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Nachricht vom 16.03.2021
Region
Wenn große Linienbusse über einen schmalen Feldweg fahren
Plötzlich waren sie da und sind es immer noch. Mit fahrplantechnischer Regelmäßigkeit bewegen sie sich in die eine und in die andere Richtung. Linienbusse verbinden auf diesem Streckenabschnitt die Gemeinden Berzhausen und Seelbach und nutzen einen schmalen, bituminös befestigten Feldweg, der in vieler Augen kaum taugt für Fahrten dieser Güteklasse im Öffentlichen Personennahverkehr.
In Berzhausen geben diese Schilder die Spielregeln für das Befahren des Verbindungsweges vor. (Foto: vh)Berzhausen. Schmal ist er allemal, der Verbindungsweg zwischen Berzhausen und dem Seelbacher Ortsteil Bettgenhausen. So schmal, dass auf der Bitumenschicht schon kaum zwei normale Autos im Gegenverkehr aneinander vorbeikommen - trotz der einen oder anderen seitlich angelegten Ausweichbucht. Komplettiert wird die Strecke durch eine eklige, ja fiese Kurvenkombination in der Nähe der Henry-Hütte. Der rund, 1,1 Kilometer zählende Abschnitt ist seit dem 12. Februar fester Bestandteil der Buslinie 126, die Horhausen und Altenkirchen (und umgekehrt) verbindet und von deren neuer Linienführung vor der Inbetriebnahme so recht nichts durchsickerte, geschweige denn bekannt gemacht wurde. Die Folge: Die Verwunderung vor Ort war und ist nach wie vor groß, weil am Tag bis zu 8-mal große und bis zu 18-mal kleinere Linienbusse (montags bis donnerstag/freitags zu Schulzeiten) im Auftrag des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in dem idyllischen Tal in beiden Richtungen unterwegs sind.

Zumutung für Mensch und Natur
"Es gibt keine eindeutige Verkehrsführung, keine befestigten Randstreifen und auch keinen geregelten Winterdienst. Zudem ist der Unterbau des Weges nicht für Fahrzeuge dieser Größenordnung ausgelegt worden", stellt Anwohner Volker Bosch fest, der seit rund 20 Jahren an diesem Fleck in der Wied-Aue, an der Einmündung der Wiesen- in die Hauptstraße in Berzhausen, lebt. Lärm und Abgasbelästigung in diesem engen Tal seien zudem eine Zumutung für Mensch und Natur. In Richtung ÖPNV-Auftraggeber lauten seine Fragen: "Haben die Verantwortlichen sich das einmal angeschaut? Wer lässt sich eine solche Streckenführung einfallen?" Die Windungen an der Henry-Hütte "sind eine Katastrophe". Trotz seiner massiven Kritik stellt Bosch den ÖPNV nicht in Frage. Es sei gut, dass auch die kleinen Ortschaften ins Netz eingebunden seien, ältere Menschen ohne eigenes Auto die Möglichkeit hätten, das Dorf verlassen zu können - aber bitte mit einer Art "Stichverkehr", der von Flammersfeld aus bis Bettgenhausen (K 9) und von Obernau aus nach Berzhausen (K 11) und auf den gleichen Strecken wieder zurück erfolgen und via B 256 weiter abgewickelt werden müsse.

Keine Informationen vorab
Auch für den Berzhausener Ortsbürgermeister Maik Kunz steht außer Zweifel, dass der Buslinienverkehr "die Strecke nicht fahren kann". Er sei über die Aufnahme des Regelbetriebs nicht informiert worden. "Mit mir hat niemand gesprochen", sagt Kunz auf Anfrage des AK-Kuriers und betont wie Bosch, dass eine Anbindung seines Ortes ans Busnetz sehr wichtig sei, denn: "Wie sollen denn sonst ältere Leute hier wegkommen?". Noch gut kann er sich an einen Zeitraum erinnern, als der Abschnitt schon einmal für verstärkten Umleitungsverkehr herhalten musste: während der Sperrung der K 9 von Flammersfeld nach Seelbach wegen Instandsetzungsarbeiten. Präzisieren kann Kunz diese Phase nicht mehr so ganz. Er vermutet, dass es zu Beginn der 2000er-Jahre war und dass im Zuge dieser Maßnahme der in Rede stehende Feldweg eine bituminöse Deckschicht erhalten haben könnte. Er befindet sich sowohl auf Berzhausener als auch auf Seelbacher Gemarkung.

Unterschiedliche Beschilderung

Ausmaße und Gewichte der Vehikel stellen die Nutzung der Route grundsätzlich infrage. Die gestreckten Varianten bringen es auf eine Länge von rund 12 Metern bei einem (Leer)Gewicht von fast 12 Tonnen, die verkürzten auf an die 8 Meter und rund 8 Tonnen. Die Fahrer der Transportmittel werden zudem mit unterschiedlichen Beschilderungen konfrontiert: zum einen in Berzhausen mit einem Maximalgewicht eines Fahrzeuges von 2,5 Tonnen und dem wohl erst vor gar nicht allzu langer Zeit fix installierten Zusatz "Schulbus frei" - darauf deutet der unterschiedlich stark ausgeprägte grüne "Überzug" auf den Tafeln hin - , und in Bettgenhausen in unmittelbarer Nähe zum Buswendeplatz mit dem Hinweis auf 2,5 Tonnen und der Ergänzung "Anlieger frei". Werden nicht zwangsläufig Gedanken an das legendäre Schilda wach?

Deutlich weniger Kilometer
Der Blick via Google Earth und damit von oben auf die Gegebenheiten lässt vermuten, dass die Planer der Strecke getreu dem Motto "Warum umständlich, wenn es auch einfacher geht" gehandelt haben. Sie könnten wohl in Gedanken den Zusatz "und billiger" hinter dem Wort einfacher ergänzt haben. Beträgt die Länge einer zu fahrenden Strecke per Stichverkehre rund 16,8 Kilometer, so ergibt sich eine Ersparnis via "Abkürzung" zwischen Berzhausen und Bettgenhausen von stolzen 9,4 Kilometern pro Fahrt, da die Gesamtlänge nur 7,4 Kilometer erreicht. Folglich liegen Kostenersparnisse bei Betriebsmitteln und Personaleinsatz auf der Hand - ein nicht zu unterschätzender Fakt in Zeiten, in den der ÖPNV in der Region so gut wie nie kostendeckend betrieben werden kann.

Strecke vorab betrachtet
"Die Streckenführung für die Linie 126 ist von unserer Planungsstelle, dem Verkehrsverbund Rhein-Mosel, im Auftrag des Landkreises Altenkirchen als Aufgabenträger für den ÖPNV und Aufgabenträger für die Schülerbeförderung ausgearbeitet worden", heißt es in einer Stellungnahme der Kreisverwaltung auf Anfrage des AK-Kuriers. Die Strecke sei im Vorfeld der Aufnahme in den Fahrplan vom Verkehrsplaner des Verkehrsverbundes Rhein-Mosel auch selbst in Augenschein genommen worden. "Es ist zutreffend, dass die Strecke gewisse Einschränkungen aufweist. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang die Situation bei Begegnungsverkehr. Es ist richtig, dass die Strecke zwischen Berzhausen und Bettgenhausen relativ schmal ist. Gleichwohl ist diese Strecke vor einigen Jahren als Umfahrungsstrecke insbesondere auch für den Buslinienverkehr für die damals gesperrte K 9 baulich hergerichtet worden. So sind entlang des Weges Ausweichbuchten angelegt worden. Ferner hatte der Weg auf dem genannten Abschnitt auch eine neue Fahrbahndecke erhalten. Es ist somit davon auszugehen, dass der Weg auch über eine ausreichende Tragfähigkeit verfügt", führt die Kreisverwaltung weiter aus, ohne speziell auf die unübersichtliche Kurvenkombination in der Nähe der Henry-Hütte einzugehen.

Weiterer Check am 10. März
Bei der Auslotung alternativer Anbindungen der beiden Ortsgemeinden ans ÖPNV-Netz lässt die Kreisverwaltung "Stichverkehre" außen vor: "Am 10. März haben wir gemeinsam mit der Verkehrsplanerin des Verkehrsverbundes Rhein-Mosel die Strecke nochmals in Augenschein genommen. Möglichkeiten für eine alternative Streckenführung für die ,großen' Busse sind nicht gegeben, da in Höhe von Berzhausen die Bahnstrecke unterquert werden muss. Die dort vorhandene lichte Höhe von 2,70 Metern reicht für die Durchfahrt mit einem Standardlinienbus nicht aus, so dass es für die Realisierung der schulorientierten Fahrten zwischen Berhausen und Bettgenhausen unseres Erachtens bei der Befahrung des Weges entlang der Bahnstrecke bleiben muss." Zudem sei gegenüber dem ursprünglichen Zustand, also vor Umsetzung des Linienbündelungskonzeptes, auch eine Verkürzung der Fahrzeit für die Schülerinnen und Schüler erreicht worden. "Ferner konnte mit dem neuen Fahrplan erreicht werden, dass für die Orte im Wiedtal, zu nennen sind insbesondere Berzhausen und Seelbach, eine zweistündliche Anbindung vorhanden ist, die es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, in die zentralen Orte Altenkirchen, Flammersfeld und Horhausen zum Beispiel zum Einkauf zu gelangen."

Info-Schreiben angekündigt
Hinzuweisen ist, so die Kreisverwaltung, ferner darauf, dass mit dem neuen Fahrplankonzept auch die Schülerbeförderung zu den weiterführenden Schulen in Altenkirchen (Realschule plus Altenkirchen und Gymnasium Altenkirchen) und Horhausen (Integrierte Gesamtschule) einschließlich einer Anbindung auch nachmittags für die Schüler der Ganztagsschule und der Oberstufenschüler realisiert werden konnte. "Im Übrigen möchten wir anmerken, dass auf der Linie 126 überwiegend Kleinbusse eingesetzt werden. Nur für Fahrten vom/zum Schulzentrum Altenkirchen und vom/zur IGS Horhausen werden 12-Meter-Standardbusse eingesetzt. Deren Einsatz ist für die schulorientierten Fahrten aufgrund der Anzahl der zu befördernden Schüler auch erforderlich", macht die Kreisverwaltung darüber hinaus deutlich, "wir sind der Auffassung, dass das neue Fahrplankonzept deutliche Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger des Wiedtales und insbesondere auch für die Schülerinnen und Schüler bietet. Gründe für eine Veränderung der Linienführung sehen wir daher nicht. Wir beabsichtigen, in nächster Zeit ein umfassendes Info-Schreiben an die Bürgermeister der Ortsgemeinden Berzhausen und Seelbach zu richten." (vh)
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