Buchtipp: „Mittelalterliche Paläste und die Reisewege der Kaiser“
Von Helmi Tischler-Venter
Caspar Ehlers & Holger Grewe haben ein umfassendes Buch über bauarchäologische Forschungsergebnisse der Pfalzen im Rhein-Main-Gebiet herausgegeben. Die Pfalzen sind demonstrative Säulen der Macht für Könige und Kaiser, die ähnlich heutigen Politikern in ihrem Machtbereich ständig unterwegs waren. Die Infrastruktur des Reiches musste durch Herrscherbesuche in Königspfalzen und -höfen in bewältigbaren Distanzen kontinuierlich erneuert und erhalten werden.
Dierdorf/Oppenheim. Mit den Karolingern entwickelte sich im 8. Jahrhundert der Raum am Rhein zu einer Zentrallandschaft. Mainz, Ingelheim und Worms waren bis an das Ende des Hochmittelalters Stationsorte reisender Herrscher, in Frankfurt reichte die Tradition der Königswahl und Kaiserkrönungen sogar bis 1792.
Ausführlich beschrieben werden sieben Herrschaftsorte: die karolingischen Königspfalzen in Ingelheim und Frankfurt am Main, die staufische Königspfalz Gelnhausen, die staufische Königspfalz in Kaiserslautern, die salisch-staufische Reichsburg Oppenheim/Landskron, der karolingische Königshof mit der späteren staufischen Königspfalz Seligenstadt und die salisch-staufische Reichsburg Trifels bei Annweiler. Aus römisch-spätantiker Sicht handelt es sich um die Grenzregionen des vom Limes umschlossenen Gebiets längs des Rheins, des Rhein-Main-Gebiets inklusive einiger Teile des römischen Handlungsgebiets außerhalb des Limes. Mit dem Sieg der Karolinger über die Sachsen und der Kaiserkrönung Karls des Großen brachte das Bemühen um Integration des fränkischen Reiches auf den langen Reisewegen zwischen Aachen und Österreich, diese Region aus einer peripheren Stellung in den Mittelpunkt des Karolinger-Reiches. Ein Zentrum analog zum kirchlichen Rom gab es damals nicht.
In repräsentativen Königs- und Kaiserpfalzen wurden Reichsversammlungen und Synoden abgehalten. Auch in Zeiten der Abwesenheit von König und Hof waren diese Paläste Herrschaftszeichen.
Die bis heute eindrucksvollsten Zeugnisse wurden wohl in Ingelheim am Rhein archäologisch entdeckt: ein Halbkreisbau, der an das Trajansforum in Rom erinnert. Säulen symbolisieren den Thron und das Haus des Königs David. Als mit der Errichtung der Pfalzanlage begonnen wurde, wurde bereits bestehende merowingische Bebauung teilweise überbaut. Anhand von Ausgrabungen wurde ein Befundplan erstellt, der die Größe und Struktur der Pfalz veranschaulicht.
Sie gehört zusammen mit den Anlagen in Aachen, Nimwegen und Paderborn zu Palastgründungen Karls des Großen am Ende des 8. Jahrhunderts. Die Pfalzen lagen am Kreuzungspunkt wichtiger Fernstraßen dieser Epoche, auch an Barbarossas Pfalzen Gelnhausen und Kaiserslautern wird das deutlich. Seligenstadt war ein bedeutender Herrschaftsort zwischen staufischer „terra imperii“ und Mainzischem Stift. Noch heute bildet das Seligenstädter Dreieck einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt in Deutschland. Seit dem Herrschaftsantritt der Staufer wurden die Reichskleinodien auf der sehr sicheren Burg Trifels gehütet.
Der reich bebilderte Band repräsentiert anschaulich das ambulante Herrschertum zu Beginn des Mittelalters (8. bis 13. Jahrhundert) im Heiligen Römischen Reich. Erschienen ist das gebundene Buch im Nünnerich-Asmus Verlag, ISBN 978-3-96176-134-0. htv
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