Autor Peter Probst erzählt vom Teenager-Sein im Jahr 1970
Von einem Buch, dessen Titel stolz verkündet „Wie ich den Sex erfand“, erwartet man natürlich viel. Aber in diesem Fall auch leicht das Falsche. Der Autor Peter Probst war in die Alte Schmiede des Stöffel-Park in Enspel zu einer Lesung geladen worden. Und er klärte einiges auf.
Enspel. Für diese Literaturmatinee hatte sich der Geschäftsführer Martin Rudolph, aber auch Heinz Fischer eingesetzt. Und der beliebte Lehrer a.D, bekannt durch die „Westerburger Gespräche“, nahm nun vor dem Publikum den Gesprächsfaden mit dem erfolgreichen Autor, der bereits mehr als 90 verfilmte Drehbücher geschrieben hat, auf.
Es war eine Matinee, die zu interessanten Einblicken in das Buch sowie in das Leben seines „Schöpfers“ führte. Die Hauptfigur, der etwa zwölf-jährige Peter, ist – trotz aller Unterschiede, wie Probst betont – zu einem nicht unbeachtlichen Teil sein Alter Ego aus der Teenagerzeit.
Der autofiktionale Roman „Wie ich den Sex erfand“ spielt im Jahr 1970 in Untermenzing (München). Die wichtigsten Elemente im Leben des Protagonisten Peter Gillitzer sind die Mutter Gottes und der katholische Glauben. Gleich darauf folgen die CSU und der Mangel an sexueller Aufklärung.
Mutter Gottes, Franz Josef Strauß und das Rätsel um den Sex
Es gibt einiges zum Schmunzeln: Der Glaube spielt eine große Rolle, ist aber auch Hort des Schreckens, als die Mutter Gottes Peter zu erscheinen droht. Da hilft ihm auch eifrigstes Ministrieren nichts. In der Schule will der unscheinbare Junge seinen Status revolutionieren, da müssen Strategien her. Doch seine Versuche, vor seinen Mitschülern als Draufgänger zu wirken, nehmen überraschende Wendungen. Wir erfahren, dass dann CSU-Politiker Franz Josef Strauß sein Idol wird und ihm einiges einflüstert. Wie nackte Erwachsene aussehen und was (unbefleckte) Empfängnis oder gar Porno bedeutet, das sind Rätsel, die die recht artige Romanfigur mit aller Hartnäckigkeit und Kreativität zu lösen versucht.
Wie diese Szenen beim Publikum ankommen, kann Peter Probst im Stöffel-Park live beim Vorlesen erfahren. Und solche Reaktionen erleben zu können, ein direktes Echo auf sein Schreiben zu bekommen, das sei ihm wichtig, sagt er. Besonders, da er kurz zuvor eine gespenstische Buchmesse erlebt hat, die in der Coronazeit ohne den üblichen Publikumsverkehr ablief.
Über das Nichtwissen entsteht das Schreiben
Anders als bei Lausbubengeschichten bleiben dem Leser die Ängste und Nöte, die den Jungen auf Schritt und Tritt begleiteten, nicht verborgen. „Man hätte die Geschichte auch traurig erzählen können“, stellt Heinz Fischer fest. Aber Probst schildert sie leicht, locker und humorvoll. Und: Ein Erotikroman ist es natürlich nicht. Der Teenager Peter aber muss den Sex zwangsweise (er-)finden, weil er in seiner Umgebung totgeschwiegen wird und nur merkwürdige Andeutungen, Wörter und Gefühle auf etwas Geheimnisvolles hinweisen.
Der Autor, 1957 in München geboren, setzt eine Geschichte um, die sich aus seinem eigenen Leben speist. „Die krassen Dinge stimmen, die dramaturgischen nicht“, erläutert Probst an das Publikum gewandt. Er wirkt übrigens so nett und zurückhaltend, dass man aufpassen muss, dass einem sein Witz und die feine Ironie nicht unbemerkt bleiben.
Von dem Vater, der als gläubiger Katholik sogar aktiv Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete, aber im Buch seinem Sohn kaum Zuneigung zeigen kann, übernimmt das gutgläubige Kind die Ablehnung gegen alles, was zu liberal scheint. Wer die Gottesmutter oder Strauß nicht liebt, kann in den Augen des Vaters kein guter Mensch sein. Schon die „Süddeutsche Zeitung“ zu lesen, ist suspekt.
Probst zeigt fast nebenbei, wie Menschen nur noch ihre eigene Meinung zulassen können, sie sich gedanklich festfahren. Dass sich das Dilemma auflösen kann, zeigt uns Peter – kurz nachdem er einen Hund namens Bakunin gekrault hat...
Zur Biografie beider Peter gehört auch der früher sehr berühmte Autor Otto Zierer. Im Roman ermuntert er Peter zum Schreiben. Und das ist für den Jungen ein Mittel, Dinge zu verarbeiten und sich die Welt zu erklären. „Über das Nichtwissen entsteht das Schreiben.“
Von Amelie Fried, Tatort und Publikumsresonanz vor Ort
„Ich spreche beim Schreiben“, verrät Peter Probst und dass er bei dem Roman, anders als sonst bei Drehbüchern, komplett in seiner Tätigkeit versank, was auch seine Frau Amelie Fried (Moderatorin und Autorin) strapazierte. Richtig anwesend war er nämlich nicht mehr. „Meine Frau war eifersüchtig, als hätte ich eine Geliebte“, sagt er neckisch. Die beiden sind seit 30 Jahren verheiratet. Und Probst betont: „Wir ergänzen uns super.“ Gemeinsam geben sie auch Workshops für Kreatives Schreiben.
Der Münchner ist nicht zuletzt durch seine Tatort-Drehbücher bekannt. Der satirische Beitrag „Wenn Frauen Austern essen“ zählt dazu, aber auch ein aktuell gedrehter mit Axel Milberg mit dem Titel „Borowski und die Angst der weißen Männer“, dessen Ausstrahlung noch aussteht.
50 Zuhörer durften an der Lesung teilnehmen. Trotz der nötigen „Corona-Schutzlücken“ war die Stimmung gesellig und angenehm in der Alten Schmiede. Heinz Fischer bedankte sich bei der Verbandsgemeinde Westerburg, dass sie den Mut hat, kleine Veranstaltungen dieser Art anzubieten, dankte dem Publikum und Martin Rudolph samt Team, der Buchhandlung Logo und vor allem: Peter Probst. Der bekam nochmals kräftigen Applaus, und ruckzuck war nach der Lesung der kleine Bücherberg weggekauft und seine Signatur von den Käufern ergattert.
Der Roman „Wie ich den Sex erfand“ ist übrigens auch als Hörbuch zu erwerben – gelesen von Christian Tramitz, der den Humor sicher bestens zum Tragen bringt. Und Probst verriet später: Es wird eine Fortsetzung des Romans geben!
Drei weitere Matineen folgen
• Richard Bargel bringt den Zuhörern „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ von Eric-Emmanuel Schmitt näher. Termin dieser zweiten Matinee in der Alten Schmiede ist am Sonntag, 8. November 2020, 11 Uhr.
• Horst Eckert, der „Großmeisters des deutschen Politthrillers“, ist am Sonntag, 22. November 2020, 11 Uhr, in Enspel zu Gast. Er liest aus seinem neuesten Krimi: „Im Namen der Lüge“.
• Mit Martin Steinmann kommt ein eher heimlicher Star des Stöffels auf die Bühne der Alten Schmiede. Er bietet etwas fürs Herz und zum Schmunzeln. Freuen Sie sich auf eine lockere Sonntagsmatinee am 13. Dezember, 11 Uhr.
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Auch für die weiteren Matineen bitte anmelden (mit allen Kontaktdaten). Der Eintritt beträgt 10 Euro, Kaffee und Wäller Kraneberger gibt’s umsonst. Jetzt anmelden per E-Mail an info@stoeffelpark.de oder unter Telefon 02661/9809800.
Mehr Infos: www.stoeffelpark.de oder www.waellerland.de. (Tatjana Steindorf)
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