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Nachricht vom 26.07.2023 |
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Region |
Brandstiftung in Wissen - Angeklagter beruft sich auf Erinnerungslücken |
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Am 10. Februar 2023 wurde durch Brandstiftung die katholische Kirche in Wissen erheblich zerstört. Dieser Fall sorgte im Kreis Altenkirchen und darüber hinaus für großes Entsetzen und mediale Aufmerksamkeit. Sogar Ministerpräsidenten Malu Dreyer sah sich veranlasst, im Rahmen ihrer Sommertour durch den Westerwald, der schwer beschädigten Kirche einen Besuch abzustatten. |
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Koblenz/Wissen. Am 25. Juli begann vor der 6. Strafkammer des Landgerichts Koblenz der Strafprozess gegen den Angeklagten, begleitet von großem medialem Interesse.
Was wirft die Staatsanwaltschaft Koblenz dem Angeklagten vor?
Dem 39-jährigen Angeklagten wird von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, am 10. Februar gegen 3 Uhr nachts in eine katholische Kirche in Wissen eingebrochen zu sein und dort Feuer gelegt zu haben.
Dazu habe der Angeklagte Kirchenbänke, Holzkreuze und Teppiche aufeinandergestapelt. Durch den Brand wurden unter anderem ein Hochaltar aus dem 18. Jahrhundert und zwei Orgeln zerstört. Der Schaden beläuft sich insgesamt auf rund 2.000.000 Euro. Nach der Tat begab sich der Angeklagte in ein Krankenhaus, dort wurde eine Alkoholisierung von 1,6 Promille festgestellt. Der Vorwurf lautet zusammengefasst gemeinschädliche Sachbeschädigung und Brandstiftung.
Zur Person gab der Angeklagte an, dass er in der ehemaligen Sowjetrepublik Kirgisistan geboren wurde. Nach der Übersiedlung nach Deutschland sei er auf einer Förderschule gewesen, habe jedoch keinen Schulabschluss. Wegen psychischer Störungen und Depressionen habe er sich aufgegeben, aber trotzdem einen Job als Pflegehilfskraft in einem Seniorenheim angenommen. Dort sei ihm jedoch gekündigt worden. Zurzeit erhält er ein Bürgergeld von etwa 500 Euro, zudem bezahlt der Staat Miete, Strom und Heizung.
Als später der Vorsitzende den Bundeszentralregisterauszug (BZR) verlas, wurde der Grund für die Kündigung klar. Wegen Körperverletzung verurteilte ihn ein Amtsgericht zu einer Geldstrafe, weil er eine Seniorin, die bettlägerig war und nicht mehr selbstständig die Toilette aufsuchen konnte, beim Verrichten ihrer Notdurft auf den Bauch und ins Gesicht schlug, dadurch erlitt die Seniorin Hämatome.
Verteidigererklärung mit Entschuldigung des Angeklagten
Rechtsanwalt Alexander Neutz verlas eine Verteidigererklärung, hier die Zusammenfassung: "Der Angeklagte war zu Besuch bei einem Freund in Wissen, bei dem er auch häufig übernachte. Da der Freund wusste, dass der Angeklagte Alkoholprobleme hatte, aber seiner Meinung nach seit mehreren Monaten keinen Alkohol getrunken habe, war es fatal, dass der Angeklagte in der Wohnung des Freundes sechs Flaschen Desperados entdeckte. Innerhalb weniger Minuten leerte der Angeklagte die Flaschen und kam dadurch wieder richtig auf den Geschmack. Da der Freund kein Alkohol mehr im Haus hatte, ging der Angeklagte in ein nahegelegenes Bistro und trank dort fünf Bier und dazu jeweils ein Glas Jägermeister. Als das Bistro schloss, kaufte der Angeklagte an einer Tankstelle zehn Flaschen Bier und eine Flasche Jägermeister mit 0,5 Liter Inhalt. Der Angeklagte hegte Suizidgedanken und wollte sich eigentlich entweder totsaufen oder vor einen Zug werfen. Wie er in diesem Zustand in die Kirche gelangte und was dort passiert sei, daran habe der Angeklagte keinerlei Erinnerung mehr. Erst viel später sei er wieder zu sich gekommen, als er sich wegen seiner Suizidgedanken praktisch selbst in die Psychiatrie einwies. Da der Angeklagte auf einem Überwachungsvideo in der Nähe der Kirche zu sehen ist, möchte er sich für den entstandenen Schaden entschuldigen."
Ein Krankenpfleger der Psychiatrie bestätigte als Zeuge, dass der Angeklagte dort erst aufgenommen worden sei, nachdem dieser mit Selbstmord drohte. Ein Assistenzarzt bestätigte die Aussage des vorhergehenden Zeugen und ergänzte, dass der Angeklagte von körperlicher Gewalt durch den Vater gesprochen habe, die bereits in der Kindheit begonnen habe.
Von Interesse war die Aussage des Freundes des Angeklagten, der sichtlich bemüht war, vom Angeklagten einen guten Eindruck beim Gericht zu zeichnen. Obwohl beide sich unregelmäßig bei ihm träfen, habe er das Vertrauen seiner gesamten Familie und habe sogar auf den Hund aufgepasst, wenn die Familie mal weggefahren sei. "Ich wusste von seinen Depressionen und seinem Alkoholproblem, darum habe ich auch normalerweise keinen Alkohol im Haus, habe aber übersehen, dass noch ein Sixpack Desperados irgendwo stand. Mein Freund hat das Bier gesehen und innerhalb weniger Minuten sämtliche Flaschen geleert. Weil er anscheinend auf den Geschmack gekommen war und ich ihm keinen Alkohol mehr anbieten konnte, verließ er die Wohnung und machte sich auf den Weg zu einem in der Nähe gelegenen Bistro. Was danach geschah, habe ich erst am nächsten Tag erfahren. Über sein Verhältnis zur Kirche im Allgemeinen haben wir nie gesprochen".
Führten religiöse Motive zu der Tat?
Der Vorsitzende verlas einen beschlagnahmten Brief, den der Angeklagte an seine Lebensgefährtin geschrieben hatte. Darin schrieb er unter andrem von dämlichen Christen, die Hexen verbrannt und Kreuzzüge durchgeführt hätten. Auch Kinder wären von der Kirche verprügelt und vergewaltigt worden. Dadurch stand unterschwellig im Raum, ob vielleicht religiöse Motive die Ursache für die Brandstiftung gewesen sein könnten.
Es sollten noch Videoaufnahmen einer Überwachungskamera vorgeführt werden, die den Angeklagten beim Betreten der Kirche zeigen sollten, wegen technischen Problemen, gelang dies aber nicht.
Zwei Sachverständige werden während der gesamten Verhandlung anwesend sein, um abschließend ein toxikologisches Gutachten zum genossenen Alkohol zu erstellen und die Frage zur Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit zu beantworten. Der AK-Kurier wird vom Fortgang des Prozesses weiter berichten. (Wolfgang Rabsch)
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Nachricht vom 26.07.2023 |
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