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Nachricht vom 28.10.2010    

Die Arbeitslosigkeit hat weiter abgenommen

Die Entspannung am Arbeitsmarkt setzt sich nach den Angaben der Arbeitsagentur auch für den Bezirk Neuwied weiter fort. Die Oktoberzahlen belegen danach: Männer und junge Menschen profitieren offenbar am stärksten von der aktuellen Entwicklung.

Kreis Altenkirchen/Neuwied. Die Landkreise Neuwied und Altenkirchen waren von der weltweiten Wirtschaftskrise stärker betroffen als die meisten ihrer Nachbarn in der Region. Doch auch hier lässt die Erholung den Arbeitsmarkt aufatmen. Das sollen die neusten Zahlen aus der Agentur für Arbeit belegen.

Die vor wenigen Tagen veröffentlichte Bilanz des Ausbildungsjahres 2009/2010 habe es bereits deutlich gemacht: Die Wirtschaft in der Region erhole sich langsam, aber sicher - und stelle wieder Personal ein.
Davon ist auch der aktuelle Arbeitsmarktbericht geprägt, den die Agentur für Arbeit Neuwied am Donnerstag, 28. Oktober, vorgelegt hat. Danach sind Ende Oktober 8748 Menschen arbeitslos gemeldet - 319 weniger als im September und 1551 weniger als vor einem Jahr. "Innerhalb eines Jahres ist das immerhin ein Rückgang der Arbeitslosigkeit um rund 15 Prozent", erklärt Agenturleiterin Ulrike Mohrs. "Vor allem freut mich, dass im letzten Monat viele junge Menschen eine neue Beschäftigung oder eine Lehrstelle gefunden haben." Denn den stärksten Rückgang verbuchten die Statistiker bei den unter 25-Jährigen, bei denen die Arbeitslosigkeit im Oktober um 207 zurück ging. Vor einem Jahr waren sogar 422 junge Menschen mehr arbeitslos gemeldet. Im Übrigen profitieren Männer derzeit deutlich stärker von der Belebung als Frauen; allerdings waren es auch vor allem die Männer, die während der Krise ihre Jobs verloren hatten. Ein weiterer Vergleich, der der Agenturchefin Hoffnung macht, ist der zwischen den Arbeitslosen der Versichertengemeinschaft nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) III - also jenen Menschen, die meist nicht länger als ein Jahr arbeitslos sind - und den Arbeitslosen der Grundsicherung nach SGB II, also den so genannten Hartz IV-Empfängern. Denn während die Arbeitslosigkeit im SGB III um 132 auf nun 3143 sank, ging sie im SGB II sogar um 187 auf nun 5605 zurück. "Erfahrungsgemäß ist es umso schwieriger, Arbeitslosigkeit zu beenden, je länger sie andauert. Deshalb ist es für uns sehr wichtig, dass auch Langzeitarbeitslose möglichst schnell wieder eine Beschäftigung finden."
Die Arbeitslosenquote sank im Oktober um 0,2 Punkte auf 5,4 Prozent. Außerdem waren der Arbeitsagentur zum Monatsende 1004 offene Stellen gemeldet.

Diese günstige Entwicklung spiegelt sich auch in den beiden zum Agenturbezirk gehörenden Landkreisen. In Altenkirchen sank die Arbeitslosigkeit im Oktober um 141 auf nun 3487 - das sind 1027 Arbeitslose weniger als im Vorjahr. Allerdings profitierten hier die Versicherten nach SGB III mit einem Minus von 92 stärker vom Rückgang, während die Arbeitslosigkeit im SGB II nur um 49 sank. Damit sind derzeit 1325 Menschen nach SGB III und 2162 nach SGB II arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote liegt bei 5 Prozent. Im September lag sie bei 5,2 und im Oktober 2009 bei 6,5 Prozent. 340 der gemeldeten offenen Stellen kommen aus dem Landkreis Altenkirchen.

Im Landkreis Neuwied geht die Arbeitslosenzahl um 178 auf 5.261 zurück. Im Jahresvergleich sinkt sie um 524. Anders als bei den Altenkirchener Nachbarn profitieren in Neuwied vor allem die Arbeitslosen aus der Grundsicherung des SGB II von der Entspannung. So geht die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 138, die der Arbeitslosen nach SGB III dagegen nur um 40 zurück. Dennoch bleiben auch hier mehr Menschen nach SGB II arbeitslos gemeldet (3.443) als nach SGB III (1818). Die Arbeitslosenquote liegt bei 5,6 Prozent; das sind 0,2 Prozentpunkte weniger als im September und 0,6 weniger als vor einem Jahr. Aus dem Landkreis Neuwied liegen der Arbeitsagentur derzeit 664 offene Stellen vor.

"Für uns ist es ein sehr erfreuliches Signal, dass sich die Entspannung verfestigt", betont Agenturleiterin Mohrs. "Das verschafft uns die Luft, an den Themen weiter zu arbeiten, die schon bald zu den größten Herausforderungen für den Arbeitsmarkt und damit auch für uns als Arbeitsagentur werden - der demografische Wandel und der Fachkräftemangel."




Wir dokumentieren: Die andere Seite der Medaille

Falsche Prognose
Gegen den "Heißen Herbst" hilft vor allem das Fälschen der Statistik. Nicht drei, sondern mehr als neun Millionen Menschen suchen Arbeit
Von Professor em. Dr. Herbert Schui
Die Umfragen zeigen, die Regierung Angela Merkel (CDU) steht schlecht da. Da stören Demonstrationen mehr als sonst. Das Aufschwung-Brimborium mit der Herbstprognose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute soll helfen. Sicherlich wird das Wirtschaftwachstum in diesem Jahr rund drei Prozent betragen, aber wie geht es weiter? Die Ausfuhren werden sinken, weil unsere Haupthandelspartner, die EU-Länder, im kommenden Jahr nur um ein Prozent wachsen. Damit sieht es für die Beschäftigung in den kommenden Jahren mau aus. Die Parole der Regierung aber heißt dennoch: Bleibt zu Hause! Und Merkel und andere Politikaster prophezeien, daß die Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr unter drei Millionen sinken wird.

Was ist aber tatsächlich los auf dem Arbeitsmarkt? Die Zahl der von den Beschäftigten abgeleisteten Arbeitsstunden ist von 52 (1991) auf 48 Milliarden Stunden (2008, dem Jahr vor dem Abschwung) gesunken. Das ist ein Rückgang von 7,7 Prozent. In derselben Zeit ist die Zahl der Beschäftigten von 35,1 auf 35,9 Millionen, das heißt um zwei Prozent, gestiegen. Das wirkt sich günstig auf die Statistik aus. Wie kann es kommen, daß weniger Arbeitsstunden geleistet werden, die Beschäftigungsquote aber dennoch steigt?

Die durchschnittliche Arbeitszeit je Beschäftigten ist wegen der Teilzeitjobs, vielfach erzwungen durch HartzIV, abgesunken und zwar, im rechnerischen Durchschnitt, von 28,5 Stunden je Woche im Jahr 1991 auf 25,7 Stunden je Woche im Jahr 2008. Schließlich gilt: Wer wenigstens 15 Stunden in der Woche arbeitet, der ist offiziell nicht arbeitslos.

Also suchen nur 3,188 Millionen Menschen eine Arbeit (Stand der registrierten Arbeitslosigkeit im August) und demnächst noch weniger? Wenn man richtig rechnet, sind es nicht 3,188, sondern 4,330 Millionen. Diese Differenz von rund 1,1 Millionen setzt sich zusammen aus denen, die arbeitslos, älter als 58 sind und ALGI beziehen (0,35 Millionen), aus den Ein-Euro-Jobbern (0,32 Millionen), den Menschen in beruflicher Weiterbildung (0,19 Millionen) und denen in Eingliederungsmaßnahmen (0,2 Millionen).

Aber das ist noch nicht alles. Im vergangenen Juni teilt das Statistische Amt mit, daß 8,6 Millionen Menschen eine Arbeit suchen. 3,2 Millionen sind registrierte Erwerbslose, 1,2 Millionen gehören zur »Stillen Reserve« (die sind nirgendwo gelistet, suchen aber dennoch eine Stelle). Weitere 4,2 Millionen haben eine Arbeit, die aber nicht zum Leben reicht. Der größte Teil davon ist teilzeitbeschäftigt, ein anderer Teil ist zwar vollzeitbeschäftigt, aber das Einkommen reicht nicht aus. Sie alle suchen eine zusätzliche Beschäftigung. Nicht eingerechnet in diese Zahl von 8,6 Millionen sind all diejenigen, die aus der registrierten Arbeitslosigkeit herausgerechnet wurden, also die Differenz zwischen 4,330 und 3,118 Millionen. Das macht weitere 1,1 Millionen Leute.

Es ist also ein Schmarren, wenn von 3,2 Millionen Arbeitslosen die Rede ist. Die »Stille Reserve«, die Leute im Ein-Euro-Job, sind überhaupt nicht beschäftigt und suchen nach Arbeit, die anderen haben zwar eine Arbeit, so Teilzeit, können davon aber nicht leben. Auf der Suche nach Arbeit sind also, wenngleich aus recht unterschiedlichen Ausgangslagen, insgesamt 9,7 Millionen Menschen.
Herbert Schui ist Mitglied des Bundestages für Die Linke und ehemaliger Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bremen
Quelle: Junge Welt


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