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Nachricht vom 07.12.2023
Region
Flüchtlingszustrom: Lokale Politik bittet Dreyer, Sorgen und Nöte von vor Ort ernst zu nehmen
Sie kommen ohne Unterlass – auch in den Kreis Altenkirchen. Die Zahl der Geflüchteten, die untergebracht werden müssen, ist immens, Wohnraum kaum noch vorhanden. Ein Containercamp bei Isert soll vorübergehend Abhilfe schaffen. Per Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer fordert die kommunale politische Ebene, die Sorgen und Nöte von vor Ort ernst zu nehmen.
Der Flüchtlingszustrom hat sich zu einem großen Problem in der gesamten Republik entwickelt. (Foto: Pixabay)   Altenkirchen. Die Situation im Kreis Altenkirchen – und nicht nur dort – wird immer prekärer. Der Zustrom von Geflüchteten, die im AK-Land unterzubringen sind, reißt nicht ab. Freier Wohnraum ist so gut wie nicht mehr vorhanden. Ein „Containerdorf“ bei Isert soll vorübergehend für Entspannung bei der Schaffung eines Domizils sorgen. Gemeinsam haben sich Landrat Dr. Peter Enders und die sechs hauptamtlichen Bürgermeister der Verbandsgemeinden, Fred Jüngerich Altenkirchen-Flammersfeld), Bernd Brato (Betzdorf-Gebhardshain), Helmut Stühn (Daaden-Herdorf), Dietmar Henrich (Hamm), Andreas Hundhausen (Kirchen) und Berno Neuhoff (Wissen), in einem Brief an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer gewandt und sie nachdrücklich aufgefordert: „Nehmen Sie bitte die Sorgen und Nöte der kommunalen Ebene ernst und setzen Sie sich mit Nachdruck auf Bundesebene dafür ein, dass entsprechend notwendige und kurzfristig umsetzbare Maßnahmen endlich getroffen werden.“

Kapazitäten in der Region faktisch aufgebraucht
Das Schreiben im Wortlaut: „Durch den immer noch sehr hohen Zustrom von Flüchtlingen in die Bundesrepublik stehen Länder und Kommunen weiterhin vor großen Herausforderungen im Bereich der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern … Trotz Aufstockung der Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Rheinland-Pfalz sind diese nach wie vor mit über 90 Prozent ausgelastet mit der Konsequenz, dass seit Beginn des 4. Quartals 2023 die Zuweisungszahlen auf die Kommunen im Verteilstrang VQA (Anm. der Red.: VQA = Asylbewerber) kontinuierlich gesteigert werden mussten, zuletzt mit 550 Personen pro Woche. Nach der aktuellen Verteilquote macht dies für den Landkreis Altenkirchen rund 22 Personen pro Woche aus. Gemeinsam mit unseren Verbandsgemeinden setzen wir alles daran, den ankommenden Flüchtlingen — fast ausschließlich nur noch männliche junge Alleinreisende — adäquaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Allerdings gibt der Markt hier tatsächlich nichts mehr her. Die Kapazitäten in unserer Region sind faktisch aufgebraucht. Auch der mit Datum vom 29. November angekündigte leichte Rückgang von Asylbegehrenden wird hier nicht für Entspannung sorgen können. Die Nutzung von Dorfgemeinschaftshäusern, Sporthallen und anderen öffentlichen Einrichtungen zur Unterbringung von Flüchtlingen galt, anders als in anderen Regionen unseres Landes, im Kreis Altenkirchen bis dato immer als Ultima Ratio. Dies stets verbunden mit der Hoffnung, diese letzte Option nicht ziehen zu müssen. Nach den Entbehrungen und Einschränkungen für den Schul- und Vereinssport in den Corona-Jahren gibt es für einen solchen Schritt keine Akzeptanz in der Bevölkerung.“

Ein temporärer Verteilstopp
„Hinzu kommt, dass die Unterstützungsbereitschaft gegenüber geflüchteten Menschen aus der Ukraine im Landkreis Altenkirchen weiterhin auf einem hohen Niveau ist. Seit Februar 2022 haben wir insgesamt 2630 Flüchtlinge aufgenommen, aktuell halten sich davon noch rund 2000 Personen bei uns auf. Damit liegt der Landkreis mit fast 41 Prozent noch immer über der Verteilquote im Land Rheinland-Pfalz. Nach dem Verteilkonzept VQUS (Anm. der Red.: VQUS = Vertriebene aus der Ukraine) ergibt sich für unseren Landkreis auf Grund der Überschreitung zwar ein temporärer Verteilstopp, jedoch findet dies leider nach wie vor keine Berücksichtigung bei den Zuweisungen nach dem Verteilstrang VQA. De Facto kann freistehender Wohnraum schlichtweg nur einmal bezogen werden, entweder durch ukrainische Flüchtlinge oder Asylbewerber aus anderen Herkunftsländern. Hier sollte dringend mit Beginn des 1 . Quartals 2024 auf ein Gleichgewicht unter den Kommunen hingewirkt werden.“

Physische und psychische Belastungen
„Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, wir sind uns sicherlich einig, dass sich in Sachen Flüchtlingspolitik dringend etwas ändern muss. Im Land Rheinland-Pfalz fehlt es flächendeckend an Wohnraum. Vielerorts werden zwar unter Druck und äußerster Kraftanstrengung neue Wohnplätze geschaffen, die jedoch bereits vor Bezugsfertigkeit verplant sind. Darüber hinaus sind Infrastruktur und Angebote zur Integration der Flüchtlinge erschöpft bzw. nicht mehr realisierbar. Die zuständigen Kolleginnen und Kollegen bei den Verbandsgemeindeverwaltungen als letztes Glied in der Kette sind mittlerweile dauerhaft enormen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, die wir kaum noch kompensieren können. Die zuletzt von Bund und Ländern beschlossene finanzielle Unterstützung zur Stärkung der kommunalen Haushalte war längst überfällig, jedoch ändert sie nichts an der Tatsache, dass Wohnraum nicht mehr zur Verfügung steht. Eine Entlastung für die Verantwortlichen vor Ort ist hierdurch ebenfalls nicht zu erwarten.“

Sicherheitsempfinden der Bevölkerung beachten
„Nicht außer Acht lassen dürfen wir schließlich auch das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung. Wo immer in diesen Wochen und Monaten über die Einrichtung einer Unterkunft für Flüchtlinge nachgedacht wird, äußern sich Bedenken in Vokabeln wie „Angstgefühl" oder „Sicherheitsrisiko". Auch wenn dem mehr Vorurteile und subjektives Empfinden als objektiv nachvollziehbare Erfahrungen zugrunde liegen, gehört auch dieser Aspekt zur Gesamtbetrachtung der schwindenden Akzeptanz für die Flüchtlingspolitik innerhalb der Bevölkerung. Mangelnde Polizeipräsenz und ebenfalls teilweise überlastete Ordnungsämter tragen dabei leider zum Eindruck der Menschen bei. Die Gesellschaft insgesamt darf nicht weiter strapaziert werden! Die Unterstützungsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Altenkirchen gegenüber Menschen, die aufgrund von Angst um Leib und Leben ihre Heimat verlassen mussten, ist nach wie vor sehr hoch. Allerdings merken wir eine immer angespanntere und kritischere Stimmung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um die Aufnahme und Unterbringung von Personen aus den Herkunftsländern geht, bei denen von vornherein feststeht, dass sie mit größter Wahrscheinlichkeit als Asylbewerber nicht anerkannt werden. Eine Einreise dieses Personenkreises ist nicht mehr akzeptabel. Es muss schnellstmöglich gehandelt werden! Auch vor dem Hintergrund der Perspektivlosigkeit eines immer weiter fortschreitenden Zustroms von Menschen ohne echte und dauerhafte Integrationsperspektive, die zu einer Entmutigung bei Bevölkerung und Beschäftigten führt, appellieren wir abschließend: Nehmen Sie bitte die Sorgen und Nöte der kommunalen Ebene ernst und setzen Sie sich mit Nachdruck auf Bundesebene dafür ein, dass entsprechend notwendige und kurzfristig umsetzbare Maßnahmen endlich getroffen werden.“

Nachrichtlich erhielten Achim Schwickert, Vorsitzender des Landkreistages Rheinland-Pfalz, und Aloysius Söhngen, Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz, jeweils Kenntnis von diesem Schreiben. (vh)
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