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Nachricht vom 24.04.2021
Kultur
Ende der Evolution: Zerstört der Mensch sich selbst?
Am Freitagabend, 23. April veranstaltete die Naturschutzinitiative e.V. (NI) einen Online-Vortragsabend mit Prof. Dr. Glaubrecht zum Thema „Vom Ende der Evolution und des Menschen – Die Bedeutung der Biodiversität für unser Überleben“.
Symbolfoto: Sterben die Bienen, stirbt auch der MenschRegion. Das Thema fand großen Zuspruch. Harry Neumann als Moderator des Veranstalters freute sich über fast 200 Anmeldungen. Das ist nicht verwunderlich, da das Thema jeden Einzelnen betrifft.

Der Referent Matthias Glaubrecht ist Professor für Biodiversität und Direktor des Centrums für Naturkunde (CeNak) in Hamburg. Sein Vortrag bezog sich auf sein jüngstes Buch „Das Ende der Evolution. Der Mensch und die Vernichtung der Arten“. Glaubrechts Credo lautet: „Der Klimawandel ist schlimm, aber nur ein Nebenschauplatz. Unbemerkt, aber mindestens genauso schlimm ist der Massenexodus, das größte Massensterben nach den Dinosauriern. Der Mensch als größtes Raubtier gefährdet Lebewesen, auch seine eigene Art.“

Glaubrecht nahm die Zuschauer mit auf eine spannende Reise über einige Jahrmillionen mit anschaulichen Grafiken und dem Astronauten-Foto „Earthrise“. Der optimale Planet Erde, der genau den richtigen Abstand zu den anderen Planeten hat, ist noch reichlich unbekannt. „Wir haben die Ozeane noch gar nicht erforscht, träumen aber davon, auf den Mars zu fliegen.“ Der größte Reichtum wird in den tropischen Regionen erwartet: Lateinamerika 118.000 Gefäßpflanzen, Südost-Asien 50.000, Afrotropisch 56.000, zu den Polen hin abnehmend.

Wie konnte der Mensch so erfolgreich werden, der eigentlich eine Eintagsfliege der Evolution ist und 99 Prozent seines Daseins als Jäger und Sammler zugebracht hat? Der moderne Mensch ist in Afrika entstanden und hat sich vor 70.000 Jahren über die Erde ausgebreitet. Dieses Pioniertum treibt Menschen immer noch vorwärts. Es korreliert mit dem Aussterben der Mega-Fauna: Wo immer der Mensch auftaucht, rottet er aus!

Die explodierende Weltbevölkerung ist ein Riesenproblem, die Populationskurve weist eine steile Entwicklung auf, denn jedes Jahr kommen 80 Millionen Menschen hinzu. Die Rate wird weiter ansteigen trotz sinkender Geburtenrate, weil die Lebenserwartung steigt. Der Bevölkerungszuwachs wird vor allem in Afrika dramatisch werden, dort wird es für große charismatische Tiere und Menschen eng werden. Zurzeit werden drei Viertel der Erde durch den Menschen genutzt. Wir werden auch auf das letzte Viertel zugreifen müssen zur Nahrungsmittelproduktion. Damit einher gehen Erhöhung der Treibhausgase, Staudammbau, Wasserverbrauch und Artensterben. Glaubrecht belegte die biologische Auslöschung exemplarisch an Walen, Schneeleoparden, Tigern und anderen Großkatzen. Der Biomassen-Rückgang hat auf allen Kontinenten bis zu drei Viertel erreicht. 515 terrestrische Wirbeltier-Arten drohen bis 2050 auszusterben.

Insekten haben in 27 Jahren 80 Prozent eingebüßt. Das hat schwerwiegende Folgen, denn der Insekten-Biomasse verdanken wir eine riesige Bestäuber-Dienstleistung, ohne sie sind Gemüse und Obst in Gefahr. Durch den Schwund der Insekten, die auch die Nahrungsgrundlage für Vögel sind, sind 300 Millionen Vögel in vier Jahrzehnten in Europa verschwunden.

Jeder Lebensraum der Erde verzeichnet Artensterben. Exemplarisch zeigte das der Referent an den Wäldern der Erde, die zur Hälfte von der Oberfläche verschwunden sind. Am schlimmsten sind die folgen durch den Verlust der Regenwälder. Satellitenbilder zeigen nur noch Restbestände einstmals riesiger Waldflächen mit entsprechender Bio-Diversität.

In der EU ist eine Nettozunahme der Bewaldung zu verzeichnen, aber das Problem wurde exportiert: Palmöl, das in hundert Produkten im Supermarkt enthalten ist, Soja und Fleisch, das wir in Mengen verbrauchen, fressen sich durch alle Regenwälder der Erde. Die Einflussnahme auf die Landnutzung und der Kontakt mit Wildtieren verursacht Zoonosen wie die vor einem Jahr von China ausgehende Covid-19-Pandemie.

Der weltweite Verlust der biologischen Vielfalt ist flächendeckendes Massensterben. Daran ist die Landnutzungsänderung durch den Menschen, sein direkter Einfluss Schuld. Ähnlich wie die Zielmarke 1,2 Grad Celsius beim Temperaturanstieg muss ein Maßstab für Ziele des globalen Natur- und Artenschutzes gefunden werden. Glaubrecht schlägt ein 30/30-Ziel vor: ein Drittel der Erdoberfläche sollte bis 2030 unter Naturschutz gestellt werden, 50 Prozent bis 2050. Ein globales Sicherheitsnetz, durch das zusätzlich 35 Prozent der Erde geschützt werden, sollte in den nächsten Jahren das Artensterben beenden. Denn „Die Erde ist der einzige Planet, den wir haben. Wir müssen uns anstrengen, dass hier nicht das Ende der Evolution stattfindet!“, schloss der Redner.

Harry Neumann fasste zusammen, dass der eindrucksvolle Vortrag einerseits pessimistisch stimme, aber gleichzeitig die Aufforderung enthalte, mit dem Planeten sorgfältiger und demütiger umzugehen. Politik dürfe nicht nur Klimaschutz sehen, sondern müsse das gesamte Ökosystem beachten. Das sei ein riesengroßes Netzwerk: „Wenn die Knoten aufgehen, verlieren wir als Menschen den Boden unter den Füßen!“

Prof. Dr. Glaubrecht bekräftigte, dass wir es als Konsumenten selbst in der Hand haben und nicht warten müssen, bis die Politik etwas merkt. Durch Lebens- und Ernährungsgewohnheiten trägt jeder Einzelne zur Zerstörung bei. In den nächsten Jahrzehnten sollten wir versuchen, die Fläche, die wir der Natur lassen, auszuweiten. Im Hinblick auf die nächste Generation stimme ihn die Fridays-for-Future-Bewegung optimistisch. htv
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