Einzelhandel und Corona im Kreis Altenkirchen: „Exorbitantes Minus“
Von Daniel-David Pirker
Die Einzelhändler dürfen im Gegensatz zur Gastronomie ihre Geschäfte im zweiten Lockdown zumindest bis auf Weiteres geöffnet halten. Aber die Pandemie trifft auch die Läden hart, wie bei einer Talkrunde der Industrie- und Handelskammer deutlich wurde. Woran leiden die Inhaber besonders? Und wieso sind manche von ihnen von der Politik enttäuscht?
Wissen/Kreisgebiet. Dass der Einzelhandel unter der Coronakrise leidet, überrascht nicht. Die regionale Industrie- und Handelskammer (IHK) wollte bei einer Gesprächsrunde in Wissener Modegeschäft „Lady Chic“ von ausgewählten Ladenvertretern aus dem Kreisgebiet erfahren: Wie sehr belastet sie die Pandemie? Wie gehen sie mit den Herausforderungen um? Und: Welche Forderungen haben sie an die Politik?
Drängende Fragen, wie eine aktuelle Umfrage verdeutlicht, die Florian Göttlich von der IHK Koblenz vorstellt. Demnach rechnen nur ein Drittel der befragten Einzelhändler stabile oder gar wachsende Umsätze im Zuge der Pandemie – die übergroße Mehrheit befürchtet Einbrüche im Geschäft. Das können die meisten Talk-Teilnehmer nur bestätigen.
„Es fehlt die Leichtigkeit“
Volker Hammer von Intersport in Altenkirchen konnte zwar mehr Laufschuhe verkaufen. Doch Bademode-Artikel haben sich beispielsweise zum Ladenhüter entwickelt. „Insgesamt gehen wir mit einem Minus raus“, sagt der Geschäftsinhaber. Christoph Burghaus vom Betzdorfer Traditionsmodehaus rechnet sogar mit einem „exorbitantes Minus“, tief im zweistelligen Bereich. Zwar konnte sich sein Geschäft mit jedem Sommermonat immer ein bisschen mehr zurückkämpfen. Aber die Umsätze konnten bei weitem nicht mit dem Vorkrisenniveau mithalten.
Der derzeitige Lockdown habe die Situation laut Burghaus nun drastisch verschärft. Denn: Gerade ältere Kunden blieben dem Geschäft aus Angst vor Ansteckung fern. Ein weiterer Grund: Es fehlten einfach die Anlässe für das Tragen von hochwertiger Mode. Beispiel: Wenn Hochzeiten verschoben werden, warten Kunden mit dem Kauf von Anzügen. Hinzu kommt: „Es fehlt die Leichtigkeit“ beim Einkaufen. Die Kunden wüssten momentan schon vor dem Ladenbesuch ganz genau, was sie wollen – und scheinen, nachdem sie das gewollte Produkt gefunden hätten, dann auch schnell wieder verschwunden.
Klar ist: Bereits vor der Krise stand die Branche unter enormen Druck, auch wegen der wachsenden Konkurrenz durch Online-Riesen wie Amazon. Darüber waren sich die Einzelhändler einig.
„Politik hat Angst vor Verdi“
Enttäuscht zeigten sich viele Gesprächsteilnehmer von der Politik mit Blick auf das Ladenöffnungsgesetz. Momentan sind nur vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr erlaubt, die dazu nur zu bestimmten Anlässen stattfinden dürfen. Doch: Die Werbegemeinschaften stelle das Schaffen dieser Anlässe vor große Herausforderungen, wie Volker Hammer erklärt. Gerade in dieser prekären Situation hätten mehr verkaufsoffene Sonntage Entlastung versprochen. Und dies, obwohl keine zusätzlichen Kosten entstünden.
Seit sechseinhalb Jahren sei er zu diesem Thema im Austausch mit den Landtagsabgeordneten Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Hendrik Hering (beide SPD). Der Wille sei vorhanden, gesteht Hammer den Politikern zu. Aber die Umsetzung ließe auf sich warten. Die Vermutung des Unternehmers: „Die Politik hat Angst vor Verdi.“ Auch Fabian Göttlich von der IHK plädierte für vereinfachte Ladenöffnungszeiten. Spätestens mit Blick auf das Frühjahr sei hier die Landesregierung gefragt, pragmatische Lösungen zu finden.
„Keine hängenden Köpfe“
Schieben die Einzelhändler die Verantwortung also auf die Politik ab? Nein. Lesen Sie heute Abend (10. Dezember), wie die Unternehmer selbst für ihre Zukunft kämpfen; wieso Schüler der Berufsbildenden Schule in Wissen hier eine wichtige Rolle einnehmen könnten; und wieso IHK-Regionalgeschäftsführer Oliver Rohrbach keine „hängenden Köpfe“ in der Runde ausmachen konnte. (Daniel-D. Pirker)
Lokales: Wissen & Umgebung
Jetzt Fan der AK-Kurier.de Lokalausgabe Wissen auf Facebook werden!