 Uhr und jeden dritten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr. (PM)


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