Corona-Impfzentrum in Wissen ist einsatzbereit
Die einen tun es bereits, die anderen müssen noch warten: Während die USA, Kanada oder Großbritannien schon den Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer einsetzen, ist in Deutschland Geduld gefragt. Die offizielle Zulassung durch die Europäische Arznei-Mittelagentur (EMA) soll bis Monatsende erfolgen. Das Immunisieren gegen Covid-19 könnte im AK-Land dagegen schon jetzt beginnen. Das Impfzentrum in Wissen kann termingerecht (Deadline 15. Dezember) seine Arbeit aufnehmen.
Kreis Altenkirchen. Die Vorgaben sind erfüllt, die räumlichen Voraussetzungen geschaffen: Das Impfzentrum für den Kreis Altenkirchen im Kampf gegen die Corona-Pandemie ist betriebsbereit. Das nützt aber momentan nicht allzu viel, denn das Vakzin der Firmen Biontech und Pfizer ist noch gar nicht für die Europäische Union zugelassen - im Gegensatz zu Ländern wie den USA, Kanada oder Großbritannien. Grünes Licht möchte die Europäische Arznei-Mittelagentur (EMA) bis Ende des Monats geben, wobei deutsche Politiker sich inzwischen stark machen, den Genehmigungsprozess zu beschleunigen. Bleibt es bei dem Fahrplan, könnten im AK-Land "um die Jahreswende", wie es Landrat Dr. Peter Enders am Dienstagmorgen (15. Dezember) formulierte, die ersten Dosen des Serums in der oberen Etage der Westerwald Bank in Wissen gespritzt werden. Auf diesen 480 Quadratmetern (Kuppel- und Europasaal, Trauzimmer und weiterer Besprechungsraum), die eigentlich von der Verbandsgemeinde Wissen angemietet sind, ist in den zurückliegenden Wochen eifrig gewerkelt worden, um die Vorgaben des Landes Rheinland-Pfalz für das kreisweite Impfzentrum zu erfüllen.
Ein Einbahnstraßensystem
Der Ablauf der Impfungen gründet sich, so Peter Deipenbrock, Abteilungsleiter Ordnung und Verkehr der Kreisverwaltung und für die Koordination des Impfzentrums zuständig, auf ein Einbahnstraßensystem, um Abstands- und Hygieneregeln gerecht zu werden. Der Eingang befindet sich im Erdgeschoss mit "Empfang", in dem die "Patienten" einen ersten Teil der administrativen Vorgaben erledigen müssen. Über das Treppenhaus oder den Aufzug gelangen sie in das Herz der Immunisierungseinheit mit zwei Impfstraßen, Aufklärungs-, Ruheräumen und weiteren Bereichen, die teils mit extra eingezogenen Zwischenwänden entstanden sind. Selbst die große Kühleinheit (der Impfstoff muss bei minus 70 Grad Celsius gelagert werden) ist bereits an Ort und Stelle. Der Ausgang ist über eine kleine Terrasse und eine Außentreppe möglich (bei Bedarf auch per Aufzug). "Gründlichkeit vor Schnelligkeit" lautete Deipenbrocks Devise und war sich sicher, "dass wir aus dem gesamten Prozess auch lernen werden". Laut Enders trägt das Land die Kosten für die Umgestaltung, die von heimischen Firmen vollzogen wurde, und die Miete. Die Wahl als Standort war auf Wissen wegen seiner zentralen Lage im Kreis gefallen. In der Stadt an der Sieg hatten zudem noch das Kulturwerk, das aber weiterhin für Veranstaltungen zur Verfügung stehen soll, und das ehemalige Katasteramt (keine Einbahnstraßenmöglichkeit) zur Auswahl gestanden. Das gute Belüftungssystem habe zudem ebenfalls für das Obergeschoss der Westerwald Bank gesprochen, ergänzte Heinz Uwe Fuchs, der Leiter des Gesundheitsamtes.
Personalbedarf ist groß
Die Infrastruktur ist komplett, das Personal, das viele Köpfe umfassen muss, steht in weiten Teilen Gewehr bei Fuß. Dazu zählen Ärzte, die die Aufklärungsgespräche vor den Pieksen führen, die medizinischen Fachangestellten, die die Impfungen vornehmen, die pharmazeutischen Fachangestellten, die die Spritzen vorbereiten, die Kräfte, die sich um die administrativen Dinge kümmern, Security-Personal, Hausmeister und Reinigungskolonne. "Dienstpläne haben wir noch nicht erstellt", sagte Enders, der sich freute, dass sich, auch dank "seines guten Netzwerkes", zahlreiche Ärzte (viele Ruheständler eingeschlossen) mit unterschiedlich zur Verfügung stehendem Zeitrahmen (von uneingeschränkt bis sehr, sehr eingeschränkt) nach Erhalt von Anschreiben zur Mitarbeit gemeldet hätten. Wie viele Menschen pro Woche tatsächlich durchgeschleust werden könnten, hänge entscheidend von der Zahl der gelieferten Dosen ab. Nach einer ersten Planung könnten bis zu zehn Impfungen pro Stunde und Impfstraße möglich sein. Derzeit gehen die Verantwortlichen davon aus, dass an fünf Tagen pro Woche in Schichten von bis zu acht Stunden täglich "gespritzt" wird. Wer beide Injektionen erhalten hat, dem wird ein Zertifikat ausgehändigt. In existierenden Impfausweisen werden die beiden Einstiche in den Oberarm nicht vermerkt.
Zwei Spritzen in drei Wochen
Zunächst einmal erhalten diejenigen den Schutz in zwei Schritten (drei Wochen Abstand zwischen erster und zweiter Spritze), wie es die Prioritätenliste mit ihren sechs Untergruppen vorsieht. Die Aufforderung zur Teilnahme werde wahrscheinlich öffentlich auf "geeignete Art und Weise" erfolgen, meinte Enders, im Anschluss müssten die Mitglieder der einzelnen Risikogruppen sich noch persönlich anmelden, um jeweils einen Termin zu erhalten. Enders, Fuchs und Deipenbrock gingen davon aus, dass sich im AK-Land zwischen 45.000 und 50.000 Menschen ab 16 Jahren immunisieren lassen. Für das Absolvieren des "Parcours" wird mit rund einer Stunde gerechnet. Ein Probelauf mit Statisten ist für den 28. Dezember geplant. Trotz des sich abzeichnenden Impfbeginns bleiben viele Unwägbarkeiten. So vermutete Enders, dass sich mobile Teams, die sich nicht aus dem "Stammpersonal" des Impfzentrums rekrutieren, um Heimbewohner kümmern werden. Nicht beantwortet scheint derzeit die Frage, wie Menschen, die zuhause leben und nicht mehr mobil sind, in den Genuss der vorbeugenden Maßnahme kommen. Wann das Impfzentrum überflüssig wird, weil Hausärzte diesen Part übernehmen, konnte niemand einschätzen. Inzwischen aufgekommene Kritik am Standort wegen teils langer Anfahrtswege (Willroth oder Niederschelderhütte) und klarem Reglement, dass sich Einwohner des Kreises nicht jenseits der Grenze impfen lassen dürfen, konterte Enders: "Wir dürfen in dieser Situation wenig Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten nehmen."
Zentralität bietet Vorteile
Für den Hausherr, Dr. Ralf Kölbach, Vorstand der Westerwald Bank, war es eine Selbstverständlichkeit, dass das Unternehmen uneingeschränkt dem Ansinnen der Stationierung eines Impfzentrums gegenüberstand. Er betonte die Verantwortung auf regionaler Ebene. Die Zentralität biete viele logistische Vorteile, sagte Berno Neuhoff als Bürgermeister der Verbandsgemeinde und Stadt Wissen, der nunmehr Sitzungen, Besprechungen und Trauungen im Kulturwerk ansetzt. Es gebe gute Parkmöglichkeiten und den Regiobahnhof für diejenigen, die mit dem Zug anreisen müssen. Er könne sich beim Landkreis und der Westerwald Bank nur bedanken. Er warb für Vertrauen in den Impfstoff, die Skepsis müsse beiseite geschoben werden. Neuhoff hob die gute Unterstützung des Gesundheitsamtes hervor, nachdem sich seine komplette Familie mit dem Virus infiziert hatte. "Sie haben einen sehr guten Job gemacht", richtete er das Lob an Fuchs. (hak)
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