Telemedizin: Wenn die „Arzthelferin“ an der Haustüre klingelt
Die Zahl der Hausärzte nimmt auf dem Land stetig ab. Nach und nach gehen sie in den Ruhestand. Nachfolger für die verwaisten Praxen sind die Ausnahme. Gepaart mit dem Anstieg der Lebenserwartung der Bevölkerung und dem damit verbundenen erhöhten Bedarf an ärztlicher Hilfestellung müssen neue Wege gefunden werden, die medizinische Versorgung vor Ort zu sicherzustellen.
Altenkirchen. Die Abkürzung "TMA" steht für so viele Dinge, fördert die Nachfrage bei Wikipedia zutage. Ob nun Trans Maldivian Airways oder das Thomas-Mann-Archiv in Zürich: Die Liste lässt sich aktuell um "Telemedizinische Assistenz" erweitern. Vor dem Hintergrund, dass die hausärztliche Versorgung im ländlichen Raum vor besonderen Herausforderungen steht, hat die rheinland-pfälzische Landesregierung das Pilotprojekt "TMA" ins Leben gerufen. Es ist ein Baustein in der Strategie zur Stärkung von Hausärzten. Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, gab am Montag (7. September) bei einem Pressetreffen vor dem Altenkirchener Kreishaus den Startschuss für den Kreis Altenkirchen, genauer gesagt für den Raum Betzdorf/Kirchen und Wissen. Neben dem AK-Land sind die Regionen Daun, Alzey und Dahn/Bad Bergzabern in den kommenden zwei Jahren mit von der Partie.
Speziell geschultes Personal
„Hausärzte müssen teilweise große Räume abdecken, um die medizinische Versorgung der Menschen auf dem Land weiterhin flächendeckend sicherzustellen. Durch das zunehmende Alter der Bevölkerung insgesamt sinkt die Mobilität der Patienten, während gleichzeitig der medizinische Bedarf steigt. Hier setzt unser TMA-Projekt an und entlastet Ärzte mittelbar durch den Einsatz speziell geschulten Personals und moderner telemedizinischer Ausrüstung. Die Kampagne wird bundesweit viel beachtet“, verdeutlichte Bätzing-Lichtenthäler und freute sich, dass auf Landesebene wirklich alle an einem Strang ziehen: der Hausärzteverband, die Kassenärztliche Vereinigung, die Landesärztekammer, alle (!) gesetzlichen Krankenkassen und die Arbeitsgemeinschaft der Patientenorganisationen. Zudem sei die Frage der zusätzlichen Honorarzahlungen ebenfalls einvernehmlich geklärt. Das Land fördert die Konzeption mit 800.000 Euro. Bätzing-Lichtenthäler kündigte eine Evaluation nach Abschluss an.
Zehn Praxen mit dabei
Im Raum Betzdorf/Kirchen und Wissen machen diese Arztpraxen mit: Kirchener Gemeinschaftspraxis, Gemeinschaftspraxis Theis & Ferdows-Theis (Wissen), Praxisgemeinschaft Mudersbach in der Poststraße, Internistische Praxis Hamm, Gebhardshainer Gemeinschaftspraxis, Praxiszentrum Betzdorf, Praxis Hammer & Partner (Elkenroth), Praxis Dr. Salveter (Wissen), hausärztliche Gemeinschaftspraxis Dr. Wahl & Dr. Krafft (Birken-Honigsessen) und MVZ Wiens (Hamm). Unter dem Strich sind es 22 Ärzte sowie 21 "Nichtärztliche Praxisassistenten" (NäPa). Zum Einsatz kommen 14 Technikrucksäcke und 5 geleaste Elektroautos (Renault Zoe).
Eine gute Ausstattung
"Das Konzept sieht gut aus, die Planung sieht gut aus, die Technik sieht gut aus", zog Dr. Volker Thielmann von der Kirchener Gemeinschaftspraxis und als Vertreter des Hausärzteverbandes Rheinland-Pfalz ein erstes Fazit, "den Rucksack können wir gebrauchen, der Inhalt ist richtig praktisch." Damit hatte er seine Meinung revidiert, denn zum Start der Initiative vor rund einem Jahr (die Corona-Pandemie hatte für eine Verschiebung des Auftaktes gesorgt) hatte er dieses Gedanken gehegt: "Nicht schon wieder so ein Pseudo-Innovationsding, was Zeit und Geld frisst." Schlüsselelement oder "Killerfeature", wie es Thielmann nannte, ist ein Tablet, über das die Kommunikation inklusive Datentransfer und Videotelefonie mit der Praxis/Arzt vonstatten geht. Zum Basispaket (Rucksack) gehören unter anderem ein Blutdruck-, ein Blutzuckermessgerät oder ein 12-Kanal-EKG. Stethoskop, Spirometer, Otoskop (alle auf digitaler Basis) sowie Verbrauchsmaterial ergänzen das durchaus individuell zusammenzustellende weitere Innenleben des handlichen Bündels. Als Technikpartner wirkt das Zentrum für Telemedizin (ZTM) aus Bad Kissingen mit, dessen Vertriebsleiter Dieter Ebinger näher auf die Ausstattung einging.
Digitalisierung als Chance
Der Einsatz der in der angestammten heimischen Praxis geschulten "Arzthelferinnen" richtet sich an chronisch kranke und wenig bis gar nicht mobile Menschen, die nicht mehr die Heimstatt ihres Doktors für regelmäßige Termine aufsuchen können. So fallen für Ärzte zunächst einmal viele Fahrten weg, da Dinge adhoc via neuer und fixer Verbindungen geklärt werden können. "Wir sehen die Digitalisierung als Chance", meinte Bätzing-Lichtenthäler. Die TMAs dürfen keine Rezepte ausstellen, das bleibt in Hoheit der Ärzte, wobei die schnelle Versorgung mit wichtigen Medikamenten laut Thielmann kein Problem darstellt. Jeder Patient muss zudem seine Einwilligung zur Teilnahme geben. Das Projekt entbindet seine Kollegen und ihn natürlich nicht von Hausbesuchen, die nach wie vor möglich sind und erforderlich sein können. Landrat Dr. Peter Enders begrüßte das Projekt "außerordentlich. Wir, die Ärzte und die Patienten werden profitieren". Franz-Josef Knoll, Geschäftsführer von Kazenmaier Fleetservice aus Karlsruhe, dem Leasingpartner für die Fahrzeuge, berichtete, dass die E-Mobiltät geradezu für den Sozialbereich dank "planbarer Strecken" gemacht sei. Über Nacht könnten die Fahrzeuge geladen werden. Zudem belaste die Nutzung eines E-Wagens den Fahrer nicht so wie bei herkömmlichen Autos. Abrundung am Rande: Ein Navi verhindert, dass sich TMAs in heimischen Gefilden verfahren. (hak)
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