Interview mit Mentaltrainer Michael von Kunhardt zum Thema Corona-Blues
Von Helmi Tischler-Venter
Die Corona-Pandemie belastet die Menschen. Sozialkontakte sind stark eingeschränkt, die Angst um Beruf und Familie verbreitet sich immer stärker. Während der Krise stieg der Krankenstand in der Region deutlich an.
Region. Psychische Erkrankungen nahmen exponentiell zu. (Wir berichteten.) Selbsthilfegruppen können sich nicht treffen, Volkshochschulveranstaltungen nicht mehr stattfinden.
Wir befragten den Buchautor und Mentaltrainer Michael von Kunhardt, der bei Limburg eine Akademie leitet, die Motivation und Spitzenleistung generiert, nach Möglichkeiten dieser bedrohlichen Negativspirale zu entkommen und sich selbst zu motivieren.
Kurier: Sie sind Mentaltrainer von Profisportlern, Nationalmannschaften und Olympiasiegern. Zuvor waren Sie selbst Sportler. Sport setzt bekanntlich Endorphine frei. Aber woher nimmt ein unsportlicher Mensch seine Motivation?
Michael von Kunhardt: Motivation ist nicht zwangsläufig an Sport gekoppelt. Beim Thema Motivation unterscheiden wir die extrinsische und die intrinsische Motivation. Bei der extrinsischen Motivation kommt die Motivation von außen, z.B. durch eine Beförderung im Job, durch, Lob, Wertschätzung, Anerkennung oder Geld. Bei der intrinsischen Motivation handelt es sich um die Motivation von innen. Faktoren für diese Motivation sind zum Beispiel Sinn, Enthusiasmus, Freude, Interesse, Selbstwirksamkeit, Entwicklung sowie stimmige Visionen und Ziele, die auf den vorgenannten Paramatern basieren. Letztlich wird die intrinsische Motivation immer bedeutender sein als die extrinsische Motivation, da sie uns durch Täler sowie bei Hindernissen und Rückschlägen unterstützt weiter zu machen und dran zu bleiben.
Kurier: Kann man sich Mut und Selbstvertrauen selbst beibringen, wenn man ohne diese Eigenschaften aufwächst?
Michael von Kunhardt: Ja – das geht natürlich. Mit Sicherheit lässt sich das Selbstvertrauen jedoch schneller und wahrscheinlich auch stärker aufbauen, wenn diese Menschen sich professionelle Unterstützung, zum Beispiel durch einen Coach, holen. Generell bin ich übrigens der Ansicht, dass jeder Mensch einen Coach haben sollte. Das würde allen Gesellschaften und Kulturen sehr gut tun.
Kurier: Mehr Menschen als zuvor leiden während der Pandemie unter Depressionen. Wie kommen sie aus dem Tal wieder heraus?
Michael von Kunhardt: Indem sie
1. zunächst die Situation akzeptieren wie sie ist.
2. Sich bewusst entschließen und sich auch daran halten, sich nicht mehr zu bejammern > also „Raus aus der Opferrolle"
3. Sich die Frage stellen „was ist der Gewinn durch diese Situation?" > Chancenorientierung!
4. Sich helfen lassen.
5. Handeln!
Übrigens: Unser Team, mich persönlich hat Corona natürlich auch frontal in unserer Berufsausübung zunächst getroffen. Wir haben genau die fünf aufgeführten Schritte abgearbeitet, sind wieder in einen sehr guten Modus gekommen und blicken sehr zuversichtlich in 2021. Ich bin sicher, dass wir in den kommenden Jahren eben durch Corona einen großen Sprung nach vorne machen werden.
Kurier: Es heißt immer, dass man aus Fehlern lernt. Das ist nachvollziehbar. Aber die Corona-Bedrohung ist kein selbstverschuldeter Fehler. Wie geht man am besten mit solchen globalen Gefahren um?
Michael von Kunhardt: Wir Menschen haben generell etwas zu lernen. Somit tragen wir alle einen Teil der Verantwortung mit. Und weil es völlig normal ist, dass es seit Jahrtausenden spätestens alle paar Jahrzehnte eine mittlere oder größere Katastrophe gibt (meistens durch Menschen verursacht), sind wir jetzt eben auch mal an der Reihe. Das ist ein ganz üblicher Rhythmus. Wir sollten uns dabei nicht zu wichtig nehmen und schon gar nicht denken, dass wir es besonders schwer haben. Die meisten Menschen, zum Beispiel in West-Europa, sind sehr verschont aufgewachsen. Seit 75 Jahren ohne Krieg- das gab es noch nie! Was haben wir ein Glück. Mir persönlich genügt alleine dieser Gedanke schon, um mir wegen Corona nicht die Laune verderben zu lassen, auch wenn es natürlich schlimm ist, wenn zum Beispiel in einer Familie jemand durch Corona stirbt.
Insgesamt benötigen wir viel mehr Resilienz, also geistige und am besten auch körperliche Elastizität und Flexibilität, um bei Schwierigkeiten und ungeplanten Herausforderungen agil zu sein. Also ist es das Beste, zunächst an der eigenen Haltung zu arbeiten.
Kurier: Man kann sehen, dass sensible, empathische Menschen unter dem Kontaktverbot besonders leiden. Was empfehlen Sie denen?
Michael von Kunhardt: Ich empfehle, dass diese Menschen sich vertrauensvoll mitteilen und aktiv Hilfe suchen. Ansonsten ist auch hier generell wieder mein oben erwähnter fünf-Punkte-Ansatz sicherlich hilfreich. Es ist in jedem Fall wichtig, aktiv zu bleiben beziehungsweise jetzt erst recht aktiv zu werden. Es gibt sehr wohl noch zahlreiche Kontaktmöglichkeiten, ob in den Familien, bei einem gemeinsamen Spaziergang oder eben auch virtuell.
Kurier: Haben Sie spezielle vorbeugende Tipps, damit der Corona-Blues gar nicht erst zuschlagen kann?
Michael von Kunhardt: Ja – seien Sie dankbar für das Gute und entscheiden Sie sich ganz bewusst, die Ihnen noch zur Verfügung stehende Lebenszeit eben bewusst, dankbar und mit Freude zu genießen. Ich sage gerne auch: Weil ich natürlich weiß, dass das Leben sehr, sehr begrenzt ist, habe ich weder Zeit für noch Lust auf schlechte Laune. Und das gilt auch bei der aktuellen Corona-Thematik. Ich bin übrigens sehr überzeugt, dass wir Menschen eine riesengroße Chance haben, aus der Corona-Zeit extrem viel zu lernen. Und ich freue mich jetzt schon darauf, wenn wir wieder uns wieder so begegnen können wie es für uns vor Corona selbstverständlich war. Das wird eine Explosion an Lebensfreude geben, weil wir diese Freiheit dann hoffentlich mehr wertschätzen!
Weitere Informationen und Hilfe unter www.vonkunhardt.de. htv
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