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Nachricht vom 10.06.2022 |
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Politik |
Hochwasservorsorge für VG Kirchen: "Lange Hausaufgabenliste, die wir bekommen haben"
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"Man wird keinen Hochwasserschutz hinbekommen, wir reden von Hochwasservorsorge": Das sagte der Kirchener Bauamtsleiter Tim Kraft bei der Vorstellung des Hochwasservorsorgekonzeptes. In der Zusammenstellung sieht Bürgermeister Andreas Hundhausen "eine lange Hausaufgabenliste, die wir bekommen haben". |
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Kirchen. Es war ein umfassender Abschlussbericht, den Dr. Kaj Lippert vom Ingenieurbüro Björnsen in Koblenz bei der Vorstellung des Hochwasservorsorgekonzeptes abgab. Ausführlich ging er auf die kommunale Vorsorge ein, zum Beispiel mit Rückgewinnung von Retentionsraum und Berücksichtigung von Hochwasser und Starkregen beim Aufstellen des Flächennutzungsplanes sowie bei der Bauleitplanung, sagte Lippert. Das Anlegen von Mulden könne auch Wasser zurückhalten. Bei der technischen Vorsorge sollten Abflussprofile zum Beispiel an Brücken aufgeweitet werden. Die Erneuerung von Rechen diene einer hydraulischen Optimierung. Ein weiterer Aspekt ist die Außengebietsentwässerung mit Gräben sowie die Sicherung der Notabflusswege. Die Gefahrenabwehr im Rahmen des Katastrophenschutzes ist ein weiterer Aspekt, auf den der Fachmann einging, zum Beispiel mit Stichworten wie Frühwarnung und Koordinierung von Hochwasser- und Starkregeneinsätzen.
Privathaushalte seien vornehmlich von Starkregen betroffen, weniger von Flusshochwasser. „Jedes Gebäude ist anders“, sagte Lippert. Es müsse geprüft werden, wo die Einfallstore für Wasser seien, zum Beispiel Kellerfenster und Eingangsbereiche, Garagen und Einfahrten. Er machte aufmerksam, dass derjenige, der eine Beratung haben möchte, im Rahmen des Projektes eine Förderung von 90 Prozent erhalten kann. Er erwähnte auch die Elementarversicherung. Von den mehr als 22 Millionen Adressen in Deutschland würden bei einem Starkregenereignis fast 80 Prozent betroffen sein.
Angesichts der Vielzahl an Maßnahmen, die sich im Hochwasservorsorgekonzept mit 140 beziffern, stellte er einzelne Punkte in den Orten vor und skizzierte, was man machen kann. So zum Beispiel, wie Wasser um Grundstücke systematisch herumgeleitet werden kann. Oder wie Privatleute Bauvorsorge mit hohen Bordsteinen treffen können. Im Rahmen der Vorsorgemaßnahmen erwähnte Lippert auch, dass man die Änderung der Flächenbewirtschaftung in die Betrachtungen einbeziehen können. Das sei nicht nur auf das Wasser bezogen, sondern auch auf die Erosionsgefährdung.
Der Löcherbach in Harbach hat an der Straße „Alte Wegscheide“ eine kleine Brücke. Die Krux: Der Durchfluss ist mit Sediment „völlig versandet“, berichtete Lippert: „Das Abflussprofil ist nicht mehr so gegeben.“ Der Querschnitt ist bereits bewachsen. Lippert regte an, dass das Oberasser des Baches wie renaturiert wird, um Sediment abzufangen. Und Bürgermeister Hundhausen erwähnte, dass bereits angeleiert ist, den Querschnitt zu öffnen. Der Löcherbach als Gewässer dritte Ordnung liegt in der Zuständigkeit der Verbandsgemeinde.
In Kirchen widmete sich Lippert besonders dem Siegdeich. Dieser beginnt an der Siegbrücke an „Langsecke“ und zieht sich flussaufwärts in Richtung Freusburg durch die „Au“. Nach dem Jahrhunderthochwasser 1984 sei der Damm erhöht worden, berichtete Umweltbeauftragte Monika Lieth. „Für ein Hochwasser, wie es alle 100 Jahre vorkommen kann“, so Lippert. Eine Höhenanpassung sei angebracht, meinte er. Am Bespiel des Siegdammes verdeutlichte er, wie weitreichend da das Hochwasservorsorgekonzept geht. In dem Gebiet an der Austraße liegt das Ev. Altenzentrum. Es habe spezielle Gespräche für ein Evakuierungsszenario gegeben.
In Offhausen am Imhäuserbach griff er die Verrohrung auf. Der Einfluss ist kurz vor den Tennisplätzen und führt unter diesen weiter. Dahinter liegt auch die Kita „Im Wiesengrund“, die zur „kritische Infrastruktur“ zählt. Das Problem sei der Einlauf. Auch hier wird sich bald schon etwas tun: „Die Verbandsgemeinde hat die Planung schon angestoßen, das gesamte Bauwerk wird umgestaltet“, informierte Hundhausen.
„Das Wasser folgt der Gravitation“, sagte Lippert als er auf Steilstraßen in Niederschelderhütte zu sprechen kam. Nach seinen Angaben könnte beispielsweise an der Hermannstraße das Wasser bei einem entsprechenden Starkregen dem natürlichen Verlauf folgend auf das Gelände der Brauerei fließen. Mit Maßnahmen könne man beispielsweise auch hier etwas machen, war sich Lippert sicher.
Aus der Versammlung gab es einige Fragen, zum Beispiel, ob aufgrund des Kahlschlags in den Wäldern in den vergangenen drei Jahre von den Brachen viel Wasser kommen werde? Die Forstwirtschaft sei sehr bemüht anzupflanzen, was aber einfach Zeit benötige. Lippert sieht nicht gegeben, dass aufgrund des Kahlschlages von diesen Flächen mehr Wasser komme. Auch die Frühwarnsysteme kamen aufs Tapet. Hundhausen erinnerte, dass Sirenen auf den neusten Stand gebracht werden sollen, in der Verbandsgemeinde Kirchen habe man die Sirenen noch installiert.
Ulrich Merzhäuser aus Mudersbach sieht Handlungsbedarf bei Weiden, die entlang der Sieg faulen werden. Nach seinen Angaben müsse „zwischen Niederschelderhütte und Büdenholz dringend etwas geschehen“. Der Hintergedanke ist es, dass umgestürzte Bäume nicht später an Bauwerken hängen bleiben und das Wasser aufstauen. Das gelte für die Asdorf genauso, sagte Hundhausen. Man melde Bäume, die querliegen würden. „Manchmal geht es schnell, manchmal nicht“, sagte der Bürgermeister. Für die Asdorf sei der Kreis zuständig, für die Sieg das Land.
Kurt Möller interessierte die Frage, ob Bebauungen im Retentionsraum verboten werden können? Generell sei eine Bebauung in ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten verboten. Es gebe jedoch Ausnahmen, wenn gewisse Bedingungen die Ausnahmeregeln erfüllen, antwortete Lippert.
Eine Teilnehmerin beklagte die Versiegelung von Wohnbauflächen, und zwar wenn 100 Prozent bebaut und gepflastert seien. Im Bestand etwas zu verändern, das sei schwierig, sagte Bauamtsleiter Kraft. So etwas müsse bei der Bauleitplanung berücksichtigt werden. Der nahm aber unbebaute Flächen im Ort in den Blick. Der meinte damit Flächen, „die mit Wasser umgehen können“. Für ihn vorstellbar ist es, dass man solche Flächen eben nicht in die Innenentwicklung einbezieht. Lippert brachte den Begriff „Schwammstadt“ ein. Das sei auch bei Hitzezeiten ein Thema, weil das Wasser etwas länger im Siedlungsgebiet gehalten werden könne. Aus seiner Sicht aus könnte man beim Stichwort Entsiegeln etwas bewirken, wenn Anreize geschaffen werden würden.
Mit den Vorleistungen des Ingenieurbüros, so Bürgermeister Hundhausen, „haben wir eine lange Hausaufgabenliste bekommen“. Nun werde man damit „on Tour in die Ortsgemeinde“ gehen, auch um ab dem Haushalt 2023 Mittel für eine Umsetzung bereitzustellen – und: „Als Verbandsgemeinde werden wir uns personell verstärken müssen.“ Für die Gewässerunterhaltung benötige man noch Manpower, und auch beim Fördermanagement soll sich etwas tun. Darauf sei man angewiesen, sagte der Verwaltungschef, denn: „Wir müssen am richtigen Topf stehen, wenn dieser ausgeschüttet wird.“ (tt)
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