Werbung

Nachricht vom 01.10.2020    

Stirbt der Westerwald den Hitzetod?

Von Helmi Tischler-Venter

Zum Beginn der Veranstaltungsreihe „Wald. Werte. Wandel – Klimawandelfolgen im Westerwald“ referierte Klimaforscher Dr. Ulrich Matthes, Leiter des Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen Rheinland-Pfalz zum Thema: „Der Klimawandel – Angekommen im Westerwald“. Die große Anzahl interessierter Besucher zeigte, dass der Nerv der Wäller getroffen wurde.

Monika Runkel und Dr. Ulrich Matthes. Fotos: Helmi Tischler-Venter

Hachenburg. Das Forstliche Bildungszentrum mit Sitz in Hachenburg als Veranstalter hatte den Vortrag eigens in den großen Kinosaal des CINEXX verlegt. Monika Runkel, Leiterin des Forstamtes Hachenburg fungierte als Moderatorin.

Stefan Leukel, Bürgermeister der waldbesitzenden Kommune Hachenburg stellte fest, das Thema Westerwald sei in aller Munde, denn die Folgen des Klimawandels seien nicht mehr zu übersehen. Sie werden sich in den nächsten Jahren noch dramatisch zeigen, da der Wald auch Trinkwasserspeicher, Sauerstoffproduzent, Luftfilter und Erholungsgebiet ist. Sein Appell: „Wir müssen und können vor Ort die Verantwortung übernehmen. Lassen Sie uns anpacken!“

Monika Runkel belegte am Beispiel früher aufgetretener Stürme, dass es niemals zuvor eine solche Katastrophe gab. „Wir wissen nicht, wie lange der Wald den Stress ober- und unterirdisch aushält.“ Sie fragte den Referenten: „Was kommt auf uns zu? In welchen Bereichen wird sich etwas verändern?“

Der Klimaforscher stellte zu Beginn seines Vortrags die provokative Frage: Der kühl-raue Westerwald bald oder schon Vergangenheit?“ Der Wandel ist in der Natur beobachtbar: Das Frühjahr beginnt früher, der Winter ist verkürzt, die Vegetationsperiode ist drei Wochen länger. Messungen zeigen, dass Rheinland-Pfalz überdurchschnittlich vom Klimawandel betroffen ist, die Wärmestufe „kühl“ ist schon fast verschwunden. Um 1,6 Grad ist die Durchschnittstemperatur im Land seit Beginn der Wetteraufzeichnungen angestiegen. Wir spüren auch die Zunahme von Sommertagen und heißen Tagen. Früher gab es maximal drei heiße Tage, heute sind es etwa zehn. Extremwetterereignisse treten gefühlt häufiger und intensiver auf. Trockenheit und Dürre verursachen Trockenstress, unsere Systeme können sich nicht mehr erholen! Wo die Reise hingeht, wissen wir nicht.

Dr. Matthes zeigte zwei Szenarien auf: Wenn wir das Paris-Ziel mit einem Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius schaffen, wird der Anstieg in Rheinland-Pfalz bis 2100 0,5 bis 1,5 Grad betragen mit den Folgen: Niederschlag geht zurück, das Bodenwasser noch mehr, bis zu 20 Prozent weniger Niederschlag in der Vegetationszeit bei längerer Vegetationsperiode, wahrscheinlich mehr extreme Wetterereignisse. Nach dem Motto „Weiter wie bisher“ wäre mit einem Temperaturanstieg sogar bis 4 Grad Celsius bei uns zu rechnen.

Die menschliche Gesundheit leidet zunehmend unter der Hitzebelastung, die Hitzemortalität nahm seit 1998 belegbar zu.

Die Baumarten Buche, Eiche, Kiefer, Tanne könnten im Westerwald überleben. Aber Extremwetterlagen können die Modelle ändern. Krankheiten und Schädlinge profitieren und es wandern neue ein, zum Beispiel Esskastanien-Gallwespe oder Eichenprozessionsspinner. Die natürliche Anpassung der Baumarten, wenn der Klimawandel nicht zu stark ausfällt, wird in Richtung Laubwald gehen, auch eine genetische Anpassung ist möglich. Der Wald wird anders strukturiert sein, es werden Abstriche beim Wachstum gemacht werden müssen, was ein Problem für die Holzindustrie darstellt.



Als Anpassung und Gegenmaßnahmen empfiehlt das Klimawandelinformationssystem Rheinland-Pfalz eine breite Palette möglicher Maßnahmen auf kommunaler Ebene, wie klimagerechte Stadtentwicklung nach den Farben Blau, Grün und Beige für Wasser, Pflanzen und Holz, weil klimafreundliches Bauen mit Holz etwa 30 Prozent CO² und viele umweltschädliche Materialien ersetzen hilft. Das Problem ist nach Dr. Matthes Erfahrung oft die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen. Daher sei es wichtig, die Öffentlichkeit mitzunehmen.

Mehr Trockentage sind aus touristischer Sicht zunächst positiv, aber die Schwületage nehmen stark zu. Schnee bleibt aus, Bäche und Seen trocknen aus und der Wald verliert sein beliebtes Grün. Wenn der Wald leidet, leidet auch der Mensch.

Gabriele Greis, Erste Beigeordnete der Verbandsgemeinde Hachenburg bedauerte den Verlust ihrer Heimat, denn der Westerwald verliert durch sterbende Wälder sein Gesicht, parallel dazu verlieren Menschen ihr Gesicht durch Masken. Greis hofft, dass Wohlstand erhalten bei weniger Ressourceneinsatz zukunftsfähig ist.

Marco Dörner, der Leiter der Verbandsgemeindewerke Hachenburg sieht ein großes Einsparungspotential an CO2 in Privathaushalten durch Fernwärme. Ihm ist wichtig, in der Bevölkerung das Bewusstsein zu stärken, dass Wasser und Energie nicht grenzenlos zur Verfügung stehen.

Bei der anschließenden Diskussion mit dem sehr interessierten Publikum wurde die Ambivalenz der Positionen deutlich: Einerseits wurde gefordert, die Wirtschaftlichkeit des Forsts müsse hinter die ökologischen Gesichtspunkte zurücktreten, andererseits wurde mangelnde Verkehrssicherung beklagt. Dazu erklärte Monika Runkel, die Kosten für die Verkehrssicherungspflicht blieben am Waldbesitzer hängen, während die einzige Möglichkeit, mit dem Wald Gewinn zu erzielen, die Holzentnahme sei.

Daraus wurde die Forderung abgeleitet, dass Waldbesitzer für die allgemeinen Funktionen des Waldes Geld beziehen müssten.

Runkel betonte zum Abschluss, man werde keine Experimente mit Baumarten machen, die aus Asien, Afrika oder Amerika kommen. Es wird vermehrt Eichen geben, denn die Eiche ist er Klimaxbaum des Mittelmeerregion. „Den Wunderbaum gibt es nicht! Jeder Baum braucht Wasser!“

Um Wasser wird es in einem weiteren Fachvortrag am 25. November gehen, zu dem Forstliche Bildungszentrum Rheinland-Pfalz einladen wird. htv


Feedback: Hinweise an die Redaktion

Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder):
       
 

Anmeldung zum AK-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Kreis Altenkirchen.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus Wirtschaft


Handwerkskunst aus Rosenheim: Metzgerei Hüsch überzeugt Jury der "Meisterstücke"

Die Metzgerei Hüsch aus Rosenheim hat bei der Frühjahrsprüfung des Wettbewerbs "Meisterstücke" mit ihrer ...

Insolvenzversteigerung eines Fenstermontage-Unternehmens am 12. April 2025

ANZEIGE | Wenn ein Unternehmen wie die Perfect Vertriebs GmbH insolvent wird, stellt sich die Frage, ...

NOW Investments übernimmt Mehrheit an Adik Fahrzeugbau GmbH in Mudersbach

Die NOW Investments Holding GmbH expandiert weiter im Bereich Feuerwehr- und Spezialfahrzeugbau. Mit ...

KONEKT Westerwald 2025: Jobmesse am 10. April in Rennerod

ANZEIGE | Wie finden Jobsuchende und Unternehmen im Westerwald zueinander? Die KONEKT Netzwerkmesse am ...

Ximaj & W&S Motorsport: Sieg bei NLS 2025 und starke Partnerschaft

ANZEIGE | Wie führt Technologie aus dem Westerwald zu Rennsiegen auf der Nordschleife? Die Kooperation ...

Erfolgreicher Auftakt des Digitalen Stammtisches in Altenkirchen

In der Verbandsgemeinde Altenkirchen fand die Premiere des Digitalen Stammtisches Westerwald/Sieg statt. ...

Weitere Artikel


Spannende Naturwerkstätten für die ganze Familie

In zwei neuen Naturwerkstätten des Jugendamtes der Kreisverwaltung Altenkirchen für kleine Forscher im ...

Im Ferienprogramm auf Gold- und Mineraliensuche

Für das kleine Herbstferienprogramm der Jugendpflegen der Verbandsgemeinden Kirchen und Betzdorf-Gebhardshain ...

BVMW-Webinar: Mitarbeiter-Weiterbildung gerade in der Krise

„Die Corona-Krise hat uns für unsere Veranstaltungen im Jahr 2020 ganz schön einen Strich durch die Rechnung ...

Gospelkonzert in Oberwambach

Am 18. Oktober findet in Oberwambach in der Kirche um 17 Uhr in der Kirchstraße ein Gospelkonzert mit ...

Positiver Corona-Fall am Westerwald-Gymnasium in Altenkirchen

Am Donnerstag, 1. Oktober, informiert das Kreisgesundheitsamt in Altenkirchen über einen weiteren Corona-Fall: ...

Spannende Verbindung von Kunst und Industrie in der Sayner Hütte

Die Bendorf-Sayner Eisenkunstgusshütte ist die kongeniale Galerie für die Landeskunstausstellung „FLUX4ART“, ...

Werbung