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Nachricht vom 24.03.2022
Kultur
Altenkirchens Spiegelzelt-Organisator Nöllgen: Vorwürfe nicht hinzunehmen
Spiegelzelt hier oder da – in Altenkirchen oder Neitersen? Die Frage ist längst mit dem Verbleib in der Kreisstadt beantwortet. Rund um die Gewährung von Zuschüssen für die Kultur wurden die Arbeit und der Ton in Schreiben des Organisators Helmut Nöllgen in Sitzungen lokaler Gremien kritisiert.
Helmut Nöllgen organisiert als Chef des Kultur- und Jugendkulturbüros Haus Felsenkeller auch das Spiegelzelt. (Foto: Archiv/Wolfgang Rabsch)Altenkirchen. Ohne Gegenrede: Das Spiegelzelt ist das (!) kulturelle Leuchtturmprojekt in der Stadt Altenkirchen, der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld und weit darüber hinaus. Es startete im Jahr 2001 und wird seit 2002 im Zwei-Jahres-Rhythmus auf dem Schlossplatz bespielt. 2020 fiel die Veranstaltungsserie coronabedingt aus, wurde auf 2021 verschoben und musste erneut gestrichen werden. Der nächste Anlauf ist für den Spätsommer/Frühherbst diesen Jahres geplant. Dass Organisator Helmut Nöllgen als Chef des Kultur- und Jugendkulturbüros Haus Felsenkeller für die Ausrichtung auf Zuschüsse aus öffentlicher Hand angewiesen ist, steht außer Zweifel. In den zurückliegenden Wochen gab es hier und da einmal Dissonanzen in lokalen Gremien, was das finanzielle Zubrot betraf. Teilweise wurde Nöllgen durchaus sogar hart kritisiert. In einem Interview mit dem AK-Kurier äußert er sich zu Vorwürfen, warum als Standort Neitersen in Betracht gezogen worden war und wie die Finanzierung des Spiegelzeltes erfolgt. Das Gespräch im Wortlaut:

Warum ist überhaupt der Standort Neitersen ins Spiel gekommen?
Um die Zusammenhänge zur Diskussion über eine angedachte Verlegung des Spiegelzeltes nach Neitersen zu verstehen, müssen - auch im Nachklang zu Artikeln in heimischen Medien - einige Dinge erklärt und in einen Zusammenhang gebracht werden. Diese Diskussion über eine etwaige Verlegung wurde schon in den Jahren der Fusionsfindung von der Verbandsgemeinden Altenkirchen und Flammersfeld in den Jahren zwischen 2016 und 2018 vom Kulturbüro mit politischen Mandatsträgern offen und damals unaufgeregt geführt. Verschiedene Standorte in Flammersfeld, Horhausen usw. waren im Gespräch. Standortvorteile gegenüber dem Schlossplatz in Altenkirchen wurden auch damals schon zur Sprache gebracht, vor allem aber ging es auch um eine Rotation innerhalb der neuen VG.

Welche Vorteile sahen Sie am Standort Neitersen?
Das waren in Stichpunkten: coronabedingter, erhöhter Platzbedarf, vergrößertes "Vorzelt" mit größeren Zuschauerabständen insbesondere im Ein- und Ausgangsbereich; Kosteneinsparung/wirtschaftliche Gründe/vorteilhaftere Infrastruktur; Wegfall eines sehr teuren Unterbaus - bestehend aus speziellem Schwerlastgerüst und Hunderten von Paletten, die nötig sind zum Ausgleich des Gefälles auf dem Schlossplatz. Im Gegensatz dazu ist das Gelände neben der Wiedhalle ebenerdig; durch erweitertes Vorzelt rund 100 bis 130 Zuschauerplätze mehr, dadurch mehr Platz für geschlossene Veranstaltungen/Galaabende und dadurch wiederum höhere Einnahmen sowie optimierte Buffetabläufe; die Küche in der Wiedhalle war für Caterer und Gastronomie einer der wesentlichsten Gründe; geringere Kosten für WC und Garderobencontainer für Zuschauer und Künstler; Toilettennutzung für Publikum und Künstler erheblich vereinfacht; angemessener Aufenthaltsraum für Künstler in der Wiedhalle vorhanden. Deshalb dachten wir im Kulturbüro über einen anderen Standort innerhalb der VG nach und fanden diesen nach langem Suchen und Abwägen schließlich neben der Wiedhalle in Neitersen.

Wie war der weitere Ablauf?
Zunächst mussten mit den dortigen Verantwortlichen Klärungen stattfinden, um dann im zweiten Schritt mit der VG zu sprechen. Bedauerlicherweise waren Gerüchte schneller und sorgten geradezu zeitgeistgerecht für eine explosiv aufgeladene Situation. Leider ist es auch beim Kulturprojekt Spiegelzelt so, dass kaum jemand von denen, die sich lautstark seitens der Politik äußerten, die komplizierte Gesamtfinanzierung und/oder die Komplexität der alltäglichen Abläufe etc. nur im Geringsten klar ist. Personen, die das Spiegelzelt noch nie von innen gesehen haben, glauben, dennoch alles zu wissen und bestimmen zu können. Mit dem angedachten Standort Neitersen wäre alles innerhalb der VG geblieben.

Waren Sie überrascht, dass der Standort Altenkirchen so vehement verteidigt wurde?
Dass mit solcher Vehemenz an dem Standort Altenkirchen festgehalten wird, bleibt teils unverständlich. Es war für uns in keiner Weise in der Vergangenheit zu erkennen, dass der Stadt selbst als Austragungsort derart daran gelegen war. Mit lediglich 2.000 Euro Förderungshöhe bei einem Kulturprojekt mit einem Kostenvolumen von rund 230.000 Euro war dies nicht zu erkennen. Das außergewöhnliche Programm, mit diesem Leuchtturmprojekt viele namhafte Künstler in einer Kreisstadt zu haben, damit wurde gerne vollmundig geworben. Man muss aber wissen und einpreisen, dass nicht selten alleine ein Abend mit solch namhaften Künstlern im Spiegelzelt wie unter anderem Vicky Leandros, Ulrich Tukur, Paul Kuhn, Romy Haag usw. mit rund 20.000 Euro an Ausgaben für Gage, Hotelkosten, Technik, Catering, Gema, Künstlersozialkasse, etc. verbunden ist.

Hatten Sie die Heftigkeit der Reaktionen in den Sitzungen lokaler Gremien erwartet?
Leider ist es immer wieder so, dass Statements einzelner Gremiumsmitglieder zu hören oder zu lesen sind, die nicht stimmen bzw. eindeutig auf mangelnde Informationen schließen lassen oder gar polemisch bestimmte Strömungen zwischen politischen Mitgliedern populistisch bedienen und gezielt Stimmungen erzeugen sollen. Wenn zum Beispiel zu lesen ist, es gäbe keine saubere Trennung der Kulturprojekte und vieles würde vermischt, "bis es passe" und Nachweise fehlten, ist dies schlichtweg falsch und nicht hinzunehmen.

Sondern…
Für alle Zuschussgeber wie Land, Kommune und andere legen wir schon immer, vierfach geprüft durch Land, ADD, Finanzamt und Steuerbüro, nachvollziehbare, differenzierte Verwendungsnachweise vor. Das ist Standard.

Wie wird das Spiegelzelt finanziert?
72 Prozent der Gesamtkosten von 230.000 Euro werden durch Eintritte, Sponsoring, Erwirtschaftung aus Vermietung und Eigenleistung, also dem Einsatz des Kulturbüros, erbracht bei anteiliger Finanzierung von 17 Prozent durch das Land, bislang 9 Prozent durch die VG, 0,9 Prozent durch die Stadt und 0,9 Prozent durch den Kreis. Das heißt, wir im Kulturbüro Haus Felsenkeller e.V. müssen die nicht durch Zuschüsse abgedeckten Mittel von 72 Prozent – das sind 165.000 Euro - erwirtschaften. Dies geschieht mittels schwer kalkulierbarer Eintrittseinnahmen (erst recht in Coronazeiten), Vermietungen an Gesellschaften und zu akquirierende Sponsorengelder, die unsererseits zusätzlich noch in das Gesamtprojekt einfließen müssen. "Vermischungen" - wenn man es so nennen will - gibt es bei der von uns beschafften Sponsorengesamtsumme für das komplette Jahr, die für alle kulturellen Aktivitäten und Veranstaltungen reichen muss, also auch alle Veranstaltungen außerhalb des Spiegelzeltes.

Ließe sich das Spiegelzelt auch von anderen Anbietern organisieren?
Würde das Spiegelzelt von einer externen Agentur organisiert und durchgeführt, wären zu den 230.000 Euro des Gesamtvolumens mindestens noch weitere rund 70.000 Euro für Planung, Organisation und Durchführung fällig. Hinzu kämen weitere rund 70.000 Euro für die Anmietung des gesamten Spiegelzeltinventars wie Polsterstühle, Bistrotische, Buffettische, Barwand etc., denn wir mieten ein leeres Spiegelzelt an und statten dieses ohne Berechnung mit unserem umfangreichen, vereinseigenen Equipment aus. Finanzpositionen, die einfach nicht gesehen werden wollen, über die nie gesprochen wird und dennoch unbedingt einzupreisen sind. Die Zusammenarbeit mit der Verbandsgemeinde ist gut und bringt schon seit vielen Jahren eine zuverlässige Größe in die kulturellen Kooperationen und somit in erstklassige Angebote übers Jahr, so auch diese alle zwei Jahre stattfindende Großveranstaltung. Tatsache ist, dass niemand außer uns im Kulturbüro das hundertprozentige Risiko für das Spiegelzelt trägt. Nicht das Land, nicht die Verbandsgemeinde und erst Recht nicht die Stadt Altenkirchen und Gremienmitglieder sowieso nicht. (vh)

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