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Nachricht vom 13.02.2021    

Online-Diskussion: Wie Innenstädte wieder belebt werden können

Es ist keine Entwicklung, die von der Corona-Pandemie in Schwung gebracht wurde. Vielmehr darben seit Jahren die Innenstädte von Mittel- und Unterzentren mangels Kundenfrequenz, befindet sich der lokale und inhabergeführte Einzelhandel auf dem absteigenden Ast, nehmen die Leerstände zu. Auf der anderen Seite verzeichnen die großen Händler, die ihre Waren im weltweiten Netz anbieten, enorme Zuwächse bei Umsatz und Gewinn.

Das Foto sagt mehr als Tausend Worte: Wie viele andere Innenstädte auch, wirkt die Altenkirchener Fußgängerzone derzeit wie ausgestorben. (Foto: vh)

Kreis Altenkirchen. Der Blick in die Fußgängerzonen heimischer Städte verheißt nichts Gutes: Waren sie vor der Corona-Pandemie schon weitaus weniger frequentiert als vor vielen Jahren, wirken sie in Zeiten der Corona-Pandemie wie ausgestorben. Der Einzelhandel vor Ort ist mehr denn je in die Bredouille geraten, Online-Händler wie Amazon & Co. jubilieren ob steigender Umsätze und Gewinne. Gefragt sind Lösungen, die die Entwicklung, die inzwischen rasant an Fahrt gewonnen hat, umkehren, die die Innenstadtbereiche wieder attraktiv für Kunden und Freizeitgestaltung machen können. Eine Online-Diskussion, initiiert von Dr. Matthias Reuber, dem Kandidaten der CDU für die Landtagswahl am 14. März im Wahlkreis 2 Altenkirchen, unter der Überschrift "Die Zukunft des Einzelhandels und der Innenstädte" verdeutlichte: Nicht nur die Akteure vor Ort sind gefragt, um die Abkehr vom Niedergang zu schaffen; auch die Politik muss ihr Scherflein beitragen.

Klare Perspektiven gefordert
"Das Thema hat für mich eine sehr, sehr große Bedeutung", sagte Reuber, in Rheinland-Pfalz gebe es rund 12.000 Einzelhändler mit rund 150.000 Beschäftigen. Er sprach sich für den Einzelhandel vor Ort in belebten Innenstädten aus, die Orte der Begegnung sein müssten, und bemängelte aktuell die unklare Situation für mögliche Wiedereröffnungen: "Alles steht im Schatten der Pandemie. Deswegen benötigen wir klare Perspektiven für die Lockerungen." Zudem appellierte er an die hohe Politik, "Hilfsmittel unbürokratisch und in voller Höhe auszuzahlen". Nicht nur für Reuber war wichtig, dass die Steigerung der Attraktivität einer City aus einem Zusammenspiel bestehen muss: Einzelhandel, Gastronomie und (Kultur)Veranstaltungen. Der wirtschafts- und verkehrspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Helmut Martin, folgte Reubers Ansatz: "Wir müssen uns für den stationären Handel einsetzen, denn er hat eine wirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Kompetenz. Er ist der wichtigste Faktor für belebte Innenstädte, die Orte der Begegnungen und Kommunikation sind." Die öffentliche Hand müsse Geld zur Verfügung stellen, um dieses Ziel zu erreichen, dem stark gebeutelten Einzelhandel jetzt mit kurzfristigen Maßnahmen geholfen werden, um im Anschluss mit Begleitschritten den lokalen Anbietern neue Perspektiven zu eröffnen.

Unternehmer fühlen sich im Stich gelassen
Laut Katja Lang, der Vorsitzenden des Aktionskreises Altenkirchen, werden die Unternehmer im Einzelhandel derzeit komplett im Stich gelassen. Die Mitarbeiter seien durch das Kurzarbeitergeld einigermaßen abgesichert. Es könne nicht sein, dass einem Ladeninhaber in finanziell schwieriger Lage gesagt werde, "dann kannst du ja Grundsicherung beantragen". "In diesem Bereich muss dringend nachgebessert werden", forderte sie und stieß bei Martin offene Türen auf. "Wir verlangen seit September des vergangenen Jahres die Einführung eines Unternehmerlohns in Höhe von 1000 Euro pro Monat, sind bei der Ampel-Koalition damit aber abgeblitzt", berichtete er, weil er wisse, dass viele Unternehmer ihre Reserven bereits aufgebraucht hätten. Wie von Lang bereits moniert, könne er ebenfalls die Lockerungspolitik, die bundesweite Öffnungsstrategie, von der zunächst nur Friseure profitieren, nicht nachvollziehen. "Ich muss aufzeigen, nach welche Kriterien ich was entscheide. Die Politik muss erklärt werden, sonst wird Politik unglaubwürdig", verdeutlichte Martin.

Problematik: Öffnungen an Sonntagen
Die Problematik "Geschäftsöffnung an Sonntagen" (in Rheinland-Pfalz sind pro Jahr vier "anlassbezogen" möglich) bezeichnete Martin als, sogar fraktionsintern, "vermintes Gelände". In vielen Städten seien sie rechtlich nicht durchsetzbar, weil der "Anlass" fehle und deswegen keine Genehmigung erteilt werde. Vor diesem Hintergrund plädierte er für je zwei verkaufsoffene Sonntage pro Halbjahr (einer mit und einer ohne Eventcharakter). Mehr könne er nicht gutheißen, denn sonst wären diese Tage solche wie alle anderen. Lang war ebenfalls keine Verfechterin für eine Erhöhung der Zahl, sondern nur für eine freie Wählbarkeit inklusive der Streichung des Verbots der Öffnung an einem Adventssonntag im Dezember. "Wir organisieren unseren Weihnachtsmarkt im Dezember und dürfen die Läden nicht öffnen. Wo steckt da der Sinn hinter?", führte sie an, wohl wissend, dass es solch eine strikte Regelung wie in RLP in anderen Bundesländern nicht gibt. Das sei nicht zu erklären, pflichtete ihr Reuber bei.



City-Manager als Allheilmittel?
Bei der Suche nach Lösungen, wie einer Innenstadt wieder mehr Leben eingehaucht werden kann, kommt einem City-Manager offenbar eine immens große Bedeutung zu. Ulrich Noß, in Wissen seit 2018 in dieser Funktion unterwegs, forderte eine solche Stelle für "jede mittelgroße Stadt". Ein "Riesenthema" sei beispielsweise das Leerstandsmanagement. Noß berichtete von Vorstellungen der Immobilienbesitzer, die sich seit den 1970er-Jahren nicht mehr geändert hätten. "Die Kluft zwischen Erwartung und Realität ist riesig geworden", sagte er. Seine Forderungen: Innenstädte neu denken und überplanen, Erlebnisräume mit einem Masterplan schaffen, Zusammenarbeit mit Nachbarstädten, Einzelhändlern zur Seite stehen, die Dinge selbst nicht angehen können, weil sie in mit ihrem Geschäft sehr stark belastet sind, Mittlerfunktion zwischen Verwaltung und Einzelhandel übernehmen. In aller Deutlichkeit stellte Noß heraus: "Es bringt nichts, wenn nur ein Drittel der Einzelhändler mitmacht. Als erstes muss man sich auf Kernöffnungszeiten verständigen, damit ist jedem schon gedient." Thomas Kölschbach, Vorsitzender des Treffpunkts Wissen, lobte die Arbeit von Noß: "Er unterstützt uns sehr gut, wir sind froh, dass wir ihn haben, denn er nimmt uns viel Arbeit ab. Wir werden als Händler jetzt auch in der Verwaltung wahrgenommen. Aber: Wir selbst müssen auch weiterhin aktiv sein."

Rahmenbedingungen müssen Mut machen
Eine "Mut- und Perspektivlosigkeit im Einzelhandel" beklagte Ralf Lindenpütz, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Altenkirchener Stadtrat, die Bereitschaft, unternehmerisch tätig zu werden, sinke stetig. Seine Forderung, die CDU müsse sich als Partei für junge Unternehmer profilieren, teilte Martin vollends. "Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die Mut machen. Wir brauchen eine gute Atmosphäre für ein Gründertum." Bereits zweimal habe die Koalition in Mainz die Forderung nach einem Gründerstipendium abgelehnt. Inzwischen gebe es nach nordrhein-westfälischem Vorbild einen Fördertopf für ein Digitalisierungskonzept. "Das ist Mehrwert für die Zukunft", lobte Martin, "inzwischen schauen wir genau nach NRW, denn da tut sich so einiges."

"Wäller Markt" im Aufbau
Schließlich war sich die Runde einig, dass der stationäre Einzelhandel die Vermarktung eigener Produkte und Artikel über die weltweite Datenautobahn nicht vernachlässigen dürfe. Jessica Weller, CDU-MdL für den Wahlkreis 2, stellte das Projekt "Wäller Markt" der drei Landkreise Altenkirchen, Westerwald und Neuwied auf genossenschaftlicher Basis vor, ein "Westerwälder Amazon", wie sie es nannte. Die Arbeit bis hin zur Umsetzung sei schon weit fortgeschritten, vieles liefe noch im Hintergrund. "Die Wäller Markt eG hat sich zum Ziel gesetzt, für alle Anbieter aus dem Westerwald eine hohe Kosten- und Wirkungssynergie zu erreichen. Je mehr Anbieter sich anschließen, umso attraktiver wird das Sortiment und umso größer wird der Stellenwert für die Kunden", heißt es auf der Homepage. (vh)


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