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Nachricht vom 03.03.2024
Region
Klinikreform bilanziert/Teil 2: Für AK-Betriebsrätin auch "Schließung" nicht vom Tisch
Der Frust und das Gefühl der Ohnmacht, so gut wie keine Karten bei der Umstrukturierung des DRK-Krankenhauses Altenkirchen in Händen zu halten, lasten schwer auf den Mitgliedern des lokalen Betriebsrates. Ein vielfach eingefordertes Mitspracherecht bei der Degradierung des Hospitals in der Kreisstadt zu einer "Level-1-i*-Klinik" wird ihnen seit Monaten beinahe konsequent verwehrt.
Betriebsrätin Dr. Isabella Jung-Schwandt macht ihre Gedanken zum Restrukturierungsplan für das Altenkirchener DRK-Krankenhaus öffentlich. (Foto: privat)Altenkirchen. Nicht nur aus Sicht der Mitglieder des Betriebsrates des DRK-Krankenhauses Altenkirchen, sondern auch für weite Teile der Bevölkerung rund um Altenkirchen ist es ein Kreuz mit dem Roten Kreuz. Die Umstrukturierung nach der Insolvenz in Eigenverwaltung der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz gGmbH mit ihren fünf Häusern in Altenkirchen, Alzey, Hachenburg, Kirchen und Neuwied trifft den Standort in der Westerwälder Kreisstadt am härtesten. Die lokale Arbeitnehmervertretung konnte und kann so gut wie keinen Einfluss auf die Art und Weise des Abspeckens der bislang angebotenen Leistungen laut Plan der Beraterfirma WMC-Healtcare nehmen. Der Gesamtbetriebsrat mit Eberhard Bruch an der Spitze hält die Fäden bei der Gestaltung der Zukunft in Händen und ist für die DRK-Trägergesellschaft Süd-West als übergeordnete Instanz und alle weiteren, in dem Verfahren Agierenden einziger Ansprechpartner. Altenkirchens stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, Anästhesistin Dr. Isabella Jung-Schwandt, hat sich Gedanken in einer auf zwei Teile ausgelegten und dem AK-Kurier vorliegenden Stichwortliste über Entwicklungen und Entscheidungen der zurückliegenden Wochen und Monate gemacht und aufgeschrieben. Sie wagt gleichfalls einen Ausblick in die Zukunft des DRK-Krankenhauses Altenkirchen. Lesen Sie ihre Gedanken in Teil zwei:

Schließung nicht vom Tisch?
Zukunft: Nicht nur der Kahlschlag im Altenkirchener Krankenhaus, auch eine Schließung des ganzen Krankenhauses ist meines Erachtens nicht vom Tisch. Viele Dinge bleiben ungeklärt. Alle Assistenzärzte der Chirurgie und der Inneren Medizin sollen, soweit überhaupt noch angestellt, versetzt werden. Gleichzeitig plant man aber zumindest eine nächtliche Besetzung mit je einem Assistenten der jeweiligen Fachrichtung und jeweils einem Oberarzt im Hintergrund für die Notfallanlaufstelle. Diese sollen wohl aus Kirchen und Hachenburg im Rotationsverfahren in Altenkirchen eingesetzt werden. Wie viele Assistenten glaubt man an diesen Standorten zu generieren und woher sollen diese plötzlich kommen? Insgesamt wurden im Interessensausgleich sehr viele Ärztestellen geplant. So sind zum Beispiel in Hachenburg (zurzeit weniger als drei Vollzeitäquivalente) zehn Vollzeitstellen für Anästhesieärzte geplant. Aus Altenkirchen sind hierfür wegen schon bestehenden Mangels an diesem Standort eigentlich keine Versetzungen mehr möglich. Auch Kirchen und Neuwied sollen die Anästhesieärztestellen aufstocken. Wo kommen denn auf einmal all diese Anästhesisten her?

WMC-Plan: Ist dieses Konzept überhaupt umsetzbar? Gemeinsamer Tresen in der Notfallanlaufstelle, beides neue Lieblingsbegriffe von mir, direkt von WMC übernommen für den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und die Notaufnahme. Ja, Herr Lauterbach hat Recht, es sitzen zu viele Patienten in der Notaufnahme, und nicht alle bedürfen der Notfallversorgung. Nur die KV-Praxis ist leider auch schon geschlossen. Und wo soll der Patient in seiner Not denn hin? Er fühlt sich ja zumindest so krank, dass er nachts ärztliche Hilfe aufsucht. Die Schwelle, so etwas zu tun, ist sicher individuell sehr unterschiedlich. In den meisten Fällen aber durchaus nicht unbegründet, wenn auch meist nicht lebensbedrohlich. Geht es nach Gesundheitsminister Lauterbach könnten künftig etwa große medizinische Versorgungszentren an die Stelle von nicht mehr gebrauchten Kliniken treten. Gleichzeitig gebe es unterversorgte Gebiete in ländlichen Regionen - „auch durch Zuschläge sollten Kliniken hier am Netz gehalten werden“. Hierfür sieht Lauterbach sechs Milliarden Euro an Subventionen für diese Kliniken vor. Prima, also MVZ-Umwandlung in Regionen mit hoher Klinikdichte, also in den städtischen Gegenden? Und genau eine dieser subventionsbedürftigen Kliniken der Grundversorgung sehe ich hier, ländlicher Raum und Unterversorgung. Wir hatten bis dato genau diese Basisversorgung: Frakturen, Blinddärme, akute Gallen, Hernienchirurgie, Divertikulosen, Magen- Darmblutunge etc. Unterversorgung ist tatsächlich jetzt schon in vielen Bereichen hier vor Ort gegeben. Dies wird der Großteil der Altenkirchener Bevölkerung genauso unterschreiben. So sind die Hausärzte sowie die Fachärzte, soweit vor Ort überhaupt noch vorhanden, hoffnungslos überlastet und können keine neuen Patienten mehr aufnehmen, geschweige denn den KV-Bereitschaftsdienst personell selber abdecken.
Hat WMC unser Ärzteangebot mit dem einer Universitätsstadt verwechselt? Wobei ich selbst von meinen Kollegen aus meiner ehemaligen Heimat Heidelberg höre, dass auch an Universitätsstädten nicht mehr alle Assistenzarztstellen besetzt werden können. Wie und mit was will man Fachärzte in den Westerwald locken? Da erschienen die Pläne des Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn Gonzalés ein wunderbares Angebot. Man versuche hier ein Modellprojekt. Ein „Level 1 i mit Sternchen“.

Basisversorgung nicht geplant
Bevölkerungsbedürfnisse: Vielleicht ein attraktives Angebot, hier Assistenten oder Fachärzte anzulocken? Besondere Ausbildung, attraktive Umgebung, überdurchschnittliches Gehalt? Nun, was auch immer ein Level 1i mit oder ohne Sternchen sein mag. Eine Basisversorgung hier am Haus ist nicht geplant. Mag man Späße machen, das Sternchen heiße „Nachts geschlossen“, mache ich mir ernsthafte Sorgen um die Versorgung der Bevölkerung in meiner jetzigen Heimat. Was heißt „Wir wollen eine integrierte Versorgung, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, aber auch Sektorengrenzen überwindet, um flexibel agieren zu können“?. Das klingt erstmal gut, wenn ich aber zum Beispiel mit einem akuten Blinddarm bis nach Kirchen oder ganz aus dem Kreis fahren muss, klingt das schon weniger nach den Bedürfnissen der Bevölkerung. Und was heißt Sektorengrenzen überwinden? Wenn man in Mangelsituationen für die anderen Fachbereiche einspringt, wenn z.B. alte gestandene Oberärzte der Anästhesie 24 Stunden Bereitschaftsdienst vor Ort machen, um den jungen, zum Teil unerfahrenen Kollegen der Inneren und der Chirurgie bis zum Eintreffen ihres Hintergrunddienstes zur Seite zu stehen. Wenn fachübergreifend auf Intensivstation eingesprungen wird, wenn innerhalb von Minuten ein ATLS (advanced Trauma life support) geschultes Team im Schockraum zur Verfügung steht, bereit, sofort lebensrettende Maßnahmen zu ergreifen, dann ist das für mich gelebte Intersektoralität. Aber dies alles will man hier nicht brauchen. Was ist also Sektorengrenzen überwinden? Laut Herrn Eckert (WMC) wurde in Altenkirchen ohnehin fast nur ambulant operiert. Die chirurgischen Stationen waren trotz personellen Engpässen und gesperrten OP-Kapazitäten häufig überfüllt. Ein Traumaalarm mit potentiell lebensgefährlichen Verletzungen im Schnitt einmal pro Woche spricht ebenso für sich. Das ein Landrat und Facharzt für Anästhesie sowie Notfallmedizin dies als verzichtbar abtut, macht mich sprachlos. Auch stimmt die Aussage nicht, alle lebensgefährlichen Verletzungen müssten sowieso sekundär an andere Häuser verlegt werden. Über 70 Prozent der Verletzten konnten vor Ort versorgt werden. Lediglich schwere Schädelhirntraumen, komplexe Becken- oder Wirbelsäulenverletzungen wurden selbstverständlich an ein Haus der Maximalversorgung verbracht.

Klärungsbedarf: Herr Eckert spricht weiterhin von Ausbau der MVZ, beispielsweise augenärztliche Leistungen in Kooperation mit Neuwied, aber bis dato, wie so vieles, ist dies laut seinen Angaben noch zu klären. Ein MVZ der Pädiatrie sowie das der HNO oder sogar Dermatologie (völlig illusorisch) kann übrigens mangels Facharztanfragen seit langer Zeit in Altenkirchen nicht besetzt werden. Solche Informationen sind möglicherweise einem Städter, der eingeflogen mit Navi und Mietwagen Altenkirchen findet, nicht bekannt. In Kooperation mit den anderen Häusern soll Altenkirchen also „effizienter“ werden und ein „Standort nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten“. Dieses Vorhaben laut Herrn Eckert sogar dadurch, „dass Mediziner anderer Standorte freie OP-Saal-Kapazitäten in Altenkirchen nutzen“. Natürlich nur für ambulante Eingriffe, wo meines Erachtens tatsächlich die Wohnortnähe ein entscheidender Faktor ist. So gibt es in Neuwied weitere ambulante Eingriffsmöglichkeiten an anderer Klinik oder Richtung Koblenz und Kirchen hat diesbezüglich sicher eine hohe Attraktivität Richtung Siegen. Aber das ist natürlich nur meine Einschätzung und nicht die der renommierten Sanierungsfirma, die das per ausgeklügeltem Programm verifiziert hat.

Pflege: 9,8 Vollzeitäquivalente
Übergangspflegestation: Zusätzlich träumt man von einer Übergangspflegestation im zweiten Stock des Altenkirchener Krankenhauses. War bis dato die Traumatologie und Basisversorgung der Bevölkerung in Altenkirchen, sollen jetzt alle größeren traumatologischen Eingriffe durch das orthopädische Team in Hachenburg versorgt werden. Nein, Herr Eckert, Orthopädie und Unfallchirurgie ist nicht der gleiche Facharzt und Handchirurgie eine gefragte eher seltene Zusatzbezeichnung. Das Problem, das Altenkirchen mit längeren Liegezeiten, als denen durch die DRG-Finanzierung vorgesehenen, bis dato häufig hatte, will man aus Hachenburg jetzt cleverer lösen. War zum Beispiel ein älterer Mitbürger gestürzt und hatte sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen, war häufig eine Einleitung einer Reha-Behandlung nicht so schnell möglich, oder eine Rückkehr ins häusliche Umfeld mit den aus dem Trauma resultierenden Einschränkungen gänzlich ausgeschlossen. Daher wurden diese Patienten weiterhin in Altenkirchen stationär versorgt und sind somit aus dem Budgetplan herausgefallen. Endoprothetik, wie bis dato vorwiegend in Hachenburg durchgeführt, ist gut planbar, nicht ortsgebunden, meist ist die Reha schon vor dem geplanten Eingriff vereinbart. So können Liegezeiten und Bettenplanung leicht optimiert werden. Jetzt, da nunmehr die Traumatologie nach Hachenburg umziehen soll, scheint dieses Problem dort erkannt. Somit plane man nun mit den leerstehenden Räumlichkeiten in Altenkirchen eine Überleitungspflege. Personalbedarf etc. werde noch ermittelt. Nur wenig später wurde dieses Vorhaben allerdings schon wieder gecancelt. Die Versetzungen sollen plangemäß nach Interessensausgleich erfolgen. Geplanter Stellenschlüssel für verbleibende Pflegekräfte am Haus Altenkirchen sind 9,8 Vollzeitäquivalente.

Hoffnung: Ich persönlich wäre sehr froh über ein Haus der Basisversorgung in Altenkirchen, mag es „Level 1i, 1i mit Stern“ oder wie auch immer heißen. Ich bin stolz, was unser Haus trotz aller Widrigkeiten für die Versorgung der Bevölkerung bis dato geleistet hat. Da brauchen wir uns wirklich neben anderen Häusern nicht verstecken. Lustigerweise haben Kollegen des befreundeten Betriebsrates Neuwied, auf der Jobbörse zur Werbung unserer Mitarbeiter mit anwesend, im zweiten Stock unseres Altenkirchener Hauses überrascht festgestellt, wie hübsch die Patientenzimmer seien und in welch schönem Zustand. Und überrascht stellte eine der Kolleginnen fest: „Ihr habt ja sogar einen Hubschrauberlandeplatz!“ Ja, entgegen den Darstellungen wurde bis dato hier Basisversorgung betrieben, in einem gut renovierten, freundlichen Ambiente, intersektoral und fächerübergreifend mit telemedizinischer Hilfe. Die Angebote, was wir alles zu leisten vermögen, unsere Expertise, unser Wissen um die strukturellen und personellen Gegebenheiten scheinen im Spiel des großen und ganzen keine Rolle zu spielen. Meine Hoffnung ist trotzdem, dass man nun bei der Umsetzung der Pläne feststellt, wie einfach die vorhandenen Kapazitäten in Altenkirchen zu nutzen wären. Wie gut man echte Synergien zwischen den Häusern etablieren könnte, zum Beispiel auch Fachkräfte (u.a. Fachärzte) sparen könnte. Mit einer hohen Attraktivität zur Ausbildung neuer Fachärzte gekoppelt, könnte man zuversichtlich ein Westerwaldklinikum planen, was diesen Namen auch verdient. (vh)
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