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Nachricht vom 18.11.2010 |
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Kultur |
Von trommelnden Oskars und glitzernden Nächten in Cannes |
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Der weltbekannte Filmregisseur Volker Schlöndorff stellte im Kulturwerk Wissen seine Biographie „Licht, Schatten und Bewegung“ vor. Die vielen Zuhörer nahm Schlöndorff mit auf eine Reise durch sein bewegtes Leben. Detailliert erzählte er von persönlichen Schicksalsschlägen und Anekdoten aus 50 Jahren Filmgeschichte. |
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Wissen. Unaufhörlich schlägt Oskar Matzerath in seinem Versteck auf seine Blechtrommel ein. Von Marschmusik begleitet, marschieren braune Nazischergen auf. Oskar trommelt weiter und weiter, bringt die musizierende Hitler-Jugend aus dem Takt und erbost die irritierten Parteiverantwortlichen. Es handelt sich um eine Szene aus „Die Blechtrommel“, die Verfilmung des gleichnamigen Romas von Günter Grass, die da gerade über die Leinwand im Kulturwerk Wissen flimmert. Und auch zu diesem Ausschnitt weiß Volker Schlöndorff eine interessante Anekdote zu erzählen, die er in seiner Biographie „Licht, Schatten und Bewegung“ niedergeschrieben hat. In mal kleineren, mal größeren Schritten, tastet er sich durch sein bewegtes Leben, liest ein paar Zeilen aus seinem Werk, um diese wiederum zu kommentieren. Dann stoppt er wieder und das Publikum schaut auf, um einen weiteren Ausschnitt aus einem seiner filmischen Meisterwerke zu betrachten.
6 Monate habe Daniel Bennent damals Unterricht genommen, um den trommelnden Oskar Matzerath perfekt zu spielen, verriet der Filmregisseur, der immer wieder auf Details seiner Dreharbeiten zu sprechen kam. Dass Oskar alias Bennent als Hauptcharakter stets im Mittelpunkt stand, habe damals nicht allen gepasst. „Wir sind hier alle nur Wasserträger“, habe Mario Adorf einmal kritisiert. Weiter ging Schlöndorff auf die „wunderbare Zusammenarbeit“ mit Schauspieler Dustin Hoffmann ein, mit dem er 1985 den Film „Tod eines Handlungsreisenden“ gedreht hatte. Ursprünglich stammt das Drama von dem amerikanischen Schriftsteller Arthur Miller, mit dem Schlöndorff bis zu dessen Tod eine tiefe Freundschaft verband. Auch bewegende Details zu Max Frisch, dessen Roman „Homo Faber“ er Ende der achtziger Jahre verfilmte, lässt Schlöndorff in seiner Biographie nicht aus. So erzählt er von Frischs Krebsleiden, das die geplante Reise zu den Dreharbeiten nach Mexiko verhinderte, und gibt Einblicke in die Gefühlswelt des im Sterben liegenden Schriftstellers.
Zeit des Nationalsozialismus prägt Leben und Werk des Filmregisseurs
In seiner Biographie erinnert sich Schlöndorff an den jungen deutschen Film und das Cannes der 1960er Jahre, als „diamantenbehangene Witwen und Playboys“ den Jetset beherrschten. Als noch niemand daran dachte, dass er mit seinem ersten Film „Der junge Törless“ (1966) gleich das Filmband in Gold gewinnen würde. 1979 erhielt er für „Die Blechtrommel“ schließlich den Oscar und bescherte dem deutschen Film einen lange nicht dagewesenen Glanz. Es war der erste Oscar für einen deutschen Film nach dem 2. Weltkrieg. Mit dem Film habe er eine Brücke schlagen wollen zur Zeit vor 1933, sagte der Regisseur im Kulturwerk. Tief in Erinnerung ist ihm der französische Dokumentarfilm „Nacht und Nebel“ geblieben, der die Verbrechen der Nationalsozialisten thematisiert. Noch heute beschäftige ihn die Frage: „Wie war das möglich?“ Mit dem Film der „Der junge Törless“, in dem sich Klassenkameraden als Tyrannen entpuppen und einzelne ausgrenzen, beginnt er seine persönliche Aufarbeitung der Vergangenheit. Eine Antwort habe er jedoch immer noch nicht gefunden.
Einen tragischen Schicksalsschlag ereilt Schlöndorff am Ende des 2. Weltkrieges. Seine Mutter kommt 1944 bei einem Brand in der Küche ums Leben. Ihn habe man schnell ins Nebenzimmer gebracht. Unentwegt habe er mit den Fäusten gegen die Tür gehämmert, erinnert er sich. Schlöndorff zieht es nach dem Krieg nach Frankreich und er macht in Paris seinen Schulabschluss. Mit seinem Vater verbinde ihm vor allem der unterschiedliche Geschmack. „Scheußlich“ habe er die „Blechtrommel“ gefunden, als ihn der Sohn extra ins Kino eingeladen hatte. Für seinen Vater gebe es eben nur zwei ästhetische Kategorien: „Erfreuliches“ und „Unerfreuliches“. Seinen Weg als Filmregisseur ist er trotz aller Skepsis gegangen.
Pro AK und Enders lockten Schlöndorff nach Wissen
Schlöndorff war auf Einladung des Forums Pro AK ins Kulturwerk nach Wissen gekommen. Der Landtagsabgeordnete Dr. Peter Enders hatte Schlöndorff auf einer Reise in Ruanda kennengelernt und schließlich den Kontakt zu Pro AK hergestellt, wie Ulrich Schmalz, Vorsitzender von Pro AK, anmerkte. In seiner Begrüßung zeigte sich Schmalz angetan vom Werk Schlöndorffs, obwohl er ja eigentlich ein „Fernsehmuffel“ sei. Er führte zu Beginn in die Lebensgeschichte des berühmten Drehbuchautoren und Filmproduzenten ein und betonte, dass Schlöndorffs Wirken stark durch seine Zeit in Frankreich und später in den USA geprägt worden sei. Das Filmgeschehen habe den gebürtigen Wiesbadener schon in frühen Jahren fasziniert und nicht mehr los gelassen. Heute sei Schlöndorff ein „großer Zeitzeuge von 50 Jahren Filmgeschichte“, so der Pro-AK-Vorsitzende. (Thorben Burbach)
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Nachricht vom 18.11.2010 |
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