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Nachricht vom 27.12.2021
Region
Verbot nicht beachtet: Altenkirchen wieder Schauplatz eines „Spaziergangs“
Der Montag wird gerne genommen, um zu demonstrieren. Einst waren es die friedlichen in der ehemaligen DDR, es folgten die von Pegida in Dresden. Nun sind es die, die Menschen, die mit Facetten der Corona-Pandemie nicht klarkommen, zusammenführt - wie zum zweiten Mal in Altenkirchen.
Auf dem Marktplatz in Altenkirchen wurden beim ersten Zwischenstopp auch Weihnachtslieder angestimmt. (Foto: vh)Altenkirchen. Nasskalt ist es an diesem Montagabend (27. Dezember). Rund um den Altenkirchener Bahnhof herrscht gegen 18 Uhr eine Menge Straßenverkehr. Viele Parkplätze sind besetzt. Aus den abgestellten Wagen ragen mehrere größere blau-weiße Kleinbusse der Polizei heraus. Ein paar Meter entfernt versammeln sich immer mehr Menschen, die mit so vielen Dingen rund um die Corona-Pandemie auf Kriegsfuß stehen. Die einen tragen Masken, die anderen wiederum nicht. Vielfach wird der geforderte Abstand nicht eingehalten. Kurz bevor sich die Menge in Bewegung setzt, Polizisten eine menschliche Absperrung in der Bahnhofstraße bilden, wird sie per Megafon daran erinnert, dass unangemeldete „Montagsspaziergänge“ per Allgemeinverfügung untersagt sind. Das stößt auf taube Ohren. „Freiheit, Freiheit“ skandierend, wendet sich der Tross, dem rund 200 Teilnehmer angehören, umgehend einer anderen Route zu, die ihn über Friedrich-Emmerich-, Kölner -, kleiner Quengel- und Hofstraße zum Marktplatz führt. Mehrere Weihnachtslieder werden in der Mitte der City angestimmt, Windlichter rund um den großen Tannenbaum platziert. Die erneute Anweisung „Wir fordern sie auf, die Veranstaltung sofort aufzulösen“ fruchtet wieder nicht. Im Gegenteil: „Wir setzen den ,Spaziergang‘ fort, setzt euch in Bewegung“, kommt alsbald die Aufforderung aus den Reihen der „Wanderer“.

Personalien werden festgestellt
Nach Fortsetzung des „Spaziergangs“ mit Rückkehr auf den Konrad-Adenauer-Platz macht sich rund ein Drittel der Akteure erneut in Richtung Innenstadt auf und wird wieder, wie bereits zuvor, von der Polizei begleitet. Auf dem Marktplatz kommt es schließlich zu vereinzelten Handgreiflichkeiten, als die Beamten die Personalien einiger Mitmachenden feststellen wollen, da Ordnungswidrigkeiten als Folge der Teilnahme an einer verbotenen Veranstaltung vorliegen. Ein Feuerwerkskörper, der aus der Menge geworden wird, verletzt niemanden. Nach und nach ziehen sich die Protestierenden zurück und beschwören „Friede, Freiheit, keine Diktatur“. Inzwischen werden die Windlichter zum zweiten Mal von der Feuerwehr gelöscht. Nach Polizeiangaben hatte eine kleine Gruppe sogar das Rathaus als Ziel des Marsches. Altenkirchen steht aber nicht allein auf der Liste der Orte für „Spaziergänge“. Viele weitere in Rheinland-Pfalz sind ebenfalls aufgeführt.

Maßnahme ist Teil der Demokratie
„Diese Versammlung ist weder angemeldet noch mit der geltenden Corona-Verordnung kompatibel“, nahm der Hausherr der Verbandsgemeindeverwaltung, Bürgermeister Fred Jüngerich, Stellung zum Geschehen in der Innenstadt, „daher wurde sie von der Kreisverwaltung untersagt. Eine solch notwendige Maßnahme untergräbt die Demokratie nicht, sie ist ein Teil von ihr.“ Über die Zahl der eingesetzten Beamten wollte der Leiter des Einsatzes, Polizeihauptkommissar Guido Böing, keine Angaben machen. Er war zunächst einmal davon ausgegangen, dass, wie im Internet in Messengerdiensten angekündigt, ein Autokorso an die Stelle des Sparziergangs hätte treten sollen. Auch ein solcher hätte durchaus unterbunden werden können, wie Böing darstellte, und nannte als Grundlage für ein mögliches Verbot die Straßenverkehrsordnung, die mehrmaliges Hin- und Herfahren oder dauerndes Hupen verbiete. „Es ist eine Grauzone“, stufte er ein, wohl wissend, dass Autokorsos als Freude über bestandene Abiturschulabschlüsse oder den Sieg im Fußball-WM-Finale durchaus geduldet würden.

Deeskalation eingefordert
Im Angesicht des großen Polizeiaufgebotes appellierte Volker Bosch, Inhaber eines Geschäftes in der Bahnhofstraße: „Ich wünsche mir dringend von der politischen Klasse unseres Landes bis hin zu den Verantwortlichen auf kommunaler Ebene, die besondere gesellschaftliche Situation, die durch das Pandemiegeschehen hervorgerufen wird, zu deeskalieren und für gegenseitiges Verständnis zu werben. Das kann meiner Meinung nach nicht durch ein martialisch anmutendes Polizeiaufgebot in, für Altenkirchner Verhältnisse, beeindruckender Zahl von Beamten erreicht werden. Ich fühlte mich deutlich an die 1970er-Jahre erinnert, wo mit ebensolchem staatlichen Auftreten der Ordnungsmacht eine hochnervöse politische Klasse den Bürgern zeigte, wo der Hammer hängt. Wen es interessiert, das war die Zeit der RAF-Fahndung. Ich fühlte mich sehr an diese Zeit erinnert. So werden die Gräben eher tiefer.“

Allgemeinverfügung erlassen
Die Kreisverwaltung Altenkirchen, die mit einem Vertreter der Ordnungsbehörde vor Ort war (das Ordnungsamt der Verbandsgemeindeverwaltung war dreifach vertreten), hatte angesichts des Verlaufs des ersten „Montagsspazierganges“ in Altenkirchen (20. Dezember) am 23. Dezember eine Allgemeinverfügung erlassen, „die die Durchführung von und Teilnahme an für den 27. Dezember im Kreisgebiet öffentlich angekündigten, aber unangemeldeten so genannten Montagspaziergängen untersagte“. Auch „jede weitere thematisch vergleichbare, nicht ordnungsgemäß angemeldete und behördlich bestätigte Ersatzversammlung im Landkreis Altenkirchen wird am vorbezeichneten Tag ebenfalls ganztägig verboten“, hieß es in der Allgemeinverfügung.

Weitere Infektionsgefahren ausschließen
„Nach den Erfahrungen von Polizei und Ordnungsbehörden nicht nur im Kreis Altenkirchen bei den bisherigen Veranstaltungen dieser Art stehen diese nicht im Einklang mit dem Versammlungsgesetz und den Corona-Bekämpfungsverordnungen, da die Abstandsregeln und Maskenpflicht nicht eingehalten werden. Zudem waren sie bisher nicht angemeldet“, hatte Landrat Dr. Peter Enders diesen Schritt erklärt. Rund 80 Prozent der Teilnehmer der Veranstaltung am 20. Dezember in Altenkirchen hätten demnach insbesondere gegen Maskenpflicht und Abstandsgebot gemäß Corona-Bekämpfungsverordnung verstoßen. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass angesichts der hohen Zahl nicht immunisierter Teilnehmer ein weiterer Verstoß gegen die Verordnung vorliegen werde: Der gemeinsame Aufenthalt nicht immunisierter Personen im öffentlichen Raum sei nur alleine, mit den Angehörigen des eigenen Hausstands sowie höchstens zwei Personen eines weiteren Hausstandes gestattet. Insofern habe man eine grundrechtliche Schutzpflicht, in deren Kontext auch zahlreiche zur Bekämpfung der sich verschärfenden Covid-19-Pandemie von Bund, Ländern und Gemeinden ergriffene Infektionsschutzmaßnahmen stehen. „Wir sehen, dass sich die Pandemie weiter ausbreitet, die Omikron-Welle ist im Anmarsch, dem tragen Bund und Länder mit neuen Regeln Rechnung. Vor diesem Hintergrund erscheint dieser Schritt nötig, um weitere Infektionsgefahren auszuschließen“, hatte Enders begründet. (vh)

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