81jähriger Steinebacher: 400 Fahrrad-Kilometer für Willy Brandt und Frieden
Von Daniel-David Pirker
Hermann Reeh, mittlerweile 81 Jahre alt, tritt wieder in das Pedal für gewaltlose Konfliktlösung und gegen Rüstungswettlauf. In verschiedenen Etappen steuert der nimmermüde Aktivist Stationen an, die aus seiner Sicht Frieden stiften – oder Krieg fördern. Der Anlass: der Warschauer Kniefall Willy Brandts, der die Biografie des Steinebachers tief geprägt hat.
Gebhardshain/Steinebach. Der Friedensaktivist Hermann Reeh begibt sich wieder mit seinem Fahrrad auf Friedenstour. Es ist nicht das erste Mal, dass der Lehrer im Ruhestand mit einer solchen Aktion für sein Anliegen wirbt. Doch wieso startet der fitte Senior ausgerechnet heute, am 7. Dezember?
Schlägt man die SPD-Chronik von 1993 zu 100 Jahren Sozialdemokratie im Gebhardshainer Land auf, bleibt man unweigerlich an einem Foto hängen. Es zeigt den Vorsitzenden, der die Geschicke des politischen Ortsvereins in der zweiten Hälfte der Siebziger maßgeblich prägen sollte: Hermann Reeh stolz angelehnt an seinem „liebsten Fahrzeug“, wie es in der Bildunterschrift heißt – seinem Fahrrad.
Seitdem hat sich politisch viel geändert. Der SPD-Ortsverein ist etwa vor einiger Zeit mit Betzdorf verschmolzen. Aber Hermann Reeh scheint sich kaum verändert zu haben. Nicht nur äußerlich. Laut der Partei-Chronik stand für ihn SPD für „Selbständig Politisch Denken“. Aktiv ist der mittlerweile 81-Jährige schon lange nicht mehr in der Partei. Doch ein selbständiger Denker ist er bis heute.
Sein damaliger politischer Einsatz hat ihn bis heute tief geprägt. Seit vielen Jahren hat er sein Engagement hin zum Betzdorfer Weltladen verlagert. Den Anschub für Reehs Parteieintritt gab eine Geste des damaligen ersten SPD-Bundeskanzlers Willy Brandts vor genau 50 Jahren (7. Dezember 1970): der ikonische Kniefall vor dem Ghetto-Denkmal in Warschau. Für Reeh war diese mittlerweile historische Geste, mit der Brandt demonstrativ um die Vergebung für die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg die Weltöffentlichkeit bitten wollte, der Ausschlag für seinen Parteieintritt. Und noch viel mehr.
Schon vor 1970 hatte er sich laut eigener Aussage intensiv mit dem Naziregime, dem Zweiten Weltkrieg und der Verfolgung und Vernichtung des jüdischen Volkes befasst. Auch die Besatzungspolitik der Nazis, insbesondere in Polen und der Sowjetunion, war ihm bekannt.
Für Reeh steht Brandt offenbar wie wenige andere für Frieden, wie er nun deutlich machte beim Start seiner neuen Friedenstour. Diesmal ist er privat unterwegs. Die Ziele? Immer noch hoch. Diverse Stationen will Reeh in mehreren Etappen ansteuern. Beispielsweise die Hardthöhe in Bonn, den ersten Dienstsitz des Verteidigungsministeriums, Deutsche Eck, wo „ein Kriegsherr verehrt wird“ (Reeh über das Reiterstandbild Kaiser Wilhelm I.) oder das Atomwaffenlager in Büchel (Eifel).
Auch Spenden sollen wieder gesammelt werden, dieses Mal für zwei Hilfsprojekte von Misereor (Solarenergie für Krankenhäuser in der Republik Kongo, Friedenserziehung in Schulen des Südsudan). Pro gefahrenem Kilometer steuert die Volksbank Gebhardshain einen Euro bei. Der bei dem Tourstart anwesende Bankvorstand Manuel Weber war übrigens selbst einmal Schüler von Reeh – und kann sich heute noch erinnern, wie sein Lehrer ihm beibrachte, selbständig zu denken.
Aber nicht nur Spenden will Reeh sammeln. Im Gepäck hat er auch eine Unterschriftenliste. Jeder, der sich darauf einträgt, unterstützt einen Appell, wonach Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten soll. Das Abkommen tritt im Januar 2021 in Kraft. Die meisten Atomwaffenstaaten, aber auch alle NATO-Mitglieder und damit auch Deutschland, lehnen einen Beitritt zum Vertrag ab. Die Bundesregierung will damit die nukleare Abschreckung aufrechterhalten.
Das Ziel von Reeh sind 100 Unterschriften. Eine Kopie der Listen will er an die Bundestagskandidaten der Region übergeben. Die Politiker können sich wahrscheinlich jetzt schon sicher sein: Sollten sie nicht selbst unterschreiben, müssen sie dies gegenüber dem hartnäckigen Steinebacher gut begründen. (Daniel Pirker)
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