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Projekt "Bürgerarbeit" im Kreis Altenkirchen angelaufen
Das Projekt "Bürgerarbeit" ist zukunftsweisend. Nicht nur wegen seiner großzügigen Förderung seitens des Staates, sondern auch wegen seines durchdachten Konzeptes, Menschen, die große Probleme haben, in den 1. Arbeitsmarkt integriert zu werden, zielgerichtet zu helfen. Das Projekt von Arge und Trägerverbund - Caritas, Christliches Jugenddorf und Neue Arbeit - wurde am Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt.
Kreis Altenkirchen/Wissen. "Die beste Bürgerarbeit ist die, die wir nicht brauchen", sagte der stellvertretende Geschäftsführer der Arge im Kreis Altenkirchen, Alfons Wertmann, am Mittwoch bei der Vorstellung des neuen Modellprojektes Bürgerarbeit im Christlichen Jugenddorf in Wissen. In der Tat: Bei dem Projekt geht es (auch) um viel Geld. Menschen, die schwer zu vermitteln sind, sollen aktiviert werden, in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Klappt dies nicht auf Anhieb, können sie "Bürgerarbeit" leisten - für die erhebliche Mittel seitens des Staates zur Verfügung gestellt werden. 900 Euro pro Monat und Person stehen zur Verfügung - für drei Jahre, wenn der Bewerber für einen Job nicht vorher vermittelt werden kann. Davor steht eine sechsmonatige sogenannte Aktivierungsphase.
Vorgestellt wurde das Projekt am Mittwoch, 18. August, im Christlichen Jugenddorf Wissen, Haus Frankenthal von Vertretern der Arge Kreis Altenkirchen (Geschäftsführer Heiner Kölzer und sein Stellvertreter Alfons Wertmann) sowie Vertretern des Trägerverbundes von CJD (Leiter Kurt Höblich, Ulrich Döring und Paul-Gerhard Treude), der Caritas (Geschäftsführer Rudolf Düber) und Neue Arbeit Altenkirchen (Bernd Schuscheng).
Das Ziel des Projektes ist klar: Menschen, die lange Zeit arbeitslos sind, in Beschäftigung zu bringen. Deshalb liegt der Schwerpunkt, wie Arge-Geschäftsfühter Kölzer betonte, auch in der Aktivierung der "Kunden" und auf der Unterbringung im 1. Arbeitsmarkt. Erst wenn das nicht gelingt, greift das Konzept "Bürgerarbeit". Dafür stehen dann maximal 80 geförderte Arbeitsplätze bei den Trägern zur Verfügung. Für diese Arbeitsplätze, die voll sozialversichert sind (bis auf die Arbeitslosenversicherung) gibt es 900 Euro an Zuschüssen. Die Träger geben das hinzu, was ihre Tarifverträge beziehungsweise ihre Budgets erlauben. Alles in allem also ein geregeltes Einkommen für bis zu drei Jahren.
Angesprochen worden waren im Kreis Altenkirchen 500 Menschen. Übriggeblieben sind zurzeit 360, die zu je 120 auf die Träger verteilt worden sind. Diese befinden sich jetzt in der sogenannten "Aktivierungsphase". das heißt, die Arbeitslosen werden fachlich betreut und es wird versucht, sie in den 1. Arbeitsmarkt zu vermitteln. Begonnen hat diese Phase am 1. August. Die "Bürgerarbeit" beginnt dann am 1. Februar, es sei denn, die Teilnehmer haben bis dahin eine "reguläre" Arbeit gefunden.
Die Teilnehmer an dem Projekt werden intensiv fachlich betreut, erklärte Kölzer. So werden verschiedene Module angeboten: Stufe 1 läuft zurzeit und Stufe 2 heißt, dass "marktnah" eingestufte Arbeitslose umgehend in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Aber auch die Aufnahme einer Selbstständigkeit kann geprüft oder gefördert werden. Der Idealfall.
Diejenigen, die in Stufe 3 eingestuft werden, können bei persönlichen oder qualifikatorischen Defiziten mit der Einbindung in Qualifikationsmaßnahmen rechnen, womit sich ihre Chanchen zur Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt erhöhen sollen.
Stufe 4 schließlich ist das, was als "Bürgerarbeit" bezeichnet wird. Träger dieser Bürgerarbeit können die Kommunen, Verbände, Kirchen und karitative Einrichtungen sein. Es handelt sich hierbei um dreiviertel Stellen - bis zu 30 Wochenstunden mit voller Sozialversicherungspflicht (aber ohne Arbeitslosenversicherung). Das Programm wird finanziert aus Bundesmitteln und dem Europäischen Sozialfond (ESF), wie Kölzer erklärte. Das bedeute für den Kreis Altenkirchen an Zuschüssen bei maximal 80 Arbeitsplätzen über eine Million an Zuschüssen im Jahr.
Wichtig ist zunächst aber der Einstieg in die Arbeitswelt: Dafür haben die Träger eine gründliche fachliche Unterstützung eingerichtet, die bei Problemen wie Fahrzeiten, Finden des Arbeitrhythmus' bei längerer Arbeitslosigkeit, Konflikten am Arbeitsplatz etc. greifen soll.
Für das Projekt sind keine Altersvorgaben gegeben, wie Wertmann bekräftigte. Die meisten Teilnehmer sind deshalb in der Altersgruppe von 20 bis 50 Jahren anzusiedeln.
Erste Erfahrungen nannten der "Coach" Döring und sein Kollege Paul-Gerhard Treude vom CJD. Es sei die Ausnahme gewesen, dass einer der für das Projekt in Frage Kommenden nicht zum Gespräch erschienen sei. Ein erheblicher Teil der Angesprochenen habe nie eine Ausbildung gehabt. Andere wiederum, vor allem in der Altersklasse zwischen 25 und 30 hätten Schule oder Ausbildung nie beendet oder seinen straffällig gewesen. Eine weitere Gruppe lotete der Coach unter den 30- bis 45-Jährigen, die ohne Ausbildung seien oder als Migranten eine Ausbildung hätten, die hier nicht anerkannt wird, oder eine Ausbildung hätten, die heute nicht mehr gebraucht werde, aus. In dieser Gruppe sind viele schon seit längerer Zeit ohne Beschäftigung. Und schließlich gibt es laut Döring noch eine kleine Gruppe, die über 50 ist, gut qualifiziert, aber aufgrund ihres Alters keine Arbeitsstelle mehr bekommt. Aber: Die Menschen - der weibliche und männliche Anteil hält sich in etwa die Waage -, die am Projekt teilnehmen, sind durchaus motiviert. Endlich einmal wieder etwas Sinnvolles tun, "wieder gebraucht zu werden", sich mit anderen Menschen austauschen zu können, stehe noch vor dem Geldverdienen, wusste Döring zu berichten. Dem stimmte Schuscheng von der "Neuen Arbeit" in Altenkirchen zu. Zudem müsse man wissen, dass es genug gesellschaftlich wichtige Arbeiten gebe, für die niemand bezahlen wolle oder könne. Mit diesem Projekt könne man Menschen, die einen normalen Arbeitsplatz haben wollen, aber aus welchen Gründen auch immer, nicht bekommen, helfen: "Deshalb ist das eine positive Geschichte."
Rudolf Düber ist froh, dass das Projekt nun auch im Kreis Altenkirchen greift. Es sei richtig und gut, dass die Arge und der Kreis bei dieser Sache dabei seien: "Darauf können wir stolz sein." (rs)
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In der "Kreativ-Werkstatt" des CJD sahen sich Arge-Vertreter und Träger des Projekts "Bürgerarbeit" um - und konnten sich davon überzeugen, dass Kreativität eigentlich in jedem Menschen steckt. Foto: Reinhard Schmidt
Pflicht oder freiwillig?
-"Bürgerarbeit" löst das Prinzip "Fördern und Fordern" ein
-Es wird ein "Vertrag auf Gegenseitigkeit" (Eingliederungsvereinbarung) geschlossen. Damit verpflichten sich die Menschen, an den Aktivierungsmaßnahmen teilzunehmen. Das Jobcenter verpflichtet sich im Gegenzug, bestmöglich zu aktivieren und Vermittlungsanstrengungen zu unternehmen.
-Wer sich ohne hinreichenden Grund von der Eingliederungsvereinbarung löst, der muss damit rechnen, dass das ALG 2 stufenweise für eine bestimmte Zeit gekürzt wird
Typische Tätigkeiten (Beispiele)
- Alle Arbeiten, die im öffentlichen Interessse liegen
- Tätigkeiten sind beispielsweise
- Unterrichtung über andere Kulturkreise im Kindergarten (gemeinsam Kochen, Theater spielen, singen, musizieren, Märchen erzählen
-Ausbildung von Migrantinnen, um anderen Frauen mit Migrationshintergrund die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erleichtern und sie aus der Isolation zu bringen
- Individuelle Kinderbetreuung für Alleinerziehende mit geringem Einkommen außerhalb von offiziellen Betreuungszeiten
-Begleitservice für Ältere/Behinderte
-Kochen und Ausgabe bei Mittagstischen
-Anlage, Pflege und Besuche von Lehrpfaden in der Natur wie Waldexkursionen für Kinder
-Energieberatung für Beürftige
-Unterstütung von Übungsleitern/Platzwarten im Breitensport
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