Ausgangsbeschränkung und Schulschließungen: Das bedeutet die Allgemeinverfügung des Kreises
Mit Wirkung vom 4. März tritt eine Allgemeinverfügung zur weiteren Bekämpfung der Corona-Pandemie für den Kreis Altenkirchen in Kraft, die das öffentliche Leben bis inklusive 12. März stärker als die geltende 16. Corona-Bekämpfungsverordnung für Rheinland-Pfalz einschränkt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum gelten im Kreis Altenkirchen andere Regeln als in Nachbarkreisen?
Seit dem 26. Februar liegt die so genannte Sieben-Tage-Inzidenz, die das Infektionsgeschehen pro 100.000 Einwohner abbildet, für den Kreis Altenkirchen bei über 100. Zeitweise wies der Landkreis in diesen Tagen den höchsten Wert aller Landkreise in Rheinland-Pfalz auf. Es liegt eine dynamische und ernst zu nehmende Situation vor, insbesondere da bei einem Teil der Fälle die Krankheitsverläufe schwer sind und es auch zu tödlichen Krankheitsverläufen kommen kann. Hinzu kommt, dass nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand auch bei Symptomfreiheit die Krankheit hochinfektiös ist. Paragraf 23 der 16. Corona-Bekämpfungsverordnung für Rheinland-Pfalz regelt, dass Landkreise, deren Sieben-Tage-Inzidenz an mehr als drei Tagen in Folge diese 100er Marke überschreitet, in Abstimmung mit dem Landes-Gesundheitsministerium und ggfs. der Schulaufsicht Maßnahmen ergreifen muss, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Außer dem Kreis Altenkirchen hat deshalb aktuell (Stand: 3. März 2021) auch der Landkreis Germersheim in Abstimmung mit dem Land entsprechende Maßnahmen ergriffen.
Warum gilt die Allgemeinverfügung für den gesamten Kreis?
Allen Beteiligten, die diese Entscheidung gemeinsam getroffen haben – Kreis, Gesundheits- und Bildungsministerium sowie die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion –, erschien es sinnvoll, die Maßnahmen nicht auf bestimmte Regionen zu begrenzen, weil das Infektionsgeschehen eben kreisweit nicht an wenigen großen Ausbrüchen räumlich festzumachen ist. Die Infektionen finden derzeit weiterhin diffus und vielfach im privaten Bereich statt, auch wenn es einige wenige Einrichtungen gibt, wo die Konzentration der Infektionen höher ist. Diese Einrichtungen stehen aber in keinem Zusammenhang. Problematisch ist zudem, dass im Rahmen der Kontaktnachverfolgung seitens der Infizierten vielfach keine Angaben über denkbare Infektionsketten gemacht werden konnten. Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf das hohe Infektionsrisiko der britischen Virus-Mutation zurückzuführen. Von rund 310 nachgewiesen aktiven Fällen am Mittwoch, dem 3. März, lagen 185 bestätigte und 70 Verdachtsfälle der Virus-Mutation vor. Dies lässt mit hinreichender Sicherheit darauf schließen, dass dieser Mutant deutlich ansteckender ist als die bisher bekannte Variante.
Natürlich ist diese Entscheidung unter Abwägung von persönlicher Freiheit und Gesundheitsschutz niemandem leicht gefallen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die medizinisch-epidemiologische Bewertung des Infektionsgeschehens. Die Abwägungen wurden anhand der Einschätzungen des Robert-Koch-Institutes (RKI) vorgenommen.
Welche Maßnahmen wurden konkret getroffen?
Die Kurzform:
1) Der Präsenzunterricht an Grundschulen und in den Primarstufen der Förderschulen wird ausgesetzt, ebenso der ab dem 8. März geplante Präsenzunterricht der fünften und sechsten Klassen an weiterführenden Schulen. Prüfungsvorbereitungen und -abnahmen an den Berufsbildenden Schulen können stattfinden. Notbetreuung in Kindertagesstätten und Schulen läuft weiter.
2) Es gibt eine nächtliche Ausgangsbeschränkung in der Zeit von 21 Uhr bis 5 Uhr am Folgetag. Ausnahmen sind unter anderem berufliche Gründe, die Inanspruchnahme akut notwendiger medizinischer und tierärztlicher Versorgungsleistungen, die Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts im privaten Bereich, der Besuch bei Ehe- und Lebenspartnern und von Verwandten in gerader Linie im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches, die Begleitung von unterstützungsbedürftigen Personen und Minderjährigen, die Begleitung Sterbender und von Personen in akut lebensbedrohlichen Zuständen sowie Handlungen zur Versorgung von Tieren einschließlich des Ausführens durch eine Person.
3) In Fußgängerzonen müssen in der Zeit von 5 Uhr bis 21 Uhr OP-Masken oder Masken der Standards KN95/N95 oder FFP2 getragen werden.
4) In Pflegeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe gelten eingeschränkte Besuchszeiten von täglich einer Person für eine Stunde pro Bewohnerin oder Bewohner. Ausnahmen gelten unter anderem für Hospize sowie für therapeutisch oder medizinisch notwendige Besuche durch Fachpersonal, das Betreten durch Handwerker für nicht aufschiebbare bauliche Maßnahmen und Reparaturen.
Gibt es eine regionale Beschränkung der Bewegungsfreiheit?
Nein, es gibt keine auf eine bestimmte Kilometer-Grenze festgelegte Distanz um den Wohnort, die man maximal zurücklegen darf.
Warum geht man davon aus, dass die Grundschulen aktuell zur Weiterverbreitung des Virus beitragen könnten? Studien haben belegt, dass insbesondere die Schulen bislang keine Infektionstreiber sind.
Das ist offensichtlich in der Tat so. Allerdings haben wir mit der schnellen Verbreitung der so genannten britischen Virus-Mutation eine neue Lage: Die Gefahr, dass eine weitere Verbreitung im Umfeld der derzeit betroffenen Kindertagesstätten und Grundschulen stattfindet, ist nach Einschätzung von Land und Kreis groß, auch vor dem Hintergrund der erhöhten Mobilität beim Start des Präsenzunterrichts. Auch tun sich kleinere Kinder naturgemäß teilweise schwer mit dem Einhalten von Abstandsregeln. Es geht also nicht nur um das Ausbruchsgeschehen in der Schule selbst, da hier Hygienemaßnahmen eingeführt sind, sondern präventiv besonders auch um das Schülerverhalten in Wartebereichen vor und nach dem Schulbetrieb, um die Schülerbeförderung und das private Verhalten vor und nach dem Schulbetrieb.
Welche Wirkung haben die nächtliche Ausgangsbeschränkung und die Maskenpflicht in Fußgängerzonen?
Anders als bei den Erkrankungen in den ersten neun bis zehn Monaten der Pandemie ist festzustellen, dass der Anteil der jüngeren Bevölkerung am Infektionsgeschehen im Landkreis Altenkirchen derzeit ungewöhnlich hoch ist. Rund 190 Infizierte sind aktuell jünger als 50 Jahre. Das Durchschnittsalter der unter Quarantäne stehenden Personen liegt derzeit bei rund 40 Jahren. Dies ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem großen Teil auf private Kontakte zurückzuführen. Diese privaten Kontakte können durch eine nächtliche Ausgangsbeschränkung und somit eine Verringerung der Mobilität unterbunden oder zumindest eingegrenzt werden.
Bei der Anordnung des Mund- und Nasenschutzes ist klar, dass die Fußgängerzonen aktuell ohnehin wenig frequentiert werden. Allerdings sind öffentliche Räume zu sichern, in denen die Wahrscheinlichkeit, Zufallskontakte oder andere Verweilmöglichkeiten zu haben, deutlich größer als in anderen, weniger belebten Straßen sind. Auch diese Maßnahmen haben also ein Stück weit präventiven Charakter. (PM)
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