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Nachricht vom 26.10.2021
Politik
Ärztlicher Bereitschaftsdienst: KV erklärt im Kreisausschuss Hintergründe der Reform
Enorme Kritik hat sie hervorgerufen, die Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, die nur zu Lasten der Standorte in den DRK-Krankenhäusern Altenkirchen und Kirchen gegangen ist. Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung erklärten via Videoschalte den Mitgliedern des Kreisausschusses die Hintergründe für die Änderung.
Die Bereitschaftsdienstzentrale im DRK-Krankenhaus Altenkirchen ist im Vergleich zu früher in der Woche nur noch wenige Stunden geöffnet. (Foto: vh)
Altenkirchen. Mit geballter Macht hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) am späten Montagnachmittag (25. Oktober) via Videokonferenz aus Mainz (Sitz der KV) den Mitgliedern des Kreisausschusses die Hintergründe für die Änderung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes erklärt, nachdem es vor allem für die Art und Weise, wie die KV die Neuerungen publik gemacht hatte, harsche Kritik gehagelt hatte. Zur Erläuterung: Der Standort im DRK-Krankenhaus Altenkirchen ist seit 4. Oktober nur noch mit dem Attribut „eingeschränkt“ geöffnet – nämlich mittwochs (14 bis 23 Uhr), samstags und sonntags (9 bis 23 Uhr). Er war zuvor montags, dienstags, mittwochs (bereits ab 14 Uhr) und donnerstags von 19 bis am Folgetag um 7 Uhr, von freitags 16 bis montags 7 Uhr (durchgehend) und an Feiertagen ebenfalls durchgehend besetzt. In Kirchen, das den Status „Basis“ erhalten hat, wird täglich nur noch bis 23 Uhr geholfen (die „alten“ Zeiten waren mit denen in Altenkirchen identisch). Bereitschaftsdienstzentralen (in Altenkirchen seit dem 1. Dezember 2013) sind die „Stellvertreter“ für Hausärzte, wenn deren Praxen geschlossen sind und Wehwehchen behandelt werden müssen, die sich als nicht „krankenhaustauglich“ erweisen. Dem Standort im DRK-Krankenhaus in Hachenburg wurden keine Änderungen „verpasst“.

Art der Kommunikation angeprangert
„Wie die Umstellung vermittelt wurde, hat zu gewissen Irritationen geführt“, nannte Landrat Dr. Peter Enders den Hauptgrund für den Nachbesserungsbedarf in Sachen „Aufklärung“. Aus medizinischer Sicht könne er nicht unbedingt „dagegen“ sein, „solche Überlegungen sind durchaus statthaft“. Erneut prangerte er die Art und Weise der Kommunikation an, wie der Vorsitzende des KV-Vorstands, Dr. Peter Heinz, in einer Videokonferenz Ende August die Modifikation vermittelt habe. Enders berichtete, dass seit Inkrafttreten der Neuordnung das Personal der Notaufnahme im Krankenhaus Altenkirchen über mehr Patienten berichtet habe, die die falsche Adresse aufgesucht hätten. „Die Bevölkerung differenziert nicht zwischen ambulanter und stationärer Versorgung“, ergänzte er. Darüber hinaus merkte er an, dass sich die Region nach der Entscheidung, das neue Hospital bei Müschenbach (und damit in der Nähe von Hachenburg) zu bauen, eine Stärkung des ambulanten Standortes in Altenkirchen gewünscht habe.

Ärztemangel auf dem Land
Als Hauptgrund für die Neuausrichtung führte Dr. Rainer Saurwein, Abteilungsleiter Stabsstelle Kommunikation der KV, den „Ärztemangel auf dem Land“ an und konstatierte eine „Ruhestandswelle“. Daraus ergebe sich ein hoher Bedarf an Nachfolge. Bei der Generation von Medizinern, die nachrücke, sei ein Trend zur Anstellung, Teilzeittätigkeit und Teamarbeit erkennbar. Den demografischen Wandel vor Augen, sieht Saurwein einen zukünftig höheren Behandlungsbedarf. Auf der anderen Seite liege Rheinland-Pfalz in der Zahl der Medizinstudienplätze in Relation zur Einwohnerzahl bundesweit auf dem viertletzten Platz. Zudem leisteten sich alle anderen Bundesländer gar kein nächtliches Angebot an ärztlicher Bereitschaft mehr. Demgegenüber stellte Saurwein den aufsuchenden ärztlichen Bereitschaftsdienst, wie er nunmehr praktiziert wird. Auf Anforderung begibt sich ein Arzt plus Fahrer nachts zu den Patienten, was, so Saurwein, eine deutlich schnellere medizinische und komfortablere Versorgung sicherstelle als wenn sich ein Erkrankter auf den Weg in eine Bereitschaftsdienstzentrale begebe. Unter dem Strich stehe der Kreis Altenkirchen mit 95 Öffnungsstunden der beiden Praxen in Altenkirchen und Kirchen immer noch wesentlich besser da als vergleichbare Kreise auf Bundesebene.

Dreh- und Angelpunkt: 116 117
Dreh- und Angelpunkt in dem gesamten Gefüge stellt die Telefonnummer 116 117 dar, unter der Fachkräfte bereits eine erste Einschätzung einer möglichen Erkrankung vornehmen. „Dieser Patientenservice wurde am 1. Januar 2020 eingeführt“, formulierte Dr. Nadja Moreno als Leiterin der Abteilung Sicherstellung der KV, „diese Nummer ist das Herzstück unserer Reform.“ Der Rettungsdienst sei natürlich weiterhin über die 112 zu erreichen, „die KV ist nicht im Rettungsdienst aktiv“. Dr. Andreas Bartels, stellvertretender KV-Vorstandsvorsitzender, betonte, dass die Wartezeit bis zur Entgegennahme eines Anrufes im Schnitt rund viereinhalb Minuten betrage, „in einer Praxis kann man durchaus mal zwei Stunden warten, bis man drankommt“, versuchte er einen Vorteil des fernmündlichen Angebots herauszustellen. Er verhehlte nicht, dass es zu Spitzenzeiten länger dauern könne. „Diese versuchen wir abzufedern“, schilderte Bartels.

Personal fehlt
Wie könnte es anders sein: Personell tun sich noch diverse Lücken auf - sowohl was medizinische Fachangestellte für die Bereitschaftsdienstpraxen, qualifiziertes Personal für die Telefon-Hotline als auch für Fahrer, die die Ärzte nachts durch die Landschaft kutschieren, betrifft. „Die Vergütung wurde bereits erhöht. Ärzte können zusätzlich ihre Leistungen, die sie mit uns abrechnen, höher geltend machen“, sagte Bartels. „Wir müssen die Menschen mitnehmen“, forderte Enders und sprach sich für eine „sehr intensive“ Werbekampagne aus, die, so Bartels, schon in den nächsten vier Wochen, besonders für die „116 117“, geplant sei, weil sie noch nicht verinnerlicht sei. Das neue System zeitnah zu evaluieren - dafür machten sich Anna Neuhof (Bündnisgrüne) und Bernd Becker (SPD) stark. So könne festgestellt werden, ob die Reform greife.

Kaum noch Diskussion um AWB-Verlust
„Deutlich ruhigeres Fahrwasser“ hat die Diskussion um die Deckung des Verlustes in Höhe von rund 3,52 Millionen Euro erreicht, die in die Bilanz des Abfallwirtschaftsbetriebes (AWB) des Kreises für das Jahr 2020 einfließen müssen und die aufgrund der Pleite der Greensill-Bank entstanden sind, der der der AWB zwei Geldanlagen anvertraut hatte. Zur Kenntnis nahm das Gremium, dass rund 2,88 Millionen Euro aus der allgemeinen Rücklage des Eigenbetriebs entnommen, die restlichen 640.000 Euro in die kommenden fünf Jahre „vorgetragen“ werden sollen - in der Hoffnung, dass der AWB Gewinne macht, um diese Summe auch noch zu tilgen. Wäre Greensill nicht gewesen, hätte der ABW sich über einen Jahresgewinnen von rund 80.600 Euro freuen können.

Tabu: Geld aus dem Kreishalt
Verworfen wurde die Variante, die 2,88 Millionen Euro aus dem Kreishaushalt zu decken. „Der AWB hat kein Liquiditätsengpass, und deshalb sollten wir das Problem nicht in den Kreishaushalt verlagern“, äußerte Kreisbeigeordneter Gerd Dittmann, in dessen Geschäftsbereich der AWB angesiedelt ist. Auch Marc Schwan, Leiter Unterabteilung Finanzen und Kommunales, lag auf dieser Wellenlänge: „Es macht keinen Sinn, derzeit Liquidität vom Kreis in Richtung AWB zu schieben“, wobei Becker sachte den monetären Transfer vom Stammhaus in das gegenüberliegende Domizil der Entsorgungsfachleute in Betracht gezogen hatte. Der Gebührenzahler soll mit dem Abtrag nicht behelligt werden. „Der Verlust darf nicht in die Kalkulationsgrundlagen eingehen“, stellte Dittmann sehr deutlich heraus. So wird sich erneut der Kreistag mit dem Themenkomplex in seiner nächsten Sitzung final befassen, nachdem er nach vorgeschalteter heftiger Diskussion im Werkausschuss ihn in seiner jüngsten Sitzung wegen weiteren Klärungsbedarfs an den Kreisausschuss überwiesen hatte. (vh)

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