Ich muss mal raus!
SATIRE | Das Bedürfnis nach Kontakten mit anderen Menschen treibt einen Rentner zur Verzweiflung und der Erkenntnis: „Ich muss mal raus!“ Schnell gedacht, aber gar nicht so einfach umzusetzen. Eine Satire von Harald Winkel.
Region. „Der Drang, mal wieder unter Menschen zu sein, veranlasst mich die selbst auferlegte Isolation zu durchbrechen und eine Einkaufstour zu unternehmen. Aber wohin? Der Baumarkt, in dem ich mich stundenlang, ohne etwas zu kaufen, aufhalten kann, ist geschlossen – nur Online-Bestellungen sind möglich, aber das ist uninteressant, weil man nichts in den Händen halten kann und auch nicht die Nähe anderer Menschen spürt.
Was bleibt?
Supermarkt – da gibt es Weihenstephan Butter für 1,07 Euro. Also – nichts wie hin! Ich schlendere, obwohl wegen eines Päckchens Butter nicht nötig, mit Einkaufswagen, der ist wegen des Abstandes aber empfohlen, durch die Gänge und gönne mir an die Zeit der leeren Regale denkend noch eine Packung Toilettenpapier, obwohl ich eigentlich zu Hause keinen Platz mehr dafür habe. Im Nu sind auch noch andere Teile im Einkaufswagen gelandet, so dass an der Kasse 24,38 Euro zusammengekommen sind. Die Fahrt hat sich also doch gelohnt. Fragt sich nur – für wen? Zu Hause stelle ich nämlich fest, die Weihenstephan Butter für 1,07 Euro habe ich vergessen.
Ich muss mal raus – aber ohne Maske!
Raus aus den eigenen vier Wänden, aber ohne Maske – aber welche Möglichkeiten gibt es da? Ein Spaziergang oder eine Fahrradtour bieten sich an. Bei einer Wandertour zu Fuß könnte man ja jemanden treffen, den man kennt und mit dem man sich unterhalten könnte. Ich habe aber keine Maske dabei und weiß auch nicht, ob mein Gegenüber zu einer Unterhaltung mit einem maskenlosen Mitmenschen bereit ist – die Angst ist in dieser Zeit ja groß. Außerdem wollte ich mal keine Maske sehen und auch nicht über Corona reden. Also hole ich mein E-Bike und hoffe für zwei Stunden abgelenkt zu werden und nicht in irgendeiner Form an das die Schlagzeilen beherrschende Thema erinnert zu werden.
Die Waldwege sind rutschig und von den Holz-abfahrenden Betrieben in keinem guten Zustand hinterlassen, sodass ich mich für befestigte Wege entscheide. Ein Nachbarort muss durchquert werden und da sind sie wieder – die Maskenmenschen. Vor einer Apotheke hat sich eine Schlange gebildet – Menschen mit Masken begegnen mir schon nach drei Kilometern. Schnell lasse ich diese im Jahr 2020 normale Situation hinter mir und erreiche den gewohnten geteerten Feldweg und befahre dann einen befestigten Waldweg, auf dem mir zwei Radfahrer entgegenkommen – allerdings ohne Maske.
Die Strecke, die ich zurücklege, kenne ich bereits und wundere mich, dass sich die Anzahl der Wegwerfprodukte (Coffee to go Becher, ein Turnschuh, eine Utensilienbox, Arbeitshandschuhe) am Wegesrand scheinbar nicht erhöht hat. Liegt wohl daran, dass auf Grund von Straßenbauarbeiten die Straße für den Autoverkehr zeitweise gesperrt ist.
Kaum habe ich diesen Streckenabschnitt verlassen, taucht das gewohnte Bild am Straßenrand wieder auf: Getränkedosen, Bier- und Plastikflaschen, die, wenn man jeden Tag vier Pfanddosen oder eine entsprechende Anzahl an Pfandflaschen sammeln würde, das Einkommen im Jahr um 365 Euro erhöhen könnten.
Vor einigen Minuten habe ich das Haus meines Tenniskollegen Günther passiert und nur noch sieben Kilometer bis nach Hause liegen vor mir, da werde ich wieder mit Corona konfrontiert. Mehrere blau schimmernde Schutzmasken liegen auf einem Acker, der wohl schon bestellt und nun mit diesem Coronaprodukt gedüngt wurde. Die Quer- oder Leerdenker waren dies bestimmt nicht. Wie hirnlos muss man sein, um der Umweltverschmutzung nun auch noch die Krone aufzusetzen?
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Im Rückblick: Weihnachten 2020 – trotz Corona schön!
Heiligabend. Der Weihnachtsbaum steht und wird wie immer schön geschmückt, dieses Mal in Rot, mit einigen Strohsternen, aber ohne natürliche Kerzen, die könnten im Corona- und Borkenkäferjahr zu schwer für die Äste sein. Dann freut man sich auf den Abend, der nur etwas von Covid 19 beeinflusst wird.
Die jährliche Runde ist schon seit einigen Jahren durch den natürlichen Lebenslauf dezimiert und nur auf Tante Hetti mussten wir verzichten, denn die blieb im Seniorenheim. So gab es diesmal ein Heiligabendmenü für drei Personen in drei Gängen. Die Tochter hatte in diesem Jahr, geleitet von der Kulturhauptstadtwahl 2025, sich für ein sächsisches Essen entschieden – famos. Animiert von der schönen Tischdekoration und einer bevorstehenden Fotosession waren wir auch ein wenig festlich gekleidet. Es war wie immer, bis auf die fehlenden Eltern, Schwiegereltern und Tante Hetti, ein schöner Abend ohne Fernsehen.
Dem 1. Weihnachtstag sahen wir entspannt entgegen, denn die üblichen Besuchsabläufe fielen in diesem Jahr aus und man konnte sich in Ruhe dem Fernsehen ergeben, ein Buch lesen oder sich ausgiebig den Weihnachtsgeschenken widmen, wie zu Kinderzeiten. Mit einem neuen I-Phone kann man sich stundenlang beschäftigen, was mich an meine Trix Eisenbahn erinnerte. Da das traditionelle Weihnachtsessen in einem Restaurant wegen des Lockdowns nicht möglich war, erübrigten sich auch gleich mehrere Fragen: „Was ziehe ich an?“ und „Wohin fahren wir hinterher zuerst?“
Auf Grund des späten Frühstücks wurde das Mittagsessen auf den Abend verschoben. Tochter Sonja hatte ein Weihnachtsmenü to go vom Sternerestaurant aus Limbach organisiert und damit eine gewisse Restaurantatmosphäre geschaffen. Tischdekoration und Weihnachtsbaum ergänzten das festliche Essen. Der Jogginganzug als Kleiderwahl und Home-Office-Sachen auf der Fensterbank störten da überhaupt nicht – wir waren ja unter uns.
Der 2. Weihnachtstag gehörte auch ganz uns! Tante Hetti hatte zwar Geburtstag, eine Feier gab es aus den bekannten Gründen nicht und das weihnachtliche Mästen erlebte einen weiteren Lockdown, der Körper dankt es. Blöd, dass den Feiertagen noch ein Sonntag folgte, wieder so ein zur Bewegungslosigkeit neigender Tag.
Weihnachten war dieses Jahr anders – aber doch schön.
Ein frohes „Neues Jahr!“
Silvester war diesmal in kleiner Runde, aber dennoch ganz nett und zum Jahreswechsel gab es doch noch einige Raketen. Hoffnungsvoll startete ich in das Jahr 2021 und sah die durch Corona verursachte Ruhe dahinschwinden. Der achtzigste Geburtstag eines Tenniskollegen forderte wieder einmal meine Kreativität und so entstand ein Corona-Abstandsschläger von 1,80 Metern Länge. Bereits während der Herstellungsphase des außergewöhnlichen Geschenks ereilten mich Nachrichten, die das neue Jahr nicht besonders erfreulich beginnen ließen. Trump erschien wieder auf der Bildfläche und wetterte erneut über Wahlmanipulation und -fälschung, dabei hatte ich mich so gefreut ihn nicht mehr sehen zu müssen. Innenpolitisch schaukelte sich Impfpannengeplänkel hoch und schlug mir auf den Magen. Ein Spahn im Kritikwahn – als gäbe es keine anderen Probleme. Dann folgte aber der Höhepunkt, die Erstürmung des „Weißen Hauses“ durch mutierte Trump-2020-Infizierte. Nun kann es nur noch besser werden!“ (Harald Winkel)
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