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Schüler meisterten Rolle des Schriftstellers mit Bravour
Der Gala-Abend der Altenkirchener Literaturtage bot ein Programm mit vielen Höhepunkten. In der Stadthalle präsentierten Schüler das lesenswerte Ergebnis ihres "Speedwritings". Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil stellte sich im Anschluss den Fragen zu seinem Werk "Hecke", das im Rahmen der Aktion "Eine Region liest ein Buch" im Vorfeld der Literaturtage gelesen worden war.
Altenkirchen. Drei eifrige Schüler, ein Geologe und Fiesling Kalle, der Sohn des Bürgermeisters, sind in Gefahr. Der Druidenstein, ein Vulkan im Westerwald, steht kurz davor auszubrechen. So lautete die inhaltliche Vorgabe für die Schüler der Klassen 8 bis 10 der Westerwaldschule Gebhardshain (Realschule plus), der Klasse 8 des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums Betzdorf und der Stufe 13 des Westerwald-Gymnasiums Altenkirchen, die am "Schnellschreiben" (Speedwriting) teilgenommen haben. Vier Stunden hatten sie am Freitag Zeit, aus der Vorlage des Kinder- und Jugendbuchautors Stefan Gemmel spannende Geschichten zu entwickeln, die unter dem Titel "Aufruhr im Westerwald" über Nacht gedruckt und bereits am Samstagabend auf dem Galaabend der Altenkirchener Literaturtage vorgestellt wurden. Betreut wurden sie dabei von Stefan Gemmel als auch den erfahrenen Autoren Monika Boess und Christoph Kloft, die den Jugendlichen vielseitige Einblicke in die Arbeit eines Schriftstellers eröffneten.
Das Projekt war ein Angebot von "LiteraMobil 2010" und der Altenkirchener Literaturtage, die von der Buchhandlung Liebmann in Zusammenarbeit mit dem Literaturwerk Rheinland-Pfalz-Saar und dem Verband deutscher Schriftsteller Rheinland-Pfalz veranstaltet wurden. Als Mitveranstalter begrüßte Klaus Liebmann das Publikum in der Altenkirchener Stadthalle. Sein Dank galt allen Mitwirkenden, die sich unentgeltlich für die Literaturtage in der Kreisstadt engagiert hatten.
Michael Au vom Kultusministerium des Landes Rheinland-Pfalz betonte in seiner Rede die Bedeutung des Schreibens und Lesens. So sei es eine gesellschaftliche Aufgabe, Lust auf Bücher zu machen und die Schreib- und Leselust von Jugendlichen zu fördern. Hier leiste das "LiteraMobil" einen wichtigen Beitrag, so Au. Dass ihnen das Projekt für ihren künftigen Umgang mit Literatur weitergeholfen hat, daran ließen die Schüler aus der 8. Klasse des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums aus Betzdorf keinen Zweifel. Sie berichteten in Begleitung ihrer Klassenlehrerin Mia Geimer-Stangier von ihren Erfahrungen, die sie mit Sicherheit so schnell nicht vergessen werden.
Da die Schüler über Vulkane nur wenig wussten, suchten sie zunächst im Internet nach Adressen von Geologen, die ihnen behilflich sein könnten, erzählt der Schüler Simon. Erst beim siebten Anruf hatten sie schließlich Erfolg. Es meldete sich der Geologe Dr. Friedrich Häfner vom Landesamt für Geologie und Bergbau in Mainz, der die Schüler mit Informationen versorgte. Das Schreiben des Buches konnte beginnen.
Im Rahmen der Literaturtage wurde das autobiographische Werk "Hecke" von Hanns-Josef Ortheil gelesen, das durch seinen starken Bezug zum Westerwald für die Aktion "Eine Region liest ein Buch" ausgewählt wurde. Moderator Hans Gerhard, der in Vertretung für Manuela Lewentz-Hering durch den Abend führte, durfte den renommierten Schriftsteller aus der Nähe von Wissen zu einer munteren Diskussionsrunde willkommen heißen.
Der Literat beantwortete ausführlich die Fragen des Publikums zu seinem 1983 erschienen Werk und auch seine Beweggründe, Schriftsteller zu werden, wurden eingehend beleuchtet. Nochmals betonte Ortheil seine enge Verbundenheit zum Westerwald, wo er kontinuierlich sein ganzes Leben verbracht habe. In dieser Heimatverbundenheit findet Ortheils literarisches Schaffen seinen Ursprung. Sie habe ihm den Weg zum literarischen Schreiben und schließlich zu sich selbst eröffnet. Das Schreiben schaffe Klarheit und zwinge ihn zur Reflexion seiner Erlebnisse, so Ortheil. In seinen Romanen finden die Landschaft des Westerwaldes und die dort lebenden Menschen ihren festen Platz.
Aus seinem Roman "Hecke" trägt er mit ruhiger Stimme einige Passagen vor. Detailliert greift er darin Erinnerungen seiner Kindheit auf und nähert sich akribisch dem Leben seiner Mutter während der Nazi-Zeit, die sich dem Einfluss der Nationalsozialisten auf besondere Art und Weise entgegenstellt. Als gelernte Bibliothekarin arbeitet die Mutter in den 1930er Jahren in einer katholischen Bücherei und bekommt alsbald die Überwachung durch die Nazis zu spüren. Ausleihlisten werden korrigiert und in ihr regt sich ein "Moment des Widerstandes", erzählt Ortheil. Von der Einmischung der Nazis in ihren Alltag politisiert, leistet die erzkatholische Frau fortan auf ihre Art Widerstand. Sie entwickelt eine eigene Mutter-Kind-Sprache, schafft dadurch einen Raum des Rückzugs und widersetzt sich so dem nationalsozialistischen Sprachterror.
Die von Distanz geprägte NS-Propaganda habe sie verabscheut und Hitler als ein "Sprachmonster" angesehen, so der Schriftsteller. Zudem dokumentiert sie in dieser Zeit sorgsam, wie die Nationalsozialisten in das tägliche Leben eingreifen. Als das Buch 1983 erscheint, wird Ortheils Mutter 70 Jahre alt. Dass ihr Leben in die Öffentlichkeit getragen wird, verübelt sie ihrem Sohn nicht. Vielmehr sei durch das Buch das Gespräch innerhalb der Familie angeregt worden, sie habe sich stets der Diskussion gestellt. Obwohl der Roman durch weitreichende autobiographische Züge gekennzeichnet ist, sollte er jedoch nicht mit einer Dokumentation der damaligen Zeit verwechselt werden, mahnte Ortheil mit einem leichten Schmunzeln an. Eines Tages hatte er in seinem Briefkasten ein Exemplar seines Romans gefunden. Alle Stellen, die nach Auffassung des unbekannten Absenders nicht der Wahrheit entsprachen, waren rot markiert worden. (Thorben Burbach)
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