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Nachricht vom 13.03.2011 |
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Region |
Die EU als Friedensstifter in Nahost |
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Der ehemalige israelische Botschafter und Publizist Avi Primor gastierte auf Einladung von Pro AK im Kulturwerk Wissen. Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen in Nordafrika und im Nahen Osten zeigte er auf, welche Akteure und Faktoren für einen dauerhaften Frieden in Nahost von Bedeutung sind. Der EU schreibt er dabei eine Schlüsselrolle zu. |
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Wissen. Der Besuch des ehemaligen israelischen Botschafters Avi Primor im Kulturwerk Wissen stand ganz im Zeichen der jüngsten politischen Umwälzungen in Nordafrika, ohne dass dabei die historische Dimension des Nahost-Konfliktes in den Hintergrund geriet. In seinem Vortrag zum Thema "Gibt es reelle Chancen für den Frieden in Nahost?" analysierte Primor die Standpunkte der politischen Akteure in der Nahostpolitik und nannte die Europäische Union als auch die USA als wichtigste Akteure, die den Friedensprozess im Nahen Osten entscheidend vorantreiben könnten.
"Es brodelt in der arabischen Welt", betonte Pro-AK-Vorsitzender Ulrich Schmalz, der die zahlreich erschienenen Zuhörer im Kulturwerk begrüßen durfte. Doch bringen die politischen Umwälzungen in der arabischen Welt mehr Freiheit und Demokratie, vergrößern sie die Friedenschancen im Nahen Osten? Die derzeitigen Ereignisse in den arabischen Ländern seien ein erster positiver Ansatzpunkt, sagte Primor, damit habe "ein langer, steiniger Weg zur Demokratie" begonnen. Demokratie könne man in den arabischen Ländern jedoch nicht erzwingen. Es fehle eine politische Kultur wie es sie beispielsweise in Deutschland gegeben habe, als man nach dem Zweiten Weltkrieg auf politische Parteien und eine langjährige Entwicklung von Parlamentarismus und Demokratie zurückgreifen konnte.
Europäische Union und die USA können Sicherheit gewährleisten
In Anbetracht der gegenwärtigen Konstellation in der internationalen Politik hält Avi Primor Frieden im Nahen Osten für durchaus möglich. Seit 2000 sei eine Fülle an Friedensentwürfen wie der des früheren US-Präsidenten Bill Clinton ("Clinton Parameters"), der Friedensplan von Saudi-Arabien im Jahre 2002 oder die Genfer Vereinbarung entstanden. Der ehemalige Botschafter Israels sieht nun die Europäische Union in der Pflicht, Israelis und Palästinenser zu einem Friedensabkommen zusammenzuführen. Die EU müsse voranschreiten, dann würde Europa Unterstützung von den USA als auch von den (gemäßigten) Palästinensern erhalten, die von der israelischen Besatzung befreit würden. Frieden in Nahost liege zwar im Interesse der EU und der USA, doch bislang habe man zu wenig dafür getan, lautete der Vorwurf. Für den von kriegerischen Auseinandersetzungen geplagten Staat Israel stehe die Sicherheit an oberster Stelle. Dies sei der Grund, warum bisher alle Friedenspläne gescheitert seien, betonte Primor. Die entscheidende Frage bestehe somit darin, wer die politische Verantwortung für die Sicherheit im Westjordanland übernehme. Dort müssten im Falle einer Räumung vorübergehend Truppen bereitgestellt werden, für ein Territorium, das etwa zwei Mal die Fläche des Saarlandes misst. Von alleine werde US-Präsident Barack Obama nicht die Initiative ergreifen, da ist sich der ehemalige Botschafter sicher, zu sehr sei ein großer Teil der amerikanischen Öffentlichkeit gegen eine Einmischung in Israel. So sei Europa aufgefordert, endlich Kühnheit zu zeigen und zu handeln.
Nahost-Geschichte von vielfältigen Konflikten geprägt
Seit der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 habe es vor allem zwei Gründe gegeben, die Frieden in Nahen Osten verhinderten. Zum einen weigerten sich die arabischen Länder lange, die Existenz Israels zu akzeptieren. "Sie wollten den Staat Israel im Keim ersticken", blickte Primor auf die Zeit der Staatsgründung zurück, und hielten das über Jahrzehnte für "machbar". Ägyptens damaliger Präsident Anwar as-Sadat habe keineswegs aus Überzeugung Frieden mit Israel geschlossen, sondern aus eigenem politischen Interesse. Schließlich sei Ägypten nach den Kriegen "der absolute Feind" gewesen. Andererseits verwies Primor auf die Hintergründe des bis heute andauernden Konfliktes zwischen Israelis und Palästinensern. Unter Berufung auf die Bibel und das Erbe des jüdischen Volkes, habe Israel Territorien für sich beansprucht, die einmal zu den jüdischen Königreichen gehört haben sollen. An diesen Forderungen äußerte Primor offen Zweifel, nicht zuletzt der Siedlungsbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem sorgten für Zündstoff im Nahost-Konflikt. Im Falle eines Friedensabkommens werde Israel auf Teile Jerusalems verzichten, glaubt der ehemalige Botschafter. Es sei eine Legende, dass die Stadt unteilbar sei.
Zudem bezeichnete der frühere Diplomat die Entscheidung der Scharon-Regierung, den Gazastreifen zu räumen, als einen "großen Fehler". Die Folgen spürten nun die Israelis in den angrenzenden Gebieten, die von der Hamas mit Raketen attackiert werden. Vor diesem Hintergrund sei Israel nicht bereit, ohne weiteres aus dem Westjordanland abzuziehen. Von dort aus könnte die extremistische Hamas-Bewegung Städte in ganz Israel bombardieren. Grundsätzlich sei die Mehrheit der israelischen Bevölkerung für die Räumung des Westjordanlandes. "Die Grundlage für einen Frieden ist da", resümierte Primor. Doch so lange man auf beiden Seiten Fanatikern die Oberhand überlasse, werde sich die Lage nicht entspannen.
Nach einer abschließenden Diskussionsrunde dankte Ulrich Schmalz dem Referenten für die weitreichenden Einblicke in 63 Jahre Nahost-Geschichte. Man müsse den Menschen im Nahen Osten eine Vision vermitteln, was Frieden an ökonomischen, gesellschaftlichen und kulturellen Möglichkeiten bedeute, sagte er. Zugleich lenkte Schmalz den Fokus auf einen neuen Krisenherd in der internationalen Politik: die Naturkatastrophe in Japan. Der Pro-AK-Vorsitzende sprach dem japanischen Volk im Namen aller Anwesenden sein Mitgefühl aus.
Zur Person
Avi Primor wurde 1935 in Tel Aviv geboren und machte sich als jüngster, jemals von Israel entsandter Botschafter einen Namen, als er mit 27 Jahren in das heutige Benin entsandt wurde. Von 1987 bis 1991 war er in Belgien und Luxemburg als Botschafter in der Europäischen Union tätig, von 1993 bis 1999 weilte er als israelischer Botschafter in Deutschland und gilt seitdem als eine der wichtigsten Stimmen im deutsch-israelischen Dialog. An der Universität Herzliya in Tel Aviv begründete er in Kooperation mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf das Zentrum für europäische Studien und leitet dort einen trilateralen Studiengang für israelische, palästinensische und jordanische Studenten. In seinem 2010 erschienenen Werk "Frieden in Nahost ist möglich - Deutschland muss Obama stärken" beschäftigt sich der Publizist mit den Friedenschancen im Nahen Osten. (tb)
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Nachricht vom 13.03.2011 |
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