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Nachricht vom 03.03.2022
Politik
Parteienstreit: Brenner als hauptamtlicher Beigeordneter der VG Betzdorf-Gebhardshain?
Ein öffentliches Statement der FWG-Fraktion brachte die anderen Parteien in Aufruhr. Darin hatten sich die Freien Wähler festgelegt, auf Joachim Brenner (CDU) als hauptamtlichen Beigeordneten zu setzen. Derzeit übt der 49-Jährige die Funktion ehrenamtlich aus. Die FWG-Pressemitteilung zog deutliche Reaktionen der anderen Parteien nach sich.
Jochaim Brenner (Foto: Website CDU-Kreisverband Altenkirchen)Region. Der aktuelle öffentliche Disput um eine wichtige personelle Weichenstellung in der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain begann mit einem Statement der FWG-Fraktion. Darin hatten die Freien Wähler klar Position bezogen zur bevorstehenden Wahl eines hauptamtlichen Beigeordneten für die Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain. Wenn es nach der FWG geht, soll der derzeitige ehrenamtliche 1. Beigeordnete Joachim Brenner (CDU) das Amt auch hauptamtlich bekleiden. Dem vorangegangen war eine Abstimmung im Verbandsgemeinderat pro Hauptamt.

Brenner, der 18 Monate Bürgermeister Bernd Brato während seiner Krankheitsphase vertrat, hat bereits bestätigt, dass er antreten wird zur Wahl als hauptamtlicher Beigeordneter. In dem öffentlichen Statement unterstützten die Freien Wähler dies deutlich. Demnach spricht sich die sechsköpfige Ratsfraktion klar dafür aus, den bisherigen 1. VG-Beigeordneten Joachim Brenner (49) aus Gebhardshain bei der Wahl zum "Hauptamtlichen" zu unterstützen. "Er versteht sein Handwerk und hat hervorragende Arbeit geleistet", schreiben die Freien Wähler. Das dicke Lob beziehe sich vor allem auf die rund 18-monatige Dienstzeit, in der Joachim Brenner den erkrankten Bürgermeister Bernd Brato im Amt maßgeblich vertreten habe. Auch allgemeine Befähigungskriterien wie fachliche Voraussetzungen und amtliche Kompetenz werden von der FWG hervorgehoben.

Ampel-Fraktionen widersprechen FWG deutlich
Als Reaktion auf die öffentliche Festlegung meldeten sich auch die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen zu Wort. In einem Presseschreiben reagieren die Parteien "mit Entsetzen", wie sie schreiben, auf die veröffentlichte Absicht, vor der Wahl eines hauptamtlichen Beigeordneten für die Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain keine weiteren Kandidaten in Betracht zu ziehen.

SPD-Fraktionschef Benjamin Geldsetzer: "Man macht die mehrheitlich beschlossene Ausschreibung zur Farce. Wenn man ohne Wenn und Aber den eigenen Kandidaten installieren wollte, hätte man das offen sagen sollen. Offenbar stand die Versorgung des Kandidaten im Vordergrund und nicht die Frage, ob wir überhaupt die Hauptamtlichkeit brauchen." Die drei Fraktionen rufen vor dem Hintergrund vor Augen: "Eine Mehrheit aus FWG und CDU und LINKEN hatte gegen die Stimmen der anderen Fraktionen die Einführung der Hauptamtlichkeit durchgesetzt." Geldsetzer kritisiert: Eine 18-monatige Vertretungsarbeit während der Erkrankung des Bürgermeisters könne nicht das Entscheidungskriterium für die "sehr teure Einführung" der Hauptamtlichkeit sein. Hier gehe es um Aufbau- und Ablauforganisation der Verbandsgemeinde zur ebenso effizienten, wie effektiven Aufgabenerledigung, heißt es weiter in der Pressemitteilung der Ampel-Fraktionen. Geldsetzers Vertreter Bernd Becker ergänzt: "Aus unserer Sicht geht es insbesondere darum, die Fusion der beiden Alt-VGen zu vollenden, statt Trennendes zu forcieren."

Auch FDP-Sprecher Jannik Blähser zeigt sich in dem gemeinsamen Schreiben bestürzt: "Angesichts der enormen Kosten von über 1,3 Millionen Euro in acht Jahren an Gesamtkosten, wollen wir ein offenes Bewerbungsverfahren um die beste Bewerberin oder den besten Bewerber zu finden, der oder die mit uns zusammen die gesamte Verbandsgemeinde nach vorne bringt. Wir wollen durch die Kompetenzen, Erfahrungen und Kenntnisse dieser Person profitieren. Ein Ausschreibungs- und Auswahlverfahren muss das Ziel haben, am Ende den oder die Bewerber/in mit der bestmöglichen Qualifikation auszuwählen und nicht einen Bewerber von vorneherein als 'gesetzt' zu betrachten, ohne die weiteren Bewerber überhaupt zu berücksichtigen. Hier darf es nicht um persönliche Beziehungen, Gefälligkeiten oder Parteizugehörigkeiten gehen.“

Christel Mies, die Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, ist laut der gemeinsamen Pressemitteilung fassungslos, wie vor allem CDU und FWG eine Person gezielt zum hauptamtlichen Beigeordneten machen wollten: "Im Hauruckverfahren wurde auf Kosten der Steuerzahler:innen ein neuer Posten geschaffen , ohne dass die Notwendigkeit und die einzelnen Aufgabengebiete vorher geklärt wurden. Sinnvolle Maßnahmen, wie die Aufstockung von Personal, die Aufwertung der Fachbereichsleitungen oder Aufgabenverschiebungen, wurden gar nicht zur Diskussion angeboten. Es scheint ja auch schon klar zu sein, dass der neue Hauptamtler in Gebhardshain sitzen soll. Man sollte sich fragen, ob zwei Chefs an zwei Orten dem Sinn der Fusion entsprechen, die vor allem die Einsparung von Steuermitteln und Zusammenlegung von Arbeitseinheiten zum Ziel hatte.

In einem an Bürgermeister Brato gerichteten Schreiben macht die SPD deutlich, worum es ihr im Verfahren geht und welche Ziele sie verfolgt. Dort heißt es unter anderem: "In dem Zusammenhang ist es für die SPD-Fraktion ganz besonders wichtig, dass der/die Bewerber:in mit uns zusammen die Ziele der Fusion der beiden Alt-Verbandsgemeinden verfolgt. Um es klar zu sagen: Unser Ziel ist eine effiziente und effektive Verwaltung als guter Arbeitgeber an einem Standort mit Bürgerbüros (mit eingeschränkten Öffnungszeiten oder nach Vereinbarung) in Gebhardshain und Betzdorf. Wer eine 'Zwei-Rathaus-Lösung' mit 'eigenem Bürgermeister' in Gebhardshain verfolgt, kann unsere Zustimmung keinesfalls erhalten." In dem auch von FDP und Grüne unterstützten Schreiben postuliert die SPD-Fraktion: "Es gibt eine Vielzahl hochqualifizierter Bewerber:innen für das ebenso attraktive wie lukrative Amt eines hauptamtlichen Beigeordneten. Diese haben es auch verdient, in einem korrekten Auswahlverfahren in Konkurrenz treten zu können, auch dann, wenn es dazu keine rechtliche Verpflichtung geben sollte. Das hat auch etwas mit Umgangsformen und Anstand zu tun."

Und weiter: "Die Vorstellungsgespräche sollten in nichtöffentlicher Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses stattfinden. Es geht in einem solchen Gespräch – neben dem Kennenlernen – auch darum, zu erfahren, mit welchen Vorstellungen der Bewerber oder die Bewerberin dieses Amt antreten und ausführen möchten und für welche Fachbereiche – ergänzend zu denen des Bürgermeisters – besondere Interessen, Neigungen und Kenntnisse vorhanden sind."
Die drei Fraktionen unterstreichen abschließend: Letztendlich stimmt der Verbandsgemeinderat in einer geheimen Wahl über die Bestellung des Bewerbers ab.

CDU verteidigt FWG
Das wollten die CDU-Fraktion und ihr Fraktionssprecher Bernd Mockenhaupt nicht unwidersprochen stehen lassen: Sie schreiben: "Wenn der SPD-Fraktionssprecher Geldsetzer hier unterstellt, dass mit der Einführung des Hauptamtes nur ein Versorgungsposten für den jetzigen ehrenamtlichen Beigeordneten Joachim Brenner geschaffen werden sollte, ist das an Unverschämtheit nicht mehr zu überbieten." Brenner habe eine gute Position in der Kreisverwaltung Altenkirchen inne und benötige keine Versorgung, so die CDU.

Die Entscheidung für die Änderung der Hauptsatzung und der Einführung des Hauptamtes des 1. Beigeordneten sei nach sachgerechten Erwägungen getroffen worden und im Übrigen nicht gegen den Willen von Bürgermeister Brato (SPD), der der Hauptamtlichkeit positiv gegenüberstehe.

Joachim Brenner habe in seiner 18-monatigen Vertretungszeit seine Aufgaben sachlich, zusammenführend, überparteilich und dem Bürgermeister gegenüber loyal durchgeführt, so die CDU weiter – und betont: "Wenn Herr Becker (SPD) der Meinung ist, die Wahl von Herrn Brenner würde Trennendes forcieren, hätte er ihm in der Amtsführung der vergangen 18 Monaten gerne einen solchen Vorwurf des Trennenden machen können. Das hat er aber in keiner Sitzung getan, da es dafür keinen Grund gab. Also gibt es auch keinen Grund, Joachim Brenner für die Zukunft ein solches Verhalten zu unterstellen." Die CDU gibt Jannik Blähser von der FDP Recht, "wenn er sagt, dass der beste Bewerber gewählt werden soll und es hierbei nicht um persönliche Beziehungen, Gefälligkeiten, und Parteizugehörigkeit gehen soll. Es gehört jedoch auch zur Wahrheit, dass es in einer Demokratie bei allen Fraktionen eine je eigene Diskussion um den besten Kandidaten gibt und dass die Meinungen der Fraktionen voneinander abweichen dürfen." Die "ureigene" Entscheidung der FWG-Fraktion gebe keinen Grund, "über die Entscheidung einer anderen Fraktion herzufallen".

Die CDU-Fraktion geht auch auf den Vorwurf der Grünen Christel Mies ("zwei Chefs an zwei Orten") ein: Wie sie zu dieser Einschätzung komme, ist den Christdemokraten vollkommen unklar. Sie schreiben: "In diese Stoßrichtung geht auch der Kommentar der SPD hinsichtlich eines 'eigenen Bürgermeisters' in Gebhardshain. Nach der Gemeindeordnung, den tatsächlichen Gegebenheiten und nach Meinung der CDU-Fraktion gibt es nur einen Bürgermeister der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain, und dies ist Bernd Brato (SPD)." Gleichzeitig geht die CDU darauf ein, dass der Hinweis auf die Möglichkeit, dass ein hauptamtlicher Beigeordneter ein Büro in Gebhardshain beziehen könnte, in der vorletzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom Bürgermeister selbst kam.

Und CDU-Fraktionschef Mockenhaupt abschließend: "Der Fraktionssprecher Geldsetzer mahnt ferner 'Umgangsformen und Anstand' gegenüber allen anderen, der Öffentlichkeit nicht bekannten Bewerbern an und verunglimpft gleichzeitig in derselben Pressemitteilung den einzig öffentlich bekannten Bewerber Joachim Brenner. Bei derart pharisäerhaftem Verhalten des SPD-Fraktionssprechers fühlt sich die CDU-Fraktion wie in Absurdistan. Wenn das die 'Umgangsformen und der Anstand' des Kollegen Geldsetzer sind, dann ist es mir lieber, wenn ich so etwas nicht besitze."

Linken-Ortsverband wirft SPD Heuchelei vor
Auch Manfred Wolter von dem heimischen Ortsverband der Linkspartei nimmt Stellung: "Die Änderung der Hauptsatzung der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain mit dem Beschluss, die Funktion des 1. Beigeordneten als hauptamtliche Funktion einzuführen, erfolgte doch völlig personenunabhängig. Dieser Entschluss wurde demokratisch mit einer deutlichen Mehrheit gefasst und nicht gegen die Stimmen der anderen Fraktionen durchgesetzt. Dabei ging es keinesfalls um persönliche Beziehungen, Gefälligkeiten oder Parteizugehörigkeiten."

Bei der anstehenden Wahl des Bewerbers beziehungsweise Bewerberin sei es völlig normal, dass Wahlämter politisch besetzt werden. "Deswegen sind es Wahlbeamte und keine Lebenszeitbeamte. Als Vertreter der Partei DIE LINKE im Verbandsgemeinderat habe ich den Eindruck, die SPD und ihre Verbündeten wollen das Amt doch auch politisch besetzen und zwar mit dem eigenen Kandidaten, so Wolter.

Die Stellungnahme der SPD sei doch "eine künstliche Aufregung". Es gehe ihr gar nicht um einen fairen Umgang mit allen Bewerbern, sondern darum, den SPD-Kandidaten durchzusetzen, schreibt Wolter weiter – und abschließend. "Aus diesem parteipolitischen Konflikt einen regionalen Konflikt zu machen und hier das bevölkerungsstärkere Betzdorf gegen das Gebhardshainer Land in Stellung zu bringen, ist doch pure Heuchelei. Ich möchte nur an die damalige Kampagne der SPD erinnern, wonach es gemeinsam besser ginge, wovon man heute offenbar nichts mehr wissen will." (Red./PM)
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