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Nachricht vom 09.01.2024
Region
Containercamp für Geflüchtete bei Isert: Zweifel an Sinnhaftigkeit des Standortes
Nach wie vor hat sich die Ortsgemeinde Isert mit dem Bau eines Containercamps für Geflüchtete in ihrer Gemarkung nicht abgefunden. Kritisiert wird nicht die grundsätzliche Entscheidung für ein solches Domizil, sondern der Standort auf einem Areal, das der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld gehört und das der Kreis Altenkirchen per Vertrag nutzen kann, in Frage gestellt.
Gedankenaustausch auf dem Areal des geplanten Containercamps (von links): Matthias Schmidt (VG-Verwaltung), Annette Roßbach (erste Beigeordnete Isert), Dr. Brigitte Röhrig (Rechtsanwältin und Einwohnerin Isert), Fred Jüngerich (Bürgermeister der VG), Erwin Rüddel (MdB) und Wolfgang Hörter (Ortsbürgermeister Isert). (Foto: vh)   Isert/Altenkirchen. Derzeit zeugt an Ort und Stelle nicht mehr viel davon, dass auf der Fläche schon einmal Flüchtlinge in einer Unterkunft (inzwischen abgerissen) untergebracht worden sind. Eine Bodenplatte aus Beton, aus der Anschlüsse fürs Abwasser herausragen, und im Hintergrund ein Tank für Flüssiggas erinnern in der Nähe der Ortsgemeinde Isert an längst vergangene Zeiten, als 2015 und 2016 kosovarische Familien nach der Flucht vor dem Krieg in der Heimat ein Dach über dem Kopf erhalten haben. Nun sollen 14 mobile Wohneinheiten (davon drei als Sanitäreinheiten ausgelegt) auf dem Gelände unmittelbar an der B 256 für rund 40 Asylbewerber errichtet werden. Der Bauantrag ist bei der Ortsgemeinde Isert, in deren Außenbereich das große Grundstück liegt, eingegangen und wird in der Sitzung des Ortsgemeinderates am 24. Januar beraten. Geht es nach dem Willen der Altenkirchener Kreisverwaltung, sollen die „Zuziehenden“ (wohl alles Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren) noch im ersten Quartal vorübergehend sesshaft werden. Der Landstrich gehört der Verbandsgemeinde (VG) Altenkirchen-Flammersfeld, der ziemlich „hügelige“ und bei Nässe kaum passierbare Erschließungswaldweg der Ortsgemeinde Isert. Der Kreis kann den Flecken nutzen, das ist mit der VG vertraglich geregelt. Die Firma FAGSI Vertriebs- und Vermietungs-GmbH aus Morsbach liefert die Einheiten auf Mietbasis für 36 Monate und kassiert 160.184 Euro (netto).

Plan: Für drei Jahre in Betrieb
Mit diesem Schritt soll das Problem des immer weniger werdenden privaten Wohnraums, der für eine Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden kann, ein wenig, aber wohl nur vorübergehend entschärft werden. Zunächst einmal soll das Quartier für drei Jahre in Betrieb bleiben. „Ich möchte nur klarstellen, dass wir in der Gemeinde nicht gegen Asylbewerber sind. Es geht uns rein um den Standort und um die Verteilung nach dem ,Königssteiner Schlüssel’“, sagte Iserts Ortsbürgermeister Wolfgang Hörter bei einem Ortstermin am Dienstagmittag (9. Januar) mit MdB Erwin Rüddel (CDU). Der „Königssteiner Schlüssel“ sei ein generelles Thema, nur der Kreis könne intervenieren, dagegen klagen, erläuterte Fred Jüngerich als Bürgermeister der VG Altenkirchen-Flammersfeld. Das sei bisher noch nirgendwo geschehen. Der „Königssteiner Schlüssel“ regelt vor dem Hintergrund der Einwohnerzahlen die Zuweisungsrate von Geflüchteten, wobei die zunächst ebenfalls zu Rate gezogene Wirtschaftskraft derzeit nicht mehr in die Berechnung einfließt. „Mir ging es hauptsächlich darum, unseren politischen Verantwortlichen mal zu zeigen, auf welcher Fläche so etwas geplant ist – also hier mitten im Wald und wo keinerlei Integration möglich ist“, nannte Hörter den Hintergrund der Einladung an Rüddel. Er verstehe jedoch auch den Kreis, „irgendwo Plätze zu suchen, auf denen man die Asylbegehrenden unterbringt. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass die Wenigsten, die diese Entscheidung getroffen haben, den Platz richtig kennen. Wir möchten, dass unsere politischen Vertreter uns unterstützen und andere Plätze suchen. Wir können zumindest die große Zahl, von der gesprochen wird, hier nicht aufnehmen. Wir werden auch womöglich über die rechtliche Schiene versuchen, wie wir das verzögern oder verhindern können.“

Rüddel: „Irgendetwas muss passieren“
„Ich kann dies gut nachvollziehen“, meinte Rüddel, das Problem sei, dass täglich 1000 Asylbewerber kämen, von denen so gut wie keiner eine Asylberechtigung habe. Im Moment müssten die Kommunen das ausbaden, was die europäische und die Berliner Politik nicht auf die Reihe bekommen würden. Die Grenzen dicht zu machen, sei die größte Aufgabe, „vor der wir stehen“. Der Druck, der insgesamt auf der Gesellschaft lastet, müsse in irgendeiner Form genommen werden. „Irgendetwas muss passieren. Es können nicht jeden Tag 1000 Leute kommen“, legte sich Rüddel fest. Ein zunehmendes Problem sehe er in der Tatsache, dass immer mehr Menschen „wegen des Geldes kommen und nicht, weil sie unsere Kultur und unsere Wertevorstellungen annehmen wollen. Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Ich kann sie und die Bürger verstehen, ich kann aber auch die Kreise und die Verbandsgemeinden verstehen, die Unterkünfte suchen müssen – ob sie wollen oder nicht“. Dann wurde Rüddel grundsätzlich: „Deutschland hat ein Problem mit den Grünen, die großstädtisch geprägt sind und überhaupt kein Verständnis für das Leben auf dem Land haben.“ Es sei unvorstellbar für ihn, dass so eine kleine Partei so viel Wohlstand kaputt machen könne und gleichzeitig die Gesellschaft so spalte, „wir brauchen eine Regierung ohne die Grünen, damit wir die Herausforderungen dieser Gesellschaft lösen können“.

Klare grundgesetzliche Regelung
„Wir haben eine klare grundgesetzliche Regelung, wer Asyl begehren kann und wer nicht“, erläuterte Jüngerich, „das sind politisch Verfolgte und Menschen aus Kriegsgebieten. Diese Menschen nehmen wir gerne auf, sie sind jederzeit willkommen, sie muss man aber integrieren, wenn sie da sind, sie müssen auch bereit sein, unsere Regeln, unsere Gepflogenheiten anzuerkennen.“ Die jetzige Regierung bekomme es nicht hin, bei der vorherigen habe es auch nicht geklappt wie 2015/2016. Es müsse jetzt ganz, ganz schnell gehandelt werden. „Wer eine Berechtigung hat, darf rein, und wir müssen ihn integrieren. Wer keine Berechtigung hat, muss da bleiben, wo er ist“, sagte Jüngerich und fügte an: „Ja, die Landkreise und die Verbandsgemeinden sind mit ihrer Weisheit am Ende. Auf dem privaten Markt besteht so gut wie keine Bereitschaft mehr, Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.“ Und dann kämen solche Entscheidungen auf Kreisebene, „weil hier schon einmal eine Flüchtlingsunterkunft stand“. Der Platz sei sicherlich für eine Integration völlig unzulänglich. „Wir merken aber auch zum Teil, dass die Menschen in den Dörfern die Flüchtlinge nicht wollen“, berichtete Jüngerich aus der täglichen Praxis, weil sie Sorgen und Ängste hätten, wie „wir in der Einwohnerversammlung in Eichelhardt gemerkt haben vor dem Hintergrund der Erfahrungen an diesem Ort hier. Also stehen wir hier vor einer nicht lösbaren Aufgabe. Wir teilen die Meinung derer, die hier leben. So lange sich auf Bundesebene nichts tut, werden wir das Problem in den Kommunen nicht lösen können. Wenn dieser Standort für 40 Personen nicht zum Tragen kommt, weiß ich nicht, wo diese Menschen hin sollen. Wenn wir keinen Wohnraum finden, sitzen die Menschen im Rathaus und bleiben auch da.“

Warum nicht auf dem Stegskopf?
Hörter brachte das Thema Stegskopf (hergerichtete Unterkünfte im Lager des Truppenübungsplatzes für die Jahre 2015 und 2016) ins Spiel: „Da will man nicht hin.“ Rüddels Antwort kam postwendend: „Die Grünen wieder. Der Umweltschutz steht bei den Grünen vor dem Menschenschutz.“ Das sei die eine Hälfte „und der andere Teil ist die Gewerbegeschichte“, verdeutlichte Jüngerich, „wir haben im Kreis den Stegskopf diskutiert. Wir haben dort 2015 mit viel Geld für Infrastruktur gesorgt. Der Kreis habe geantwortet, das sei nicht mehr zeitgemäß. Die Wasserversorgung sei ganz problematisch. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich den Stegskopf nicht kenne. Der Stegskopf wurde aus mehreren Gründen, die ich bei weitem nicht alle nachvollziehen kann, abgelehnt. Außerdem ist eine Integration der Flüchtlinge auf dem Stegskopf wegen der Abgeschiedenheit genauso problematisch wie in Isert.“ Mit Blick zurück auf Isert formulierte Jüngerich: „Geeignet ist dieser Platz auch aus meiner Sicht nicht. Ich habe aber eine Aufgabe als Bürgermeister zu erfüllen, die da heißt: ,Bring die Flüchtlinge unter!‘ Die nimmt uns niemand ab. Wir sind das letzte Glied in der Kette.“ (vh)
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