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Nachricht vom 26.02.2022 |
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Politik |
Kirchen: Für einen kurzen Moment prallen die Corona-Lager aufeinander
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Auf einer Mahnwache am Parkdeck vor der Kirchener Verwaltung erinnerten 125 Teilnehmer an alle Corona-Opfer und setzten ein Zeichen gegen die sogenannten "Spaziergänger". Deren Demo fand in direkter Nähe ebenfalls an diesem Samstagabend (26. Februar) im Stadtgebiet statt. Während des Rundgangs stießen dann die beiden Lager aufeinander. |
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Kirchen. Lange sah es so aus, als wenn dieser Samstagabend ohne besondere Vorkommnisse verlaufen würde. Die Zusammenkünfte von zwei unterschiedlichen Lagern der Corona-Politik waren parallel gestartet vor und um dem Kirchener Verwaltungsgebäude. Bereits zum siebten Mal demonstrierten sogenannte "Spaziergänger" ihre Abneigung gegen die Pandemiemaßnahmen und dem Impfen. Auf einer dieser Zusammenkünfte waren zuvor auch vier Kirchener Bürger. Das dort Gesagte veranlasste sie mit dazu, zu der Mahnwache aufzurufen, die jetzt ebenfalls an diesem Abend stattfand. Unterstützt wurde diese Versammlung von diversen Parteien, Gewerkschaften und Initiativen. 125 Frauen und Männer waren gekommen, um aller Corona-Opfer zu gedenken und ein Zeichen gegen die "Spaziergänger" zu setzen. Viele der Ordner in gelben Westen, die entsprechend der Vorgaben auf die Einhaltung von Abständen achteten, waren junge Menschen.
Auf der Mahnwache wurden von den Rednern dann auch deutliche Signale ausgesendet. So sagte Edelgard Giesa in Abgrenzung zu den Thesen der "Spaziergänger": "Wir dürfen nicht zulassen, dass eine kleine Gruppe die Grundprinzipien unserer Demokratie erschüttert." Die abwechselnd vorgetragenen Redepassagen von Claudia Schramm und Guenter Weber unterstrichen, wofür die Mahnwache aus Veranstaltersicht steht: für die Menschen, die mit oder an Corona gestorben sind, für diverse Gruppen, die besonders von der Pandemie belastet und herausgefordert werden oder für die (noch) keine Impfung möglich ist sowie für diejenigen, die sich haben impfen lassen. In dem Beitrag verdeutlichten Schramm und Weber auch, dass sie Spaltung, Fehlinformationen und politische Hetze von – wie sie sagten – Rechten wütend mache.
Zwar waren die Teilnehmer weit weniger umfangreich mit Plakaten ausgestattet als die "Spaziergänger" – einer von ihnen hatte zum Ausgleich allerdings gleich mehrere Botschaften auf seinem Schild untergebracht. Konkret: "Menschen, die glauben, dass die Impfung das Erbgut verändert, sollten dies als Chance begreifen. Viele Grüße an die Deppen der AfD, den Dritten Weg und all die anderen Fake-News-Hörigen und Verbreiter", "Mit Nazis geht man nicht spazieren!", "Nachdenken statt Querdenken" und "Impfen statt Schimpfen".
Nach den Reden, einem Schweigemoment und Musikbeiträgen endete schließlich die Mahnwache nach rund 25 Minuten. Das Fazit der Veranstalter fällt positiv aus. Als der AK-Kurier nach dem Ende der Mahnwache mit ihnen sprach, hatten sich die "Spaziergänger" bereits in Bewegung gesetzt durch das so gut wie menschenleere Innenstadtgebiet. Wer erzwungenermaßen Notiz nahm von der Demo, das waren die Autofahrer, denen in der Bahnhofsstraße wegen der 180 bis 190 "Spaziergänger" Geduld abverlangt wurde.
Ein Schild der "Spaziergänger" fällt auf
Zahlreiche Schilder hatten die Demo-Teilnehmer vorbereitet, um ihre Positionen zu unterstreichen. Darunter waren bekannte Parolen wie "Stoppt sofort alle Maßnahmen gegen die Kinder!!", "Solidarität lässt sich nicht impfen – Spaltung anscheinend schon." oder "Es geht immer nur um Kontrolle, Macht und Geld." Auffällig war ein Plakat, das laut einem Bericht der Siegener Zeitung mindestens auf einem vorangegangenen "Spaziergang" in Kirchen schon zum Zuge kam. Die Aufschrift "Nürnberg 2.0 is loading.“ war versehen mit einem Fortschrittsbalken. Bei "Nürnberg 2.0", handelt es sich laut der Süddeutschen Zeitung um einen rechtsextremen Online-Pranger.
Kurz vor dem Ziel der "Spaziergänger", dem Platz vor dem Rathaus, kam es dann zu einem kurzzeitigen Aufeinandertreffen der beiden Lager. Eine kleinere Gruppe der Mahnwachen-Teilnehmer stand am Straßenrand vor dem Parkdeck, gegenüber der geschlossenen Privilegierte Apotheke – und streckte ihnen ihre zu Peace- bzw. Victorygesten geformten Hände entgegen. Unter ihnen befand sich auch Edelgard Giesa. An ihrem Körper hang wie den gesamten Abend über schon immer noch das Schild mit der Aufschrift: "80 Jahre Wannseekonferenz – Gegen jede Holocaust-Verharmlosung."
Um die Gruppe der Mahnwachen-Teilnehmer hatte sich eine Kette von Polizistinnen und Polizisten gebildet. Der Zug der Maßnahmen-Kritiker stoppte zwar nicht, allerdings riefen sich die Vertreter der beiden Lager diverse Parolen zu, die für den Reporter aufgrund des Pfeifengeheuls nicht alle eindeutig zuzuordnen waren - darunter Slogans wie "Massenmörder!", "Nazis raus", "Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung!".*
"Lassen uns nicht in rechte oder linke Ecke drücken"
Auf der Abschlusskundgebung vor dem Rathaus sagte Veranstalter Andreas Ziegenrücker in seiner Ansprache an die Teilnehmer gerichtet: "Wir lassen uns nicht instrumentalisieren oder in irgendeine rechte oder linke Ecke drücken." Bezogen auf seine Person erklärte er in Richtung der Veranstalter der Mahnwache, dass er nachweisbar mehr Flüchtlinge ausgebildet und finanziell unterstützt habe, "wie ihr jemals in eurem Leben machen werdet". Offenbar ärgerte er sich in dem Zusammenhang nachhaltig über die in der Ankündigung zur Mahnwache erhobenen Vorwürfe. Die entsprechende Pressemitteilung sei "wahrscheinlich unter berauschenden Mitteln" geschrieben worden, so Ziegenrücker. Ebenso kritisierte er die Presse, darunter den AK-Kurier, dafür, dass sie den Text veröffentlicht hat.
Aber natürlich zielte der Redner auch auf die Pandemiemaßnahmen und das Impfen. Beispiele? "Folgt der Spur des Geldes – und ihr werdet sehen, dass eure Entscheidung, egal wie sie ausgefallen ist, die richtige ist." Besonders hob er hervor, wie sehr Kinder während der Pandemie litten. Daneben ging er auf die Analyse von Versichertendaten der Betriebskrankenkassen BKK ein, die kürzlich Schlagzeilen machte, weil sie auf eine deutlich höhere Zahl an Impfnebenwirkungen kommt als das Paul-Ehrlich-Institut. (Unter anderem hatte die Welt berichtet und hier Reaktionen von Medizinern sowie der Politik aufbereitet. - Anmerkung der Redaktion.)
Zum siebten Mal habe man, so Ziegenrücker, bewiesen, "dass wir friedlich und tolerant mit dem Gegenüber umgehen können." Es ist davon auszugehen, dass es nicht der letzte Spaziergang in Kirchen sein wird – oder in den Worten des Veranstalters: "Wir werden so lange weitermachen, bis jeder zur Verantwortung gezogen ist, der uns diesen Mist aufzwingen will." Auch von Seiten der Bürger hinter der Mahnwache ist eine Folgeveranstaltung fest eingeplant: Für Sonntag, den 6. März, rufen sie zu einer Kundgebung unter dem Motto "#Freiheit für alle" auf. (ddp)
* In einer früheren Artikelversion wurde zwar darauf hingewiesen, dass der Schreiber vor Ort die aggressiven Rufe nicht eindeutig einschätzen konnte aufgrund des Geheuls der Trillerpfeifen und Tröten. Um dies nun zusätzlich herauszustellen, hat der Autor die entsprechende Passage angepasst beziehungsweise konkretisiert. (ddp)
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Nachricht vom 26.02.2022 |
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