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Nachricht vom 18.09.2023
Region
"Das Leben macht mehr high als jede Droge dieser Welt"
Wie gelingt Drogenprävention? Wie kann man es schaffen, Jugendliche glaubhaft vor den Gefahren des Drogenkonsums zu warnen? Zum Beispiel, indem man von den eigenen entsetzlichen Erfahrungen erzählt. Genau das hat Autor Daniel Gebhart nun an der IGS Horhausen getan.
Der Autor Daniel Gebhart (stehend l.) war jetzt mit seiner Lesung aus dem Buch „Strassenstaub“ zu Gast an der IGS Horhausen, mit im Bild (v.r): Schulleiter Norbert Schmalen, Indira Gehlen, Yvonne Berndt und Melanie Kaul. (Foto: Kreisverwaltung/Thorsten Stahl)Horhausen. Es ist eine aufgeregte Geschichte, doch wird sie unaufgeregt erzählt. Wohltuend unaufgeregt. Dabei hätte Daniel Gebhart allen Grund, seinen Emotionen bei dieser Lesung auch verbal freien Lauf zu lassen. Doch der Mann, der da vor den Achtklässern der IGS Horhausen sitzt, ist ein anderer Mann als der, von dem im Buch die Rede ist. Insofern ist es eine Biografie der ganz speziellen Art.

„Strassenstaub“ nennt sich das Buch, aus dem mittlerweile ein Lebensprojekt geworden ist. Gebhart war Trinker, Junkie und Dealer - mittlerweile ist der 36-Jährige Botschafter, Aufklärer und Vater von „etlichen“ Kindern (wie er seine Patchwork-Familie beschreibt). Auf Einladung von Yvonne Berndt (Jugendschutz der Kreisverwaltung) und in Kooperation mit den Schulsozialarbeiterinnen Melanie Kaul und Indra Gehlen war der aus Landau stammende Autor nun zu Gast in Horhausen. Zuvor hatte er bereits an der Bertha-von-Suttner-Realschule plus in Betzdorf gelesen.

„Ich habe alles genommen“
Am Anfang seiner Vorträge vor den Schülerinnen und Schülern steht dabei ein Bekenntnis: „Ich habe alles genommen, was es gibt auf dem Planeten“, sagt Gebhart, dessen Suchtkarriere im zarten Alter von zehn Jahren begann, als er erstmals mit Alkohol und Nikotin in Berührung kam. Am Ende steht sein Rat und Appell an die Jugendlichen: „Es ist alles möglich, wenn ihr nur daran glaubt.“ Bis bei Gebhart dieser Traum in Erfüllung geht, durchlebt er aber erstmals die Version als Albtraum.

Ruhig und sachlich, fast schon dokumentarisch erzählt er von seiner Kindheit und Jugend in der Pfalz, vom immer tieferen Abrutschen in die Szene, vom immer größer werdenden Verlust der Selbstwahrnehmung und Selbstkontrolle. Gebhart wählt dabei bewusst Passagen aus seinem Buch, in dem das schwierige Verhältnis zu seinen geschiedenen Eltern deutlich wird. Die Geborgenheit und Liebe einer Familie ist das, was ihm nach eigenen Angaben stets gefehlt hat. Zwischen den Zeilen wird Mutter und Vater eine Mitschuld an der kriminellen Karriere gegeben, doch wird die eigene Verantwortung nicht gänzlich ausgeblendet.

Wegen Überforderung der Eltern landet Gebhart irgendwann im Heim, fliegt auch dort schnell wieder raus und durchlebt anschließend seinen ersten Entzug in der Psychiatrie – das aber auch nur, weil als eine Art „Belohnung“ die erste eigene Wohnung winkt. Problembewusstsein? Weiterhin Fehlanzeige! „Die Party ging dann erst richtig los“, schildert der Autor die weitere Entwicklung. Gemeinsam mit seiner ebenfalls noch minderjährigen Freundin steigt Gebhart im großen Stil in den Handel mit Ecstasy ein. Er gerät ins Visier der Polizei, steht kurz vor der Hausdurchsuchung – dann der große Wendepunkt: Seine Freundin ist schwanger, Gebhart wird mit 18 erstmals Vater einer Tochter. Es wird ein extrem schwieriger Weg zurück, einschließlich Psychose. Und doch hat er es geschafft.

Perspektiven aufzeigen, ohne den Zeigefinger zu erheben
So steht Gebhart heute als anderer Mensch in den Schulen und will Perspektiven aufzeigen, ohne den drohenden Zeigefinger zu erheben: „Das Leben macht mehr high als jede Droge dieser Welt“, gibt er seinen jungen Zuhörern mit auf den Weg und ermuntert sie dazu, ihren Träumen zu folgen. Dass er damit ankommt, liegt auch an der bereits beschriebenen Art: Der Landauer verzichtet bewusst auf jede Attitüde seiner früheren Szene und wirkt trotzdem bzw. gerade deshalb authentisch. Der ideale Rahmen für eine abschließende Fragerunde, bei dem die Jugendlichen mit Gebhart unter sich blieben.

Fazit: Eine mehr als gelungene Präventionsveranstaltung, die – so war in ersten Reaktionen zu erkennen – die Schülerinnen und Schüler nachhaltig beeindruckt hat und perfekt dazu geeignet war, möglicherweise falschen Weichenstellungen im Leben vorzubeugen. (PM)
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