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Nachricht vom 26.12.2023 |
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"Rosies Weihnacht - Eine kleine, ganz unspektakuläre, aber weihnachtliche Geschichte" - Teil 2 |
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Was macht man an einem total verregneten Urlaubstag? Doris Manroth aus Windhagen hat den verkorksten Tag fern von Zuhause genutzt, um eine weihnachtliche Kurzgeschichte zu schreiben: "Rosies Weihnacht - Eine kleine, ganz unspektakuläre, aber weihnachtliche Geschichte" präsentieren die Kuriere in drei Teilen. Viel Spaß beim Lesen! |
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"Rosies Weihnacht - Eine kleine, ganz unspektakuläre, aber weihnachtliche Geschichte" - Teil 1 lesen Sie hier!
Teil 2
Tims Freund Gordon holte die beiden am Bahnhof in Stroud ab. Er hatte Tim zum Krankenhaus gefahren und war den ganzen Abend bei ihm geblieben. Bei der Bekämpfung der Schmerzen hatte Tim offensichtlich weniger auf Medikamente als mehr auf einen guten Macallen gesetzt: zwei Gläser mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit standen noch auf dem Wohnzimmertisch, als Rosie ihren Mann in die Arme schloss.
Gordon, der hoffentlich den Whisky nur in homöopathischen Dosen genossen hatte, trug ihr Gepäck herein und schickte sich an, nach Hause zu fahren. "Wann immer ihr etwas braucht, meldet euch bitte!", bot er an und Rosie versprach's.
Im Laufe des späten Abends wurde klar, dass Tim mit seiner Verletzung selbst in ein paar Tagen nicht fliegen konnte. "Ich bleibe hier und du fliegst mit Ida allein", schlug Tim ihr vor, doch davon wollten weder Rosie noch Ida etwas wissen.
"Wir werden dich ja wohl irgendwie in den Flieger bekommen!", beschwerte sich Ida.
"Ich bin doch kein Gepäckstück!", beschwerte sich Tim. "Nein, es geht wirklich nicht. Fliegt zusammen, ihr beiden. Macht euch keine Sorgen um mich." Dann schlief er auf dem Sofa ein, müde von der Anstrengung und den Schmerzen. Seit jeher schnell in ihren Entscheidungen, wusste Rosie noch vor Mitternacht, was sie zu tun hatte.
"Ich bleibe selbstverständlich auch hier!" Ida bestand am nächsten Morgen trotzig auf ihrem Standpunkt. Sie saßen am Küchentisch. Für Tim hatten sie einen bequemen Sessel aus dem Wohnzimmer geholt, doch er war trotzdem recht bleich um die Nase. Ruhig erklärte er ihr, dass sie auf alle Fälle die Festtage mit ihrer Familie verbringen musste, und deshalb solle sie allein zurückfliegen.
"Nein, ich bleibe hier! Ihr könnt nicht zur Kirche, ihr könnt nicht zu euren Freunden, nicht mal den großen Baum könnt ihr allein im Wohnzimmer aufbauen. Das ist doch kein Weihnachten!" Rosie drückte liebevoll ihre Hand. "Wir brauchen dieses Jahr keinen Baum. Wir werden es trotzdem gemütlich haben."
"Nein, das ist ja wohl richtig besch-"
"Ida!", mahnte Rosie sanft.
"Ist doch wahr! Zuhause in Deutschland trifft sich die ganze Verwandtschaft und ihr beiden seid zum ersten Mal nicht dabei. Das ist total doof!"
"Es ist doch nur ein Jahr", meinte Rosie.
Tim, dem es wirklich viel ausmachte, dass er der Grund war, warum sie nicht planmäßig verreisen konnten, verzog das Gesicht. Ida blieb stur. "Und dein Geschenk, Granpa, ist dieses Jahr auch im Eimer! Dann könnt ihr euch noch nicht einmal gegenseitig überraschen!"
"Was die Geschenke angeht, hat Rosie ja schon gesehen, was ich vorhabe. Ich stelle es dann eben im neuen Jahr fertig."
"Das ist ein Scheißplan!"
"IDA!!!", mahnten nun Tim und Rosie wie aus einem Mund.
Erbost schob Ida ihren Stuhl zurück und stampfte auf ihren Norwegersocken aus der Küche. Jegliche Weihnachtsstimmung war dahin.
Die Sterne vom Himmel holen
Am nächsten Tag fing es erst zart, dann ausgiebig an zu schneien. Der Schnee legte sich wie eine Watteschicht auf die Landschaft und dämpfte auch Idas erhitztes Gemüt.
Rosie stand ganz hinter ihrer Entscheidung, da sie sah, wie Tim sich quälte (obwohl er es selbstverständlich zu verstecken versuchte). Mit ihrer Tochter hatte sie bereits telefoniert. Sie würden den Besuch nachholen, sobald es Tim besser ging.
Die verbleibende Zeit wurde für Ida dann doch noch schön. Sie spielte Karten mit Tim, sah sich Fotoalben und Weihnachtsfilme mit Rosie an, sie buken Plätzchen und weil Rosie dort noch einiges zu organisieren hatte, besuchten sie den Weihnachtsmarkt, während Tim sich ausruhte.
An einem der noch wenigen verbleibenden Nachmittage räumte Ida das Werkzeug im Gartenhaus fort, das nun für einige Wochen wohl nicht mehr gebraucht wurde.
"Hier steckst du also!", Rosie trat - mit einem Teebecher in der Hand - ein und sah sich ebenso wie Ida um. "So eine schöne Idee, nicht wahr?"
Ida nickte und legte den Schraubenzieher in die Werkzeugkiste. "Granpa wollte es nur noch kurz fertigmachen und dich damit überraschen."
"Ich weiß." Sie fuhr liebevoll mit der Hand an der Reihe Gartenbücher vorbei, die aufgestapelt auf dem Tisch lagen. "Ich wünsche dir ebenfalls einmal einen Partner, der dir die Sterne vom Himmel holt."
"Na ja, dabei ist er ja leider von der Leiter gefallen", gab Ida frech zur Antwort. "Aber süß war das schon von ihm", gab sie zu. "Hast du auch ein Geschenk für ihn?"
"Neue Reitstiefel, auch wenn er nie etwas geschenkt haben möchte. Es dauert sowieso sicher mehrere Monate, bis er wieder ausreiten kann."
"Ihr beiden seid richtig putzig!", meinte Ida.
"Sind wir das?"
"Yep!"
Dann stemmte die Fünfzehnjährige die Werkzeugkiste hoch und folgte Rosie durch den winterlichen Garten zurück ins Haus.
"Geht ihr mal nachschauen, wer sich bei dem Wetter zu uns verirrt hat?", rief Tim am Morgen von Idas Heimreise.
"Ich mach auf!", rief Ida. "Ist sicher die Post!"
Der Wind schlug ihr die Klinke aus der Hand, die Tür knallte gegen die grob verputzte Dielenwand und eine nicht unbeträchtliche Ladung Schnee verirrte sich über die Schwelle - auf deren anderer Seite Idas Mutter Maxie stand.
Ida taumelte zurück und fiel rückwärts über ihren Koffer, der bereits fertig gepackt in der Diele gestanden hatte.
"Mami!", krächzte sie.
Aus der Küche kam Rosie gelaufen und ließ den Kochlöffel fallen, sodass eine beträchtliche Ladung Béchamelsoße über den Steinboden spritzte.
"Maxie!!!", rief sie perplex. Zwei Puzzlestücke setzten sich anscheinend in ihrem Kopf zusammen. "Tim???"
"Weihnachtsüberraschung!", rief ihr Mann heiter aus dem Wohnzimmer.
Maxie, selbst warm verpackt wie ein Michelin Männchen, half Ida auf und nahm sie in ihre Arme.
"War ja klar, dass du gleich lossprinten musstest, um unsere Tochter zu sehen", keuchte eine sehr große, mit Mütze und Schal vermummte männliche Gestalt an der Tür; an der einen Hand hielt die Gestalt den neunjährigen Luis - Idas Bruder - in der anderen Hand eine fette Reistasche. "Ich glaube, wir haben den letzten freien Flieger von Köln erwischt!"
Er stellte die Tasche und seinen Sohn ab und stapfte durch den Schnee zurück zur Straße, um sich bei Gordon für den Flughafentransfer zu bedanken.
Es wurde ein fantastischer Abend!
"Rosies Weihnacht" - Teil 3 lesen Sie hier
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