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Nachricht vom 19.01.2011 |
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Region |
Historiker dämpft schlichten Zukunfts-Optimismus |
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Der bekannte Historiker Professor Michael Stürmer sorgte für ein volles Haus bei der gemeinsamen Veranstaltung von Po AK und Europa Union im Casino der Firma Werit in Altenkirchen. Stürmer stelle vor etwa 150 Zuhörern seine Einschätzung der wichtigten Zukunfstfragen Deutschlands vor und dämpfte einen "schlichten" Zukunftsoptimismus. |
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Altenkirchen. Man konnte eine Nadel fallen hören, während Professor Dr. Michael Stürmer vor etwa 150 Menschen im Casino der Firma Werit Kunststoffwerke in Altenkirchen seine Einschätzung der wichtigsten Zukunftsfragen Deutschlands vorstellte. In einem etwa einstündigen Vortrag entwarf der international bekannte Historiker, frühere Kanzler-Berater und heutige Chef-Korrespondent der Zeitung "Die Welt", ein umfassendes und klares Bild dessen, was er als die wichtigsten "Baustellen der Republik" bezeichnete. Dabei überwog der Eindruck von teilweise schwerwiegenden Risiken, die in Deutschland bisher weder ausreichend wahrgenommen, noch gar schnell genug einer Lösung nähergebracht würden.
Der Vorsitzende des Forums Pro AK, Ulrich Schmalz, und der Vorsitzende der Europa-Union im Kreis, Dr. Markus Schulte, hatten Stürmer zu der gemeinsamen Auftaktveranstaltung für 2011 als Gäste der Firma Werit nach Altenkirchen geholt.
Am Ende der Diskussion, die sich an den Vortrag anschloss, dankte das Publikum dem Referenten für die scharfsinnige und schonungslose Analyse mit anhaltendem Applaus. Dabei wollte Stürmer die optimistische Auslegung des Vortragsthemas durch die Gastgeber nicht so recht teilen. Während Ulrich Schmalz darauf hinwies, dass der Fortbestand der Dauerbaustelle "Dom" in Köln gleichsam als Garant für eine gute Zukunft gesehen werde und Dr. Markus Schulte die im europäischen Vergleich geradezu hervorragende Situation Deutschlands betonte, geriet diese positive Perspektive in Professor Stürmers Vortrag deutlich in den Hintergrund. Zu grundlegend seien die Herausforderungen und zu lange schon habe man gefährliche Realitäten in Deutschland ignoriert beziehungsweise nicht annähernd entschlossen genug darauf reagiert, so Stürmer. Dabei spannte er einen weiten Bogen von geostrategischen Fragen wie der globalen Ausbreitung eines entschieden anti-westlichen und anti-säkularen Islamismus und Terrorismus, dem unaufhaltsamen Aufstieg Chinas, der unbarmherzig fortschreitenden Globalisierung, bis hin zu der sich seit Jahrzehnten abzeichnenden demografischen Entwicklung in Deutschland und Europa mit gravierenden Folgen für Sozial- und Gesundheitssysteme sowie für die finanzpolitische Nachhaltigkeit.
Angesichts der zum Teil großen geostrategischen Herausforderungen auch auf globaler Ebene habe die drittgrößte Wirtschaftsnation Deutschland bisher auch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung noch immer nicht zu einer angemessenen militärisch-strategischen Position gefunden. Die jetzt vollzogene Umgestaltung der Bundeswehr gehe zwar in die richtige Richtung, komme aber extrem spät und die Ausstattung des Militärs sei angesichts der internationalen Notwendigkeiten geradezu lächerlich gering. Dem entsprächen allerdings auch die vollkommen unrealistischen Erwartungen der Öffentlichkeit nach einer sich stetig vermindernden Bedeutung des militärischen Potentials und dem Militäretat als Sparposten. Dies könne dann große Gefahren heraufbeschwören, wenn zum Beispiel eine Nation wie die USA in Zukunft möglicherweise eine ähnlich wenig kooperative Haltung einnehmen würde wie China. "Wer holt dann für Europa im Notfall die Kastanien aus dem Feuer", fragte Stürmer. "Niemand!", war seine Antwort. Es werde allein schon wirtschaftlich kaum möglich sein, militärische Kapazitäten kurzfristig wieder aufzubauen, sollte dies einmal notwendig werden. Damit würden Deutschland und Europa in der Welt drastisch weiter an Gewicht verlieren.
Die derzeitige Schuldenkrise in einzelnen Euro-Ländern wurde zu einem Hauptthema der an den Vortrag anschließenden Diskussion. Stürmer bekannte sich einerseits zu einer skeptischen Haltung hinsichtlich der Zukunftschancen des Euro. "Wenn über eine Währung so viel Schlechtes geschrieben wird wie zur Zeit über den Euro, dann ist das kein gutes Zeichen", betonte er. Allerdings gestand er indirekt zu, dass ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone von so großen Verwerfungen begleitet sein würde, dass dies wohl unter allen Umständen vermieden werden müsse. Das würde aber unter Umständen bedeuten, dass die Währungsunion auch zur Transferunion verkomme, was Deutschland immer abgelehnt habe. Andererseits betrachtete Stürmer die buchstabengetreue Umsetzung der Stabilitätsregeln als eine Art "Kolonialisierung" Europas durch Deutschland. Beides sei problematisch. Möglicherweise hätten Helmut Kohl und François Mitterrand in der Absicht die alten Dämonen mit Hilfe des Euro zu kontrollieren, mögliche neue Dämonen ganz einfach unterschätzt. Jedenfalls trage diese Problematik bei längerem Fortbestand das Risiko in sich, in Deutschland zu einem negativen Umbruch im Parteiensystem zu führen. |
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Nachricht vom 19.01.2011 |
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